# taz.de -- Säkularisierung in Bremen: Tanz den Jesus Christus
       
       > In Bremen wollen SPD und Grüne das Tanzverbot an Karfreitag und anderen
       > Feiertagen lockern. Kritik kommt von Christen und Gewerkschaftern, auch
       > die zum Teil stark protestantische SPD tat sich schwer.
       
 (IMG) Bild: Sollen Bremer künftig sogar an Karfreitag dürfen: sich amüsieren bei repetitiver Musik.
       
       BREMEN taz | Maurice Mäschig will feiern – auch am Karfreitag. Er ist
       Student in Bremen, nennt sich Humanist und sieht den Einfluss der Kirchen
       im Staat kritisch. Im März 2011 hat er deshalb eine öffentliche Petition
       gegen das Tanzverbot an Feiertagen gestartet – 2013 hat er Erfolg: Die
       rot-grüne Koalition will in Bremen nun das Tanzverbot lockern. 2018 sollen
       die Verbote des Bremischen Feiertagsgesetzes ganz fallen.
       
       Vergangene Woche haben SPD und Grüne in der Bremischen Bürgerschaft einen
       entsprechenden Antrag eingereicht. Der schränkt den religiösen Einfluss ein
       und betont gleichzeitig die Bedeutung der Kirchen – ein Eiertanz der
       Sozialdemokraten. Denn der laizistische Vorstoß der Fraktion ist in der
       Partei umstritten: Wie viele Genossen ist auch Bremens sozialdemokratischer
       Bürgermeister Jens Böhrnsen überzeugter Protestant.
       
       „Sehr bedauerlich“ findet’s Böhrnsen daher, wenn der Schutz dieser „stillen
       Feiertage“ noch weiter eingeschränkt wird. Für die Gesellschaft sei
       wichtig, „dass es Tage gibt, die gemeinsame Möglichkeiten eröffnen, andere
       Dinge zu machen, als sich nur ökonomisch zu verhalten“, sagt sein Sprecher
       Hermann Kleen. Den Plan seiner ParteigenossInnen nehme der Bürgermeister
       „so an“.
       
       Das ist diplomatisch formuliert, der Kurs der Genossen gegen ihren
       Bürgermeister ungewöhnlich. Richtig getraut, so wie Mäschig es wollte, hat
       sich die SPD daher auch nicht: Während Linkspartei und Grüne sehr früh
       dabei waren, mussten sich die Sozis erst noch mit den Kirchen absprechen.
       
       Auch bei der Interpretation des eigenen Antrages rudern sie zurück. „Außer
       Kraft treten“, so steht’s da unter Punkt drei, sollen die
       Tanzverbot-Paragraphen im Februar 2018. Eine „klassische Gesetzestechnik“,
       nennt das SPD-Fraktionschef Björn Tschöpe, in fünf Jahren würde das Gesetz
       eben „überprüft“. Mäschig dagegen ist hoffnungsvoll: „Dann müssen erst
       Argumente für ein Tanzverbot gefunden werden.“ Schwierig meint er, denn „es
       sprechen keine Sachgründe dafür“. Der Anfang ist für ihn gemacht.
       
       Laut rot-grünem Vorstoß soll bereits am Karfreitag, am 29. März, das Tanzen
       länger möglich sein. Ihre Ruhe bekämen Christen noch von sechs bis 21 Uhr,
       am Volkstrauertag und am Totensonntag von sechs bis 17 Uhr. Abgeschaut ist
       diese Regelung aus Berlin, dort werde sie von „keiner gesellschaftlichen
       Gruppe mehr ernsthaft in Frage gestellt“, heißt es im Antrag. Es sei ein
       „angemessener Ausgleich der unterschiedlichen Interessen in einer
       heterogenen und multireligiösen Großstadt“.
       
       Wie streng das Tanzverbot bislang in Bremen war, ist Ansichtssache: Anders
       als etwa in Bayern gibt’s an Allerheiligen, am Aschermittwoch oder am
       Gründonnerstag keine Einschränkung. Das Tanzverbot am Karfreitag geht in
       Hamburg morgens um 2 Uhr los, in Bremen erst ab 4 Uhr früh. In allen
       anderen Ländern außer den Stadtstaaten gilt am Karfreitag die ganztägige
       Spaßbremse.
       
       Bremen kann aber auch als eines der strengsten Länder angesehen werden: Das
       Landesgesetz untersagt reine Unterhaltungsveranstaltungen an jedem
       Sonntagvormittag. Praktiziert wird das nicht, kontrolliert auch nicht. Der
       Sprecher des Innensenators formuliert es so: „Dass am Sonntag um diese Zeit
       jemand tanzen will, kommt eher selten vor.“ Bei einer Anzeige aber wär’s
       bis heute eine Ordnungswidrigkeit.
       
       Kritik an der Lockerung des Tanzverbots kommt nicht nur von religiöser
       Seite. „Auch als Kirchenkritiker stelle ich in dieser Frage klar an die
       Seite der Kirche“, sagt der Gewerkschafter Gunnar Wegener,
       Vize-Geschäftsführer von Ver.di Niedersachsen/Bremen. „Auch diejenigen, die
       dann arbeiten, müssen irgendwann mal den Kopf frei kriegen.“ Wegener sieht
       die Lockerung als Angriff auf den arbeitsfreien Sonntag. „Nicht jeder
       Bereich der Gesellschaft muss solchen Verwertungsbedingungen unterworfen
       sein.“
       
       28 Jan 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jean-Philipp Baeck
 (DIR) Jean-Philipp Baeck
       
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