# taz.de -- Katholische Priesterin über die Kirche: „Das ist eine Männerdiktatur“
       
       > Vom Papst bis zum Priester diskriminieren Männer der katholischen Kirche
       > Frauen, sagt die Priesterin Ida Raming. Sie missachten damit das
       > Grundgesetz.
       
 (IMG) Bild: Zu anders um Priester zu sein: Joseph Ratzingers Meinung über Frauen.
       
       taz: Frau Raming, Kardinal Meisner hat darauf reagiert, dass eine
       vergewaltigte Frau in zwei katholischen Kliniken abgewiesen wurde. Die
       „Pille danach“ kann nun verschrieben werden. Wie finden Sie das? 
       
       Ida Raming: Aufgrund einer Beratung hat der Kardinal anscheinend seine
       Meinung in gewisser Hinsicht geändert. Aber eine Abtreibung nach einer
       Vergewaltigung ist immer noch verboten. Von den vergewaltigten Frauen im
       Bosnien-Krieg wurde von Papst Johannes Paul II. verlangt, dass sie die
       durch brutale Gewalt gezeugten Föten austrugen. Es kann nicht länger
       hingenommen werden, dass auf dem Gebiet der Sexuallehre – und nicht nur
       dort – leitende Männer der Kirche über den Körper und die Seele der Frau
       Macht ausüben. Die katholische Kirche ist noch immer eine Männerdiktatur.
       Aus meiner Sicht haben die leitenden kirchlichen Amtsträger die lange
       Geschichte der Frauendiskriminierung bis heute nicht wirklich
       aufgearbeitet.
       
       Was müsste die Kirche tun? 
       
       Sie müsste einräumen: Die Frau wurde jahrhundertelang als minderwertiges
       Wesen eingestuft: sie befinde sich deshalb im status subiectionis, im Stand
       der Unterworfenheit unter den Mann. Das war auch der Grund für den
       Ausschluss von Frauen vom Priesteramt, woran bis heute festgehalten wird,
       wenn auch mit anderen Begründungen. Die Folge: Frauen sind um ihres
       Geschlechtes willen von kirchlichen Entscheidungen über Moral und Glaube
       ausgeschlossen.
       
       Die katholische Kirche ist einer der größten Arbeitgeber in Deutschland.
       Kann der Staat zulassen, dass dort Grundrechte nicht gelten? 
       
       Das kann und darf aus meiner Sicht nicht so bleiben. Im Grundgesetz steht
       zwar, dass jede Religionsgemeinschaft „ihre Angelegenheiten selbständig
       ordnet und verwaltet“ – aber es wird hinzugefügt: „im Rahmen des für alle
       geltenden Gesetzes“. Was bedeutet das? Bislang ist dieser Artikel zugunsten
       der katholischen Kirche ausgelegt worden. Aber das nehmen heute nicht mehr
       alle so einfach hin. Die Kirche bekommt ja auch Zuwendungen, staatliche
       Dotationen, da müsste sie sich wenigstens an die Menschenrechte halten.
       
       460 Millionen Euro jährlich betragen allein die Dotationen des Staates für
       die Kirche. Müsste nicht der Staat dafür sorgen, dass sich die Kirche an
       die Grundrechte hält? 
       
       Im Jahr 2011 habe ich eine Petition an den Bundestag gerichtet. Ich habe
       darin um eine gründliche Revision der Staatsleistungen an die katholische
       Kirche nachgesucht – besonders im Hinblick auf das
       Gleichberechtigungsgesetz. Wir alle finanzieren über unsere Steuern auch
       die Staatsdotationen. Katholische Frauen zahlen für etwas, wovon sie bis
       heute in ihrer Kirche ausgeschlossen sind, etwa für die Besoldung von
       Pfarrern und Bischofsstühlen. Vom Petitionsausschuss erhielt ich die
       Antwort, dass der Staat weder ursächlich noch mittelbar für die Verletzung
       von Artikel 3 des Grundgesetzes seitens der Kirche verantwortlich sei. Sie
       weichen aus.
       
       Wie argumentiert denn die Kirche, wenn man die Menschenrechtsverletzungen
       diskutieren will? 
       
       Unser jetziger Papst argumentiert so: Die Frauen haben die gleiche Würde
       wie die Männer. Sie sind gleichwertig, aber andersartig. Und aus der
       vorgegebenen Andersartigkeit folgert er dann, dass Frauen andere
       Aufgabenbereiche in der Kirche haben. Aber „andere“ heißt in diesem Fall
       immer: ein minderer Aufgabenbereich, mindere Rechte und mindere
       Entscheidungsvollmachten.
       
       Männer und Frauen sind laut Grundgesetz gleichberechtigt. 
       
       Dann hören wir: Das ist weltliches Recht. In der Kirche gelten andere
       Maßstäbe und Gesetze. Und Frauen in „Männerberufen“ neigen angeblich zur
       Vermännlichung, sie handeln im Grunde gegen ihre eigene weibliche Natur.
       Wir dürfen nicht vergessen, dass die Kirchenleitung noch in den 50er Jahren
       auch gegen das „weltliche“ Gleichberechtigungsgesetz für Frauen gekämpft
       hat.
       
       Warum diskriminiert die katholische Kirche Frauen? Was ist der Nutzen? 
       
       Es steckt vielleicht die Angst dahinter, dass durch einschneidende Reformen
       an den Fundamenten der Kirche gerüttelt wird. Aber es ist wohl auch eine
       persönliche Angst dahinter: Die leitenden Männer der Kirche kommen mit den
       Frauen nicht zurecht, sind ihnen entfremdet, auch aufgrund des Zölibats.
       Der Umgang mit Frauen ist nicht unbefangen.
       
       Wann haben Sie sich entschieden, zu rebellieren und sich gegen geltendes
       Kirchenrecht zur Priesterin weihen zu lassen? 
       
       Ich habe mich seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil für den Zugang von
       Frauen zu Diakonat und Priesteramt eingesetzt, auch in meiner Dissertation.
       1977 kam das erste offizielle Nein gegen die Frauenordination von der
       Glaubenskongregation. Ihre Argumentation: Jesus habe nur 12 Männer als
       Apostel berufen – keine Frauen. Dass die Frauen zur Zeit Jesu diskriminiert
       waren, nicht öffentlich lehren durften, wozu die Apostel aber beauftragt
       waren, dass sie kein öffentliches Zeugnis vor Gericht ablegen konnten,
       davon war keine Rede. Jesus stand in der damaligen jüdischen Tradition.
       Aber es ist kein Wort von ihm überliefert, das eine inferiore Position für
       Frauen vorsieht. Eher im Gegenteil: Maria von Magdala und weitere Frauen
       zählten zu seinem Jüngerkreis, weise und mutige Frauen. Die Exegese des
       Vatikans ist sehr selektiv, berücksichtigt bis heute keine historischen
       Entwicklungen in dieser Frage.
       
       Und was gab letztlich den Ausschlag für Ihren Ungehorsam? 
       
       1994 kam von Papst Johannes Paul II. das endgültige Nein: das Apostolische
       Schreiben „Ordinatio Sacerdotialis“ (Priesterliche Ordination). Darin heißt
       es, „dass die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu
       spenden, und dass sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese
       Entscheidung zu halten haben“. Da haben wir gesehen: Unsere Argumente
       nützen nichts. Es wird hier nicht nach Wahrheit gesucht, sondern es geht
       hier um Machterhalt. Wir haben uns bei unserer Ordination auf das Bibelwort
       berufen: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“
       
       7 Feb 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Heide Oestreich
       
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