# taz.de -- Schalke in der Krise: Dynamik des Niedergangs
       
       > Schalke 04 blamiert sich gegen den Schlusslicht Fürth. Trainer Jens
       > Keller steht schon nach vier Spielen in der Kritik – vor allem beim
       > Publikum.
       
 (IMG) Bild: Kaum da, schon frustriert: Die Schalker Wintereinkäufe Michel Bastos und Raffael
       
       GELSENKIRCHEN taz | Jermaine Jones hat viel erlebt, seit er 2007 zum FC
       Schalke gewechselt ist, und am Samstagabend sah er den Moment gekommen, die
       Krise der Gegenwart mit Hilfe seines königsblauen Erfahrungsschatzes zu
       erklären. „Egal, welcher Trainer hier gewesen ist, am Anfang werden sie
       alle kritisiert, Rutten, Slomka, Büskens, jetzt Keller“, es sei „klar, dass
       die Mannschaft da verunsichert wird“, schimpfte Jones nach dem 1:2 gegen
       Greuther Fürth.
       
       Man kann nun einwenden, dass eine derart stark besetzte Mannschaft wie
       Schalke den Tabellenletzten auch mit einem Trainer, der nicht über jeden
       Zweifel erhaben ist, schlagen sollte, aber Jones’ Anmerkungen machen
       deutlich, wie sehr das Team unter der miserablen Stimmung rund um den Klub
       leidet.
       
       Bis zum Samstag hatten die Verantwortlichen ja noch behauptet, die
       verseuchte Atmosphäre sei eine Erfindung des missgünstigen Umfeldes, vier
       Punkte aus zwei Partien zum Rückrundenauftakt waren gar nicht so schlecht.
       Nach dieser Partie ist das Elend nun bittere Realität. „Beschämend“ fand
       Manager Horst Heldt den Auftritt der Mannschaft und sprach von einer
       „Katastrophe“. Nach nur einem mickrigen Pünktchen aus den Duellen gegen
       Augsburg und Fürth gehen den Schalkern die Argumente aus.
       
       Zwar betonte Heldt erneut, dass Trainer Jens Keller „gute Arbeit“
       verrichte, aber selbst wenn das stimmt, hat sich eine Dynamik ergeben, in
       der Keller mehr und mehr zum Problem wird. Das Publikum reagiert
       überkritisch und im medialen Umfeld der Gelsenkirchener hat das Misstrauen
       diesem Trainer gegenüber ein heikles Stadium erreicht.
       
       ## Regelrecht „runtergepfiffen“
       
       Als Keller den immer schwächer werdenden Publikumsliebling Julian Draxler
       aus der Partie nahm und Neuzugang Raffael einwechselte, hätten die Leute
       das Team und den Trainer „runtergepfiffen“, beschrieb Jones seine
       Empfindungen, dabei war der Wechsel nachvollziehbar. Raffael hatte gute
       Momente und traf sogar den Pfosten (87.). Die Arena auf Schalke war eben
       noch nie eine Hochburg des rationalen Sachverstandes.
       
       Zwar wird immer wieder betont, welch ein wunderbarer Fachmann der
       42-Jährige unter der Woche sei, „wir trainieren gut, ziehen alle an einem
       Strang und hatten eine gute Strategie“, behauptete Roman Neustädter. Aber
       in den vier Pflichtspielen unter Keller waren die Schalker nie die bessere
       Mannschaft. Für den einzigen Sieg, das merkwürdige 5:4 gegen Hannover,
       benötigten sie eine gewaltige Portion Glück, und nun stehen ebenso schwere
       wie bedeutsame Partien in München, in Mainz und in Istanbul an – und
       niemand weiß, wie die Dynamik des Niedergangs gestoppt werden soll.
       
       Die Serie von nur einem Sieg aus den vergangenen neun Bundesligapartien
       beruht auf Problemen, die irgendwo in den Köpfen stecken. Die Qualität der
       Mannschaft ist jedenfalls nicht das Hauptproblem. Im Gegenteil. Gegen Fürth
       war zu sehen, dass der unbelastete Neuzugang Michel Bastos eine
       Bereicherung sein kann, nicht nur wegen seines wunderschönen Treffers zum
       1:0 (47.). Auch Raffael deutete an, dass er den Schalkern helfen kann.
       
       ## Schalke hat ein Abwehrproblem
       
       Das Gerüst des Teams wurde im vergangenen Jahr immerhin Dritter in der
       Bundesliga und hat das Achtelfinale der Champions League erreicht. Aber im
       Moment gelingt es dem Trainer einfach nicht, die Potenziale zur Blüte zu
       bringen. Klaas-Jan Huntelaar wirkt wie eine schräge Kopie jenes Stürmers,
       der im Vorjahr für Schalke spielte, vor allem jedoch hat der Klub ein
       Abwehrproblem. Die Fürther Treffer fielen jeweils über Atsuto Uchidas
       rechte Seite, Joel Matip bleibt ein Unsicherheitsfaktor, grundsätzlich
       mangelt es an der richtigen Balance zwischen Offensive und Defensive.
       
       Das haben die Fürther geschickt genutzt. „Es tut der Seele gut“, sagte der
       euphorisierte Gästetrainer Mike Büskens. Der Siegtreffer in der
       Nachspielzeit war der bislang schönste Moment der kurzen Fürther
       Bundesligahistorie.
       
       Ein ähnlich befreiendes Erlebnis könnte das einzige Mittel sein, das auch
       die Schalker aus ihrer Depression retten kann. Einen weiteren
       Trainerwechsel schloss Manager Heldt nämlich aus. Zumindest vorerst.
       
       3 Feb 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Theweleit
       
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