# taz.de -- Klischees und Arbeitsmoral: Die faulen Franzosen
       
       > Nach der Kritik eines US-Unternehmers an der Arbeitsmoral in Frankreich
       > schäumt der Industrieminister. Tatsächlich arbeiten Franzosen länger als
       > Deutsche.
       
 (IMG) Bild: Baguette essen, Wein trinken, plaudern: So wie hier im Straßencafé stellt sich mancher auch den Arbeitsalltag der Franzosen vor.
       
       PARIS taz | Wirtschaftliche Stagnation, hohe Staatsverschuldung und
       Arbeitslosigkeit in Rekordhöhe: Frankreichs Regierung kämpft derzeit mit
       vielen Problemen. Nun kommt auch noch der schlechte Ruf im Ausland dazu.
       Wie Klischees über den Schlendrian französischer Arbeiter die Rettung von
       Fabriken vereiteln können, beweist der Fall des stillgelegten Werks des
       Reifenherstellers Goodyear in Amiens.
       
       Statt eines freundschaftlichen Übernahmeangebots bekam das Personal in
       Amiens nämlich aus den USA eine harsche Absage. Maurice Taylor, der
       charismatische Boss des Unternehmens Titan, das vor allem Reifen für
       Traktoren produziert, hatte sich für die Expansion seiner Exporte vage für
       das Werk im Norden von Paris interessiert.
       
       Offenbar hatte der Boss bei seinen Inspektionsbesuchen gewisse
       Verständigungsprobleme, vor allem mit der militanten Gewerkschaft CGT, aber
       auch mit den Franzosen generell. Das beweist er in einem aggressiven
       TV-Werbespot, in dem er sich sehr abfällig über seinen französischen
       Konkurrenten Michelin äußert. Für ihn steht fest, dass die Franzosen vom
       Business nichts verstehen – und von Arbeitsdisziplin noch weniger.
       
       „Die französischen Arbeiter arbeiten nur drei Stunden. Sie machen eine
       Stunde Pause, essen, danach diskutieren sie während drei Stunden und drehen
       die Daumen.“ Die Regierung in Paris könne darum solche „vermeintlichen
       Arbeiter behalten“.
       
       ## Gut bezahlte Faulenze
       
       Im Übrigen könne er statt von solchen viel zu gut bezahlten Faulenzern
       seine Pneus ja für einen Euro pro Stunde in China oder Indien fabrizieren
       lassen. Den klassenbewussten Arbeitern bei Goodyear, die auf Anordnung der
       Direktion Kurzarbeit leisten, verschlug es den Atem ob so viel Frechheit.
       
       Bezeichnend ist an der Geschichte nicht nur, mit welchen Argumenten der
       potenzielle Käufer aus den USA den Franzosen ihr Sorgenkind kopfschüttelnd
       zurückgeschickt hat. Ebenso frappierend ist die zutiefst im Nationalstolz
       verletzte Reaktion eines Pariser Ministers.
       
       Reindustrialisierungsminister Arnaud Montebourg fühlte sich in seiner Rolle
       als Feuerwehrmann im Kampf gegen den Flächenbrand in der französischen
       Industrie persönlich angegriffen. Er qualifizierte Taylor als „Extremisten“
       und drohte ihm, seine Exporte nach Frankreich würden zukünftig einer
       besonders pedantischen Prüfung bezüglich sozialer, technischer und
       Umwelt-Normen unterzogen.
       
       Im Übrigen könne der US-Fabrikant, dessen Unternehmen 35-mal kleiner als
       Michelin sei, noch einiges von Frankreich lernen. Zum Beispiel, wie
       „kommunistische Gewerkschaften die bestbezahlten Jobs zerstören können“? So
       fragte hämisch der ultraliberale Taylor postwendend zurück.
       
       ## Ein Imageproblem
       
       Mit solchen Klischees aus vergangenen Zeiten erinnerte er die Pariser
       Regierung daran, dass sie vor allem in Übersee, aber auch in Nachbarländern
       ein ernstes Imageproblem hat. Dort denkt man nämlich zuerst spontan an die
       35-Stundenwoche, Rentenalter 60 und an Bilder von Streiks gegen den
       Sozialabbau.
       
       Doch dabei handelt es sich mehr um Symbole, der Betriebsalltag sieht anders
       aus. Laut Statistik des Konjunkturinstituts OFCE arbeiten die französischen
       Beschäftigten pro Jahr nicht weniger als die Deutschen, und ihre
       Produktivität ist sogar höher.
       
       Statt sich gelassen auf Fakten zu beschränken, reagierte Montebourg so
       allergisch, dass man sich fragen muss, ob in Taylors Polemik nicht doch
       mehr als ein Körnchen Wahrheit steckt. 2012 schlossen in Frankreich 266
       Fabriken, die französische Automobilindustrie strich tausende
       Arbeitsstellen.
       
       Die Gewerkschaften verteidigen währenddessen verbissen die bereits
       gelockerten Arbeitsregeln und ein durchlöchertes Sozialmodell. Das ist ihr
       Recht – und niemand zwingt den „Yankee“ Taylor, in Frankreich zu
       investieren.
       
       28 Feb 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rudolf Balmer
       
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