# taz.de -- Renaissance der Todesstrafe in Indien: Es wird wieder gehenkt
       
       > Seit der Vergewaltigung einer Studentin wird in Indien der Ruf nach der
       > Todesstrafe immer lauter. Der Kongressregierung passt das ins Konzept.
       
 (IMG) Bild: In Indien wird der Ruf nach der Todesstrafe für Vergewaltiger lauter.
       
       DELHI taz | Indien greift wieder zur Todesstrafe. Seit Antritt der
       Kongressregierung 2004 gab es ein inoffizielles Moratorium für die
       Höchststrafe. Doch nun wird wieder gehängt – unter Applaus.
       
       Erst wurde im November mit dem Pakistaner Ajmal Kasab der einzige
       überlebende Attentäter des Terrorangriffs auf Bombay vom November 2008
       hingerichtet. Damals hatte es 174 Tote gegeben. Dann kam am letzten
       Wochenende Afzal Guru, der Planer eines Angriffs auf Indiens Parlament
       2001, an den Strick. Der Kaschmiri kämpfte mit Gewalt für ein unabhängiges
       Kaschmir.
       
       „Mehr Exekutionen in den 7 Monaten von Präsident Pranab als in den letzten
       15 Jahren“, titelte danach die Times of India. Es sollte wie eine
       Erfolgsmeldung klingen und bezog sich auf die Amtszeit des seit sieben
       Monaten amtierenden Staatspräsidenten Pranab Mukherjee, der schon drei
       Begnadigungen abgelehnt hat.
       
       Indiens Renaissance der Todesstrafe aber ist nicht allein das Werk des
       Präsidenten. Sie entspricht der allgemeinen Stimmung, seit im Dezember die
       brutale Vergewaltigung einer Medizinstudentin in Delhi die Nation entsetzte
       und zu lauten Forderungen nach der Todesstrafe für ihre Vergewaltiger
       führte. Zwar lies die Regierung die Demonstranten für ihre Forderung
       zunächst verprügeln und mit Wasserwerfern verjagen. Doch dann überlegte sie
       es sich anders: „Wenn ihr die Todesstrafe haben wollt – bitte schön!“
       scheint jetzt die Antwort zu sein. Sie passt ins Konzept einer als schwach
       geltenden Kongressregierung, die damit Stärke zeigen will.
       
       ## Todesstrafe nach besonders brutalen Vergewaltigungen
       
       Vor allem sollen nun auch Vergewaltiger an den Galgen. Dafür ist im Februar
       bereits eine neue Verordnung in Kraft getreten. Sie sieht die Todesstrafe
       nach besonders brutalen Vergewaltigungen vor und soll vom Parlament binnen
       sechs Monaten ratifiziert werden. Bisher gibt es im indischen Recht das
       Konzept, dass die Kapitalstrafe nur im „seltensten aller Fälle“ Anwendung
       finden dürfe.
       
       Dieser Auslegung entsprach noch die Hinrichtung von Kasab, der mit dem
       Maschinengewehr in Bombays Bahnhof wahllos Menschen tötete. Doch schon die
       Hinrichtung Gurus, der beim Angriff auf das Parlament selbst nicht
       mitgewirkt hatte und nur Schreibtischtäter war, deutete nach Meinung vieler
       Beobachter auf eine breitere Auslegung der Todesstrafe.
       
       Guru wurde nach offizieller Lesart gehängt, weil er das Parlament als
       höchstes Symbol des Staates angegriffen hatte. „Aber auch die Maoisten
       greifen den indischen Staat an. Sollten sie alle gehängt werden?“, fragte
       der Delhier Kolumnist Jug Suraya mit Blick auf den andauernden Bürgerkrieg
       im Osten des Landes, wo die Maoisten mit hunderttausenden Anhängern die
       Sicherheitskräfte bekämpfen.
       
       Noch unklarer sind die Folgen für die Justizurteile in
       Vergewaltigungsfällen. Allein letzten Mittwoch meldeten Delhis Zeitungen
       drei neue Fälle, die zwar nicht wie bei der Medizinstudentin zum Tode
       führten, aber wegen ihrer Systematik – eine Frau wurde über sechs Monate
       fast täglich von ihren Peinigern missbraucht – als ähnlich brutal
       eingeschätzt werden können. So droht eine Inflation von Verlangen nach der
       Todesstrafe, die die Justiz kaum befriedigen kann.
       
       Es scheint, als habe die Regierung mit den Exekutionen von Kasab und Guru
       eine Büchse der Pandora geöffnet. Zumal sie mit der Todesstrafe für
       Vergewaltiger in gefährliche Nähe zur immer noch gängigen Praxis des
       Ehrenmordes rückt.
       
       15 Feb 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Georg Blume
       
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