# taz.de -- Kommentar Serbiens Ministerpräsident: Spionagefarce in Belgrad
       
       > Zum Schluss musste der serbische Ministerpräsident Dacic seine Kontakte
       > zur Drogenmafia zugeben. Ob er gehen muss, hängt von seinem Vize ab.
       
 (IMG) Bild: Wegen Mafiakontakten unter Druck: Serbiens Regierungschef Ivica Dacic.
       
       Es ist wie in einer lateinamerikanischen Seifenoper: Der Ministerpräsident,
       der gleichzeitig Innenminister ist, dementiert zuerst. Als dann aber von
       der Kriminalpolizei Beweise durchsickern, gibt er seine Kontakte zur
       Drogenmafia doch zu.
       
       Ivica Dacic ist dafür bekannt, gern ein Gläschen zu trinken und bei jeder
       Gelegenheit zu singen, letztens ins Ohr der Schauspielerin Monica Bellucci,
       die zu Besuch in Serbien war. Kurz bevor es ernst um ihn wurde, glaubte er,
       Gast eines TV-Senders zu sein, gelangte jedoch in ein provisorisches
       Studio, in dem eine Moderatorin im kurzen Rock und ohne Höschen während des
       angeblichen Interviews vor ihm die Beine spreizte – er fiel auf eine
       „Versteckte Kamera“ herein.
       
       Doch es ist keine Seifenoper, vielmehr eine Spionagefarce, ein Ebenbild der
       serbischen Innenpolitik, die so wild, wie sie ist, schwerwiegende Folgen
       für das wirtschaftlich und sozial ruinierte Land haben wird. Der Premier
       und Innenminister Ivica Dacic hat politisch, fachlich und moralisch
       abgewirtschaftet. Er behauptet, nicht gewusst zu haben, dass er sich vor
       knapp fünf Jahren als Innenminister mit einem Mafiaboss traf – angeblich
       glaubte er, es handelte sich um einen Geschäftsmann.
       
       Dacic beteuert auch, seine Regierung sei stabil, es würde keine Neuwahlen
       geben. Doch weder das eine noch das andere nimmt ihm noch jemand ab. Am
       Mittwoch schaltete sich die Sonderstaatsanwaltschaft für organisiertes
       Verbrechen ein, um die „Kontakte einzelner Funktionäre“ zur Drogenmafia zu
       untersuchen.
       
       Dacic’ Tage sind gezählt. Als Innenminister hat er offensichtlich keine
       Kontrolle über Polizei und Sicherheitsdienste, sonst hätte er sich nicht
       zur Lachnummer machen lassen, die [1][auf YouTube zu sehen] ist. Die
       Opposition fordert sowieso unisono seinen Rücktritt, die EU und Washington
       werden – trotz seiner guten Dienste als serbischer Chefunterhändler im
       Dialog mit dem Kosovo – nichts mit ihm zu tun haben wollen, solange seine
       Kontakte zur Drogenmafia nicht geklärt sind.
       
       ## Vucic wirkt stets bedrohlich
       
       Dacic’ Schicksal wie die möglichen Neuwahlen hängen allein vom Willen eines
       Mannes ab, den man hinter den belastenden Beweisen gegen den Premier
       vermutet – Aleksandar Vucic (42), Vizepremier und Verteidigungsminister,
       Koordinator der Sicherheitsdienste, zuständig für den Kampf gegen
       Korruption und organisiertes Verbrechen, Chef des Seniorpartners in der
       Regierung, der Serbischen Fortschrittspartei (SNS). Er ist der neue starke
       Mann in Serbien. Und er versteht keinen Spaß. Und zwar buchstäblich.
       
       Mit todernster Miene spricht Vucic, langsam und leise, er wirkt stets
       bedrohlich. Er gibt sich als jemand, der für den kleinen, ausgeraubten Mann
       gegen die allmächtigen Tycoons und korrumpierten Politiker kämpft und dabei
       sein Leben riskiert. Er steckt die Schurken hinter Gitter, genießt seine
       rasant wachsende Popularität in der Heimat und den Applaus aus Brüssel.
       
       Im Lande der blühenden Korruption ist kaum ein Politiker, kaum ein
       Geschäftsmann ganz sauber, Geld kriminellen Ursprungs ist längst mit
       legalem Kapital untrennbar verflochten, auf dubiose Geschäfte stößt man
       überall. Vucic entscheidet, wann und welche Affären auffliegen. Es geht um
       politische Manipulation, er will seinen politischen Feinden Angst einjagen
       und sie isolieren.
       
       ## Kein Wort über Neofaschisten
       
       Während Vucic als Saubermann den Sumpf der Korruption austrocknet, scheint
       es denselben Vucic nicht zu stören, dass seine Parteigenossen Listen von
       unerwünschten „antiserbischen“ Schriftstellern, Künstlern, Medien oder NGOs
       aufstellen. Er verliert kein Wort über neofaschistische Organisationen,
       Schwulen- und Judenhasser, gegen das Leugnen serbischer Kriegsverbrechen,
       gegen die Verehrer serbischer Kriegsverbrecher. Er gehörte ja selbst dazu,
       bevor der ehemalige Ultranationalist über Nacht zum überzeugten Europäer
       wurde. Das Gleiche gilt für seine ganze Partei.
       
       In Berlin, Brüssel oder Washington zählt jedoch nur eins: dass Vucic sich
       an die westlichen Spielregeln in Bezug auf das Kosovo und Bosnien hält.
       Solange er das tut, kann er auf die Unterstützung der CDU rechnen, seine
       SNS als europäische Volkspartei zu etablieren. Und wenn die serbische
       Gesellschaft, wenn zivilisatorische Werte dabei über Bord gehen – was
       soll’s! Hauptsache, es herrscht Ruhe auf dem Balkan. Ein kurzsichtiges
       Kalkül.
       
       7 Feb 2013
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.youtube.com/watch?v=_JUVapDyA_o
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andrej Ivanji
       
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