# taz.de -- Free Fight in Bremen: Bis der Gong sie scheidet
       
       > Mixed Martial Arts ist ein Kampfsport, der als "brutal" verschrien ist,
       > Rocker und Nazis anzieht. Am Samstag bemühte sich ein Veranstalter, den
       > Ruf zu retten.
       
 (IMG) Bild: "Schlag auf die Nase": Sebastian "The Boss" Hoss bleibt obenauf.
       
       Zong. Zong. Immer wieder donnert der Ellenbogen von Sebastian „The Boss“
       Hoss gegen den Kopf seines Kontrahenten Eddi Pobivanez. Beide liegen am
       Boden, ihre Beine sind verknotet. Nach dem Kampf liegen sie sich wieder in
       den Armen. Aus Respekt. Solche sportliche Fairness war es, auf die der
       Veranstalter Gökhan Aydin beim „No Compromises“-Kampfsport-Event am Samstag
       im „Pier 2“ viel Wert legte. Mixed Martial Arts-Kämpfe (MMA) haben ja den
       Ruf, besonders gewalttätig zu sein und vor allem von Schlägern oder gar
       Rechtsradikalen betrieben zu werden.
       
       Aydin hält dagegen: „Das Ziel ist nicht, den Gegner zu verletzen, sondern
       nach dem Regelwerk den Sieg zu erringen.“ Und Regeln gibt es jede Menge.
       Der MMA-Wettkampf umfasst Schläge und Tritte im Stehen, aber auch Würfe und
       Hebeltechniken am Boden. Boxen, Thai-Boxen, Ringen, Judo, Brazilian
       Jiu-Jitsu kommen zusammen. Den schlechten Ruf hat der Sport, weil es auch
       erlaubt ist, einen Gegner am Boden weiter zu schlagen. Und weil die Kämpfe
       normalerweise in achteckigen Käfigen stattfinden. „Zur Sicherheit der
       Kämpfer“, sagt Aydin. Aber Käfig-Kämpfe seien „politisch nicht drin“, sagt
       Aydin.
       
       Auch so gibt es genug Schwierigkeiten. Die Polizei befürchtete schon im
       Vorfeld Rocker-Rivalitäten. Tatsächlich tauchten mehrere Dutzend Hells
       Angels auf, die Polizei war mit zahlreichen Mannschaftswagen vor Ort.
       Rocker durften nur passieren, wenn sie sich nicht zu erkennen gaben: Kutten
       waren verboten. Rechte Kleidung auch.
       
       „Bestimmte Kreise werden durch bestimmte Sportarten angesprochen“, sagt
       Henning Bode vom „Hardcore Training“. Hooligans oder Neonazis etwa, Kreise
       „mit einem bestimmten Männerbild und einer Idee vom Überlebenskampf“, so
       Bode. Deshalb müssten Veranstalter vorsorgen. In seinem Kampfsport-Gym
       können Leute einen Solibeitrag bezahlen, um Menschen ohne gesicherten
       Aufenthaltsstatus das Training zu ermöglichen. Neonazis würde das sehr gut
       abschrecken, sagt Bode.
       
       Am Samstag schickte „Hardcore Training“ Finn Lehmann in den Ring. Als er
       zur Musik von Disneys Gummibärchen-Bande einläuft, trägt das gesamte Team
       T-Shirts mit der Aufschrift „Fuck Nazis“. Die Botschaft kommt an. Es saßen
       einige Neonazis im Publikum. Unter Ihnen André S., ein Nazi-Hooligan. Als
       er erkannt wird, muss er gehen. Aydin ist stolz auf solche Aktionen.
       
       Er hat Karten an die Lebenshilfe verschenkt, wo es einige eingefleischte
       Kampfsport-Fans gibt und Einnahmen an „325-Training“ aus Osterholz-Tenever
       gespendet. 50 bis 60 Kids lernen dort kostenlos Thaiboxen und andere
       Sportarten. Ein Projekt, das auch der Gewaltprävention dient. David Magel
       ist dort Trainer. Ihm ist wichtig, dass es bei einem sportlichen Wettkampf
       bleibt. „Ich glaube, im Publikum ist das nicht allen so klar“, sagt Magel.
       Seine Kids wollte er nicht mitbringen. „Sie müssen nicht sehen, dass der
       Kampf weitergeht, wenn jemand am Boden liegt.“ Aydin und Bode sehen das
       ebenso: Einlass ist erst ab 16.
       
       Im Ring wurde es zwischendurch tatsächlich blutig. Ein Cut, gleich im
       ersten Kampf, mehrere Kratzer, Nasenbluten. „Schlag auf die Nase. Das hier
       ist Kampfsport“, ruft der Trainer vom „German Top Team“ Sebastian Hoss zu,
       im Finale im Bantamgewicht. Hoss schlug auf die Nase. Und gewann.
       
       Dass beim MMA nur „Macker“ unterwegs seien – diesen Eindruck weist
       Katharina Albinus zurück. Die 20-Jährige trainiert seit fünf Jahren beim
       Free Fight Team Bremen. Sie studiert Management, trat im einzigen
       Frauen-Kampf an. „Mit den Männern läuft das auf Augenhöhe“, sagt sie. Mit
       einer Straßenschlägerei habe das Kräftemessen nichts zu tun. „MMA ist
       nichts für Dummköpfe. Man kämpft auf verschiedenen Ebenen und muss
       blitzschnell umschalten.“ Auch ihre ehemaligen Gymnasiallehrer saßen bei
       ihrem Kampf auf der Tribüne. „Sie waren begeistert“, sagt Albinus.
       
       Nicht das leicht bekleidete Nummerngirl, sondern auch mal einen Mann die
       Runden anzeigen zu lassen, wäre für das Gros des Publikums dann wohl aber
       doch zu viel.
       
       24 Feb 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jean-Philipp Baeck
       
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