# taz.de -- Social Network "Empire Avenue": Das überflüssigste Netzwerk der Welt
       
       > "Wie viel bin ich wert?" fragen die Nutzer des neue Online-Netzwerks
       > "Empire Avenue". Und lassen sich von zahlreichen anderen Nutzern gleich
       > die Antwort geben.
       
 (IMG) Bild: Wer hat den Längsten? Startseite von "Empire Avenue".
       
       Die entscheidende Frage eines Social Media-Profils lautet nicht: Wer bin
       ich? Sie lautet: Was bin ich wert? Wie viele Nutzern gefällt mein Tweet,
       wie viele Freunde habe ich auf Facebook, wie viele Follower auf Twitter,
       wie groß ist meine soziale Akzeptanz?
       
       Es ist nur ein kleiner Schritt von "Was bin ich wert?" hin zu "Wie viel bin
       ich wert?" So naheliegend diese Idee ist, hat es doch eine Weile gebraucht,
       bis sie in Form eines Online-Netzwerks realisiert wurde. Nun aber: Das
       Ergebnis heißt Empire Avenue - das klingt nach einer bespielbaren Version
       von "Wall Street". Und genau das ist es auch.
       
       Das Prinzip ist einfach: "Empire Avenue" verknüpft sich verschiedenen
       Social-Media-Profilen eines Nutzers und ermittelt aus der
       Nutzungsintensität einen Wert. Die restlichen Nutzer können dann
       entscheiden, ob sie Anteile an anderen Teilnehmern erwerben oder nicht.
       Dadurch ergibt sich für das Profil ein virtueller Aktienkurs.
       
       Die Seite ist so unübersichtlich wie das Börsenparkett. Vier verschiedene
       Chats blinken in der Fußzeile, und bis man sich in den Profilen
       einigermaßen auskennt, braucht es seine Zeit. Damit man auch ja dranbleibt,
       überschwemmt die Seite das eigene Mailkonto mit Benachrichtigungen. Aber
       obwohl ein hyperaktiver Mailausstoß normalerweise sofort zu Spam-Verdacht
       führt, begleiten viele Blogger den Dienst mit kaum verhohlener Sympathie.
       
       ## Personalisierte Werbung
       
       Denn anders als ähnliche Dienste, die den Einfluss einer digitalen
       Persönlichkeit zu messen versuchen (zum Beispiel Klout oder Peer Index),
       setzt Empire Avenue auf den Faktor Unterhaltung. Der Grundsatz heißt
       Gamification: Etwas Dröges und Langweiliges wie die statistische Erhebung
       der Aktivitäten der Nutzer wird in ein Spiel übersetzt. Die großen sozialen
       Netzwerke versuchen hinter den Kulissen schon lange, die Profile auf ihren
       Seiten zu gewichten. Bisher wurden diese Listen stets als Versuch gewertet,
       Werbung zu personalisieren und dadurch besser zu platzieren.
       
       Auch das Geschäftsmodell von "Empire Avenue" spielt mit diesem Gedanken.
       Bisher ist es nur ein Spiel, aber Duleepa Wijayawardhana, Geschäftsführer
       bei "Empire Avenue", denkt selbstverständlich schon an die reale Münze.
       Auch hier geht es um Werbung, personalisierte Werbung natürlich, aber
       andersrum: der Nutzer entscheidet, was er seinen Investoren an Werbung
       anbietet. Wenn sich das Publikum einer digitalen Persönlichkeit für
       Fotografie interessiert, dann hat der Nutzer die Möglichkeit, entsprechende
       Anzeigen zu schalten: und sein Aktienkurs gibt einen Hinweis darauf, wie
       interessant es für Werbende sein könnte, mit ihm zu kooperieren.
       
       Das ist nicht der einzige Nutzen. Es klang noch nach einer Kuriosität, als
       im September 2010 ein Marketingunternehmen in den USA als
       Einstellungsvoraussetzung 250 Follower auf Twitter forderte. In
       selbstdarstellungsintensiven Branchen ist der eigene digitale Einfluss
       schon längst ein Kriterium. Warum also sollten Unternehmen nicht auf einen
       wie auch immer gearteten Netzwert eines Bewerbers reagieren?
       
       ## Schwarm der Selbstanbiederer
       
       Ob es "Empire Avenue" gelingt, in diesem Punkt zum Standard zu werden, ist
       ungewiss. Momentan wächst die Seite rasant, ob sie aber die kritische Masse
       durchbricht, ist noch nicht abzusehen. Momentan ist sie phasenweise sehr
       langsam, arg betreuungsintensiv und ob sich der Mehrwert, den die Macher
       voraussehen, einlösen lässt, steht in den Sternen.
       
       Noch sind Zweifel angebracht, denn momentan ist vom tatsächlichen Nutzen
       noch recht wenig zu sehen. Das Spiel frisst enorm viel Zeit, die Seite ist
       bisweilen arg langsam, und die aktivsten Teilnehmer sind gleichzeitig die
       eitelsten und aufmerksamkeitsgierigsten Business-Kasper, die durch ihre
       Selbstanbiederung rasch nerven.
       
       Nichtsdestotrotz, die Richtung ist wegweisend: viele warten auf ein Portal,
       das den Wert einer digitalen Persönlichkeit spielerisch ermittelt. Das sich
       mit "Empire Avenue" der erste Versuch durchsetzt, darf bezweifelt werden.
       
       31 May 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Frédéric Valin
       
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