# taz.de -- Selbstverbrennungen in Tibet: China lässt „Anstifter“ verhaften
       
       > Fast 100 Tibeter haben sich seit 2009 selbst in Brand gesetzt, um gegen
       > Chinas Führung zu protestieren. Die reagierte jetzt mit einer
       > Verhaftungswelle.
       
 (IMG) Bild: Ende Oktober in Xiahe: Eine von fast 100 Selbstverbrennungen in Tibet seit 2009.
       
       PEKING taz | Die Hoffnungen, Chinas frisch gekürte KP-Führung könnte im
       Umgang mit Tibet auf eine mildere Politik setzen, sind zerstoben.
       Offiziellen chinesischen Angaben zufolge haben Sicherheitskräfte in den
       Provinzen Qinghai, Gansu, Sichuan und Tibet am frühen Freitagmorgen
       insgesamt 70 Tibeter festgenommen. Tibetorganisationen im Ausland
       bestätigten die Festnahmen. Sicherheitskräfte seien am frühen Morgen in die
       Behausungen gestürmt und hätten die überraschten Mönche teils gewaltsam
       abgeführt.
       
       Den Festgenommenen wird vorgeworfen, dass sie protestierende Aktivisten
       unterstützt und ermutigt hätten, sich selbst anzuzünden. Der staatlichen
       Nachrichtenagentur Xinhua sagte der stellvertretende Polizeichef von
       Qinghai, die Festnahmen stünden ganz konkret im Zusammenhang mit einer
       Reihe von Selbstverbrennungen, die im November stattfanden. Chinas
       Staatsmedien bezeichneten diese Aktionen mehrfach als „terroristische
       Akte“.
       
       Seit nunmehr zwei Jahren reißt die Welle von Selbstanzündungen von zumeist
       tibetischen Mönchen und Nonnen nicht ab. Nahezu 100 Personen haben sich
       seit 2009 in Brand gesetzt. Damit protestieren sie gegen Chinas Führung,w
       die Tibet seit 1951 besetzt hält. Unter anderem fordern sie mehr
       politische, religiöse und kulturelle Freiheit sowie die Rückkehr ihres
       geistigen Oberhaupts, des Dalai Lama, der seit 1959 im indischen Exil lebt.
       Die meisten der überwiegend jungen Männer und Frauen starben bei den
       Verzweiflungstaten.
       
       Nun gehen die chinesischen Behörden auch gegen das angebliche Umfeld vor.
       Ebenfalls am Freitag verurteilte ein Gericht einen 27-jährigen Tibeter
       wegen vorsätzlichen Totschlags zu 13 Jahren Haft. Auch ihm wird
       vorgeworfen, einen buddhistischen Mönch zur Selbstverbrennung angestiftet
       zu haben.
       
       ## Horrende Gefängnisstrafen
       
       In den Nachbarprovinzen Sichuan und Gansu hatten Gerichte bereits in den
       vergangenen Wochen insgesamt acht Tibeter zu horrenden Gefängnisstrafen
       verurteilt. Auch da lauteten die Anschuldigungen: Anstiftung zur
       Selbstverbrennung. Die Menschenrechtsorganisation Free Tibet mit Sitz in
       London berichtet, dass Verdächtige durch Folter und Drohungen zu
       Geständnissen gezwungen werden, und erklärt: „Die Festnahmen zeigen, dass
       es in Tibet auch weiterhin keinen Rechtsstaat gibt.“
       
       Vor Chinas Führungswechsel im November hatten Tibet-Organisationen und auch
       der Dalai Lama selbst noch die vage Hoffnung geäußert, die neue KP-Führung
       um Xi Jinping könnte ihre Tibetpolitik neu ausrichten. Xis Vater, ein hoher
       Funktionär, war persönlich mit dem Dalai Lama bekannt und galt als
       kompromissbereit im Umgang mit Tibet.
       
       Anlass zur Sorge bereitet auch das Urteil gegen einen Hongkonger
       Aktivisten. Wegen „Schändung“ der chinesischen Nationalflagge verurteilte
       ein Gericht in der Hafenmetropole den 66-jährigen Koo Sze Yiu zu neun
       Monaten Haft. Er habe bei pekingkritischen Protesten eine chinesische sowie
       eine Fahne von Hongkong verbrannt. Trotz der Rückgabe Hongkongs an Peking
       1997 ist die britische Kronkolonie eigentlich autonom und hat ein
       unabhängiges Rechtssystem.
       
       8 Feb 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Felix Lee
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Selbstverbrennung
 (DIR) China
 (DIR) Tibet
 (DIR) Xi Jinping
 (DIR) Buddhismus
 (DIR) Haftbefehl
 (DIR) Dalai Lama
 (DIR) Tibet
 (DIR) Dalai Lama
 (DIR) China
 (DIR) Kraftwerk
 (DIR) Dalai Lama
 (DIR) Tibet
 (DIR) Tibet
 (DIR) Dalai Lama
 (DIR) Tibet
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Tibetischer Buddhismus: Der letzte Lehrer des Dalai-Lama
       
       Der tibetische Mönch Kunchok Gyatso lehrt und lebt im indischen Exil. Er
       stellt seine harte Disziplin infrage und kann sie doch nicht ändern.
       
 (DIR) Spaniens Justiz unterstützt Tibeter: Haftbefehl gegen Chinas Ex-Präsident
       
       In Madrid haben Exil-Tibeter Klage wegen Völkermords gegen ehemalige
       chinesische Politkader eingereicht. Nun wurden Haftbefehle erlassen. Peking
       ist verärgert.
       
 (DIR) Der Dalai Lama kommt: Predigt vom Kinderhändler
       
       Lhamo Döndrub, bekannter als Dalai Lama, wird kurz vor der Wahl einen alten
       Freund in Hannover besuchen – und von Menschen bejubelt werden.
       
 (DIR) Kommentar Chinas Tibet-Politik: Ein dementierter erster Schritt
       
       China lockert seinen harten Kurs gegenüber Tibet und dem Dalai Lama,
       berichten Exil-Organisationen. Peking hingegen dementiert einen
       Politkwechsel.
       
 (DIR) China debattiert offenbar Tibet-Politik: Dalai-Lama-Verehrung auf Probe?
       
       Peking dementiert Berichte, demnach Tibeter künftig wieder Fotos des Dalai
       Lama zeigen und ihn religiös verehren dürfen. Doch gibt es Zeichen für
       Reformdebatte.
       
 (DIR) Massentourismus in Tibet: Heiligtümer fallen Konsum zum Opfer
       
       Chinesische Behörden wollen einen der wichtigsten Pilgerwege in der
       Innenstadt von Lhasa zu einer Shopping-Meile umgestalten.
       
 (DIR) Ministerium untersagt Festival-Teilnahme: Kraftwerk-Verbot in China
       
       Der Auftritt beim Strawberry Music Festival in Peking wird vom
       Kulturministerium verboten. Der Grund: 1998 trat die Band Kraftwerk auf
       einem „Free Tibet“-Konzert auf.
       
 (DIR) Selbstverbrennung von Tibetern: „Das ist Selbstopferung“
       
       Tibet wird von der internationalen Gemeinschaft im Stich gelassen, sagt der
       Sondergesandte des Dalai Lama, Kelsang Gyaltsen. Selbstverbrennung sei ein
       Akt der Verzweiflung.
       
 (DIR) Protest gegen chinesische Herrschaft: Zwei Selbstverbrennungen in Tibet
       
       Zwei junge Tibeter sind bei Selbstverbrennungen gestorben. Die
       Exilregierung sieht darin ein Zeichen gegen die chinesische Herrschaft in
       Tibet.
       
 (DIR) Protest gegen China: Vier neue Selbstverbrennungen
       
       Die Lage in den tibetischen Gebieten Chinas eskaliert: Fast täglich gibt es
       neue Selbstverbrennungen. Sicherheitskräfte gehen mit Gewalt gegen
       demonstrierende Tibeter vor.
       
 (DIR) Buch von Hessel und Dalai Lama: Gelbmütze trifft Empörten
       
       Der Dalai Lama und Stéphane Hessel haben gemeinsam ein Buch geschrieben.
       Das Ergebnis? 72 Seiten, die zwei erschreckend selbstverliebte Männer
       entlarven.
       
 (DIR) Neue Führung in China: Leise Hoffnung für Tibet
       
       Trotz der hohen Zahl an Selbstverbrennungen hegen Tibet-Aktivisten
       „vorsichtigen Optimismus“. In die Kritik ist indes der Daimler-Konzern
       geraten.