# taz.de -- Zum Tode Otfried Preußlers: Freigeist im Trachtenjanker
       
       > Otfried Preußler ist tot. Er war ein konservativer Anarchist mit einem
       > ausgeprägten süddeutschen Hang zur geduckten Aufsässigkeit.
       
 (IMG) Bild: Altersmilder Grantler: Otfried Preußler.
       
       An seinem ambitioniertesten Buch hat Otfried Preußler geschlagene zehn
       Jahre gelitten. Bevor er „Krabat“ 1971 endlich veröffentlichen konnte,
       jenen Roman, der lange vor „Harry Potter“ nicht nur die Versuchungen der
       Schwarzen Kunst, sondern auch indirekt das dunkelste Kapitel der deutschen
       Geschichte verhandelte, bedurfte es einiger erzählerischer
       Lockerungsübungen des Autors.
       
       Diese Nebenwerke, etwa „Der kleine Wassermann“, „Die kleine Hexe“, „Das
       kleine Gespenst“, zählen noch heute zu den populärsten Kinderbüchern. Über
       30 Bücher hat Otfried Preußler geschrieben; sie wurden zu Hörspielen
       umgeschrieben, verfilmt, in über 55 Sprachen übersetzt – und mehr als 50
       Millionen Mal verkauft.
       
       Im Bewusstsein der Öffentlichkeit wird wohl am ehesten der „Räuber
       Hotzenplotz“ erhalten bleiben. In insgesamt drei Teilen deutete Preußler
       zwischen 1962 und 1973 hier den berüchtigten bayerischen Grant als durchaus
       auch heitere und poetische Auslegung der Wut auf die Obrig- und die
       dazugehörige Hörigkeit. Es ist doch, bitte schön, viel gescheiter, ein
       kleines Vergehen gegen das Gesetz zu verüben, als sich fest an dumme
       Vorschriften zu halten.
       
       Und hier wird es ungemütlich. Wo doch schon die alten Nomadenvölker gut mit
       der Erkenntnis gefahren sind, dass man, statt Ackerbau und Viehzucht zu
       betreiben, auch Überfälle begehen kann. Wenn etwas schiefgeht, wird man
       schlimmstenfalls ins Spritzenhaus der freiwilligen Feuerwehr eingesperrt,
       seine Wampe bekommt man trotzdem voll. Ja, was?!
       
       Welch schönes Bild, dass am Ende der drei Räuberpistolen ein geläuterter
       Hotzenplotz ausgerechnet Wirt wird. Immerhin kann man als Besitzer eines
       Gasthauses seit je die Leute auf ganz legale Art und Weise ausnehmen. Als
       sesshaft gewordener Wegelagerer wahrt man schließlich auch sein Antlitz und
       kann sich einreden, seine anarchischen Bubenträume nicht ganz den
       Sachzwängen geopfert zu haben.
       
       ## Renitentes bayerisches Grantlertum
       
       Der süddeutsche Hang zur geduckten Aufsässigkeit mag auch daher rühren,
       dass der Grantler Hotzenplotz im Grunde vor der Welt seine Ruhe haben
       möchte, um sich ganz und gar der Einnahme viel zu schwerer Speisen zu
       widmen. Ohne die Bratwürste mit Sauerkraut, die die Großmutter kocht, nicht
       zu vergessen den Apfelstrudel, wäre die Welt des Hotzenplotz gar nicht
       möglich.
       
       Ein Räuber mit dem Herzen auf dem rechten Fleck also, denn eigentlich hat
       der Hotzenplotz das Gemüt eines Menschen, der nur dann rabiat wird, wenn
       der Magen knurrt. Dass Hotzenplotz gleichzeitig gefürchtet und geliebt
       werden will, ist die Folklore noch jeder Geschichte aus dem Reich der bösen
       Buben.
       
       Ein bisschen versöhnlich ist Preußler die Sache mit dem Hotzenplotz, dem
       Polizisten Dimpflmoser und dem Duo Kasperl und Seppel aber dann schon
       geraten. Vor allem die beiden Letztgenannten gehen einem in ihrer Rolle als
       altkluge, moralinsaure Bürger derart auf die Nerven, dass man sie am
       liebsten abwatschen möchte. Ist heute verboten. Schon klar.
       
       Volksaufruhr aber war die Sache des Otfried Preußler dann doch nicht.
       Immerhin stand der sich zeitlebens zu konservativen Werten bekennende Autor
       nach Kriegsdienst und Jahren in russischer Kriegsgefangenschaft bis 1970 im
       Dienste des Freistaates Bayern. Er unterrichtete im kleinen Rosenberg als
       Volksschullehrer, zog mit seiner Frau Annelies drei Töchter groß. Das ist
       für das renitente bayerische Grantlertum auch wieder typisch, dass man es
       oft gerade bei den scheinbar größten Konservativen mit interessant zwischen
       Anarchie und Renitenz wandernden Freigeistern im Trachtenjanker zu tun hat.
       
       ## Der Sommer der Anarchie dauert nur kurz
       
       Auf langen täglichen Fußmärschen entwickelte Preußler auch seine Stoffe.
       Seine Frau musste ihn in der Früh mit dem Auto 10, 15 Kilometer von der
       Schule entfernt aussetzen. Während er sich Geschichten ausdachte, brachte
       sie die Aktentasche und die Kinder zum Unterricht.
       
       Es ist ein knapper, leserfreundlicher Stil, den Preußler auf seinen
       Wanderungen entwickelte. Wichtig ist auch zu erwähnen: Im „Hotzenplotz“
       fliegen zwar die Watschen, die Moralkeule bleibt aber bei den
       holzschnittartig aus dem Volkstheater, den Sagen und Märchen entwickelten
       Figuren Preußlers im Sack.
       
       Und auch wenn ausgerechnet „die 68er“ ihn bis in die 1970er Jahre hinein
       oft recht heftig kritisierten, weil er etwa im „Hotzenplotz“ angeblich den
       Kindern Gewalt und Kriminalität nicht pflichtschuldig als
       gesellschaftliches Problem vermittelte, darf man nicht vergessen, dass hier
       etwas erzählt wird, was man Kindern nicht extra erklären muss.
       
       Der Sommer der Anarchie dauert nur kurz. Nachdem sich Preußler für die
       letzten Jahre in ein Pensionistenheim zurückgezogen hatte, wollte er sich
       an der jüngsten Debatte über die Tilgung des Worts „Neger“ aus der „Kleinen
       Hexe“ nicht mehr beteiligen. Am Mittwoch ist er 89-jährig am Chiemsee
       gestorben.
       
       20 Feb 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Schachinger
       
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