# taz.de -- Behinderte Kinder an Regelschulen: „Der Bund soll für Inklusion zahlen“
       
       > Stephan Dorgerloh, neuer Präsident der Kultusminister, will die
       > Bundesländer in der Bildungspolitik nicht antreiben. Er fordert Geld aus
       > Berlin für behinderte Kinder.
       
 (IMG) Bild: Internationale Verpflichtung: Schulen brauchen Geld für Umbauten und Sonderpädagogen
       
       taz: Herr Dorgerloh, bei den Schulformen in Deutschland verliert man den
       Überblick. Es gibt Gemeinschaftsschulen, Sekundarschulen, Mittelschulen.
       Driften die Bundesländer auseinander? 
       
       Stephan Dorgerloh: Nein. Es gibt vielmehr eine gemeinsame Tendenz: Immer
       mehr zeichnet sich ein Zwei-Säulen-Modell ab, bei dem sich neben dem
       Gymnasium ein integrierter Schultyp entwickelt, der den Weg zu möglichst
       allen Abschlüssen offen hält.
       
       Sie sind in diesem Jahr Präsident der Kultusministerkonferenz. Warum machen
       Sie sich nicht dafür stark, dass das Klein-Klein der Länder in der
       Schulpolitik aufhört? 
       
       Wir haben gemeinsame Bildungsstandards verabredet, die am Ende der
       Grundschule, der Sekundarstufe und beim Abitur von allen Schülerinnen und
       Schülern erreicht werden müssen und die wir messen können. Erst 2012 haben
       wir uns sogar auf die gemeinsame Abiturstandards geeinigt, ein
       Riesenerfolg. Wer hätte das vor ein paar Jahren für möglich gehalten? Wie
       die Länder diese Ziele erreichen, sollte ihnen überlassen bleiben.
       
       Das Grundgesetz verbietet dem Bund, in der Schulpolitik mitzubestimmen. Ist
       dieses „Kooperationsverbot“ richtig? 
       
       Es sind viele Aufgaben auf die Schule zugekommen, an denen sich der Bund
       beteiligen sollte. Denken Sie an das Beispiel Inklusion, also den
       gemeinsamen Unterricht von behinderten und nichtbehinderten Schülerinnen
       und Schülern. Der Bund hat die UN-Behindertenrechtskonvention unterzeichnet
       und sich darin zu einem inklusiven Schulsystem verpflichtet. Die Aufgabe
       liegt aber bei den Ländern. Wir müssen zum Beispiel Schulgebäude
       behindertengerecht umbauen und brauchen mehr Sonderpädagogen an den
       Regelschulen. Dazu brauchen wir die finanzielle Beteiligung des Bundes.
       
       Wenn der Bund Geld gibt, würde er sicher auch gerne mitreden. 
       
       Die inhaltliche Verantwortung muss bei den Ländern liegen, weil die
       Voraussetzungen vor Ort unterschiedlich sind. Manche Länder haben ein stark
       ausgebautes Sonderschulwesen, andere unterrichten schon jetzt viele Kinder
       mit Behinderung im gemeinsamen Unterricht. Die einen haben eine hohe
       Migrantenquote, und andere müssen den demografischen Wandel gestalten. Da
       sind dann jeweils ganz verschiedene Schritte notwendig. Es ist übrigens gar
       nicht so ungewöhnlich, dass die Länder inhaltlich verantwortlich sind, aber
       der Bund Mittel beisteuert.
       
       Bundesbildungsministerin Annette Schavan will, dass der Bund sich nur im
       Hochschulbereich stärker beteiligen könnte. Im Bundesrat scheiterte sie
       damit vor allem an den SPD-Ländern – denen reichte das nicht. Wie stehen
       die Chancen, dass das Kooperationsverbot in absehbarer Zukunft noch
       gelockert wird? 
       
       In der Kultusministerkonferenz gibt es eine Mehrheit, die das
       Kooperationsverbot sehr kritisch sieht. Die Frage ist, ob die Mehrheiten im
       Bundesrat wie im Bundestag derzeit für eine Verfassungsänderung ausreichen.
       Wir sind hier mitten in einem Prozess, solche Diskussionen brauchen ihre
       Zeit.
       
       Ministerin Schavan hat auch ein 500-Millionen-Programm zur Verbesserung der
       Lehrerausbildung an den Hochschulen in Aussicht gestellt – wenn die Länder
       die Lehrerexamina gegenseitig anerkennen. Bayern, Niedersachsen und Sachsen
       haben jüngst dafür einen Bildungsstaatsvertrag ins Gespräch gebracht. Eine
       sinnvolle Idee? 
       
       Mir und vielen anderen Kollegen erscheint ein Staatsvertrag bei der Frage
       nicht das geeignete Instrument zu sein. Wir haben längst Regeln zur
       gegenseitigen Anerkennung von Lehrerexamina, die wir im Detail vielleicht
       nachjustieren müssen. Die Kultusministerkonferenz ist immer dann besonders
       stark, wenn die Länder beieinander und bei ihren Verabredungen bleiben.
       Unsere Verabredung lautet: Die Probleme, die es noch gibt, wollen wir auf
       unserer Märzsitzung lösen.
       
       Dann war das Vorpreschen der drei Länder eigentlich ein schlechter Start
       für Sie als KMK-Präsident? 
       
       Nein, das sehe ich entspannt. Wir haben Wahlkampf. Da darf man großzügiger
       sein.
       
       20 Jan 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernd Kramer
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