# taz.de -- Kürzung der Prozesskostenhilfe: Weniger Hilfe für Geschiedene
       
       > Die Bundesregierung will die Prozesskostenhilfe für Geringverdiener
       > kürzen. Das trifft vor allem Frauen, die um Unterhalt und Sorgerecht für
       > ihre Kinder streiten.
       
 (IMG) Bild: Die geplante Neuregelung der Prozesskostenhilfe ist: der Hammer.
       
       HAMBURG taz | Für Menschen mit geringem Einkommen soll es künftig
       schwieriger werden, vor Gericht zu ziehen. Justizministerin Sabine
       Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der
       die staatliche Prozesskostenhilfe, die Geringverdiener und Arbeitslose
       bekommen können, einschränkt.
       
       Besonders trifft diese Kürzung Frauen und Kinder. Denn in rund zwei
       Dritteln aller Verfahren, für die derzeit Prozesskostenhilfe bewilligt
       wird, geht es um Familienrecht – also um Unterhalt, Sorgerecht oder
       Scheidung.
       
       Ihr Ziel hat Leutheusser-Schnarrenberger klar benannt: Die Bundesländer
       sollen Geld einsparen. Rund 500 Millionen Euro haben sie in den vergangenen
       Jahren im Schnitt für die Gerichtsverfahren mittelloser Kläger und
       Angeklagter bezahlt. Mit dem neuen Gesetz sollen es nun 64,8 Millionen Euro
       weniger werden – also rund 4 Millionen Euro pro Land.
       
       Um das zu erreichen, verschiebt die Justizministerin die Einkommensgrenze,
       bis zu der Geringverdiener vor Gericht unterstützt werden, nach unten. 20
       Prozent der Menschen, die bisher Anspruch auf Prozesskostenhilfe haben,
       sollen so aus dem Raster fallen und stattdessen ein Darlehen bekommen.
       
       ## Verschuldung vorprogrammiert
       
       Zudem hat der neue Kredit es in sich. Während die Empfänger bisher vier
       Jahre lang feste Raten abtragen, müssen sie künftig sechs Jahre lang zahlen
       – und zwar in flexibler Höhe. Wer in der Zwischenzeit mehr verdient, muss
       von seinen neuen Überschüssen die Hälfte abgeben. Wenn der Lohn aber wieder
       sinkt, bleibt es bei den hohen Raten. „Die Leute werden in die Verschuldung
       getrieben“, sagt Bernhard Jirku von der Gewerkschaft Ver.di.
       
       „Da weiß man nicht, was auf einen zukommt“, sagt auch Sigrid Andersen vom
       Verband alleinerziehender Mütter und Väter. Sie warnt davor, dass diese
       Risiken vor allem Frauen und ihre Kinder betreffen, weil die häufig weniger
       verdienen, in Teilzeit oder Mini-Jobs arbeiten und Unterhalt erstreiten
       müssen. Für solche Prozesse gebe es keine Rechtsschutzversicherung.
       
       Leutheusser-Schnarrenberger will zudem auch ganz konkret bei den
       Scheidungen sparen. Auch wenn sich ein Ehepartner einen Anwalt leisten
       kann, soll der andere nicht mehr automatisch einen Rechtsbeistand bekommen.
       Die Grünen-Abgeordnete Ingrid Hönlinger kritisiert das. „Gerade für
       Menschen mit geringem Einkommen ist es wichtig, sich in diesen elementaren
       Bereichen verteidigen zu können“, sagt sie.
       
       ## Umstrittenes Einsparpotential
       
       Gleichzeitig ist das Einsparpotenzial des neuen Gesetzes umstritten. Denn
       künftig sollen Gerichtsmitarbeiter neue Aufgaben übernehmen. Wie bisher
       Anwälte sollen sie nun juristische Erstberatung leisten. Richterin Gudrun
       Lies-Benachib vom Deutschen Juristinnenbund hat errechnet, dass auf diese
       Weise mindestens 345.000 zusätzliche Anträge bei den Gerichten landeten. Um
       die zu bearbeiten, brauche es Personal. Und die neue Rolle der Gerichte sei
       nicht nur teuer. „Das bringt den Staat in einen Interessenkonflikt“, sagt
       Lies-Benachib. Rechtsberatung müsse ein unabhängiger Anwalt leisten, gerade
       wenn sich Bürger mit Behörden streiten.
       
       Die Mitarbeiter sollen laut Gesetz außerdem künftig die
       Einkommensverhältnisse derjenigen auskundschaften, die ihre Raten
       zurückzahlen – und dafür auch Informationen von Arbeitgebern und Banken
       einholen. Ruben Franzen von der Neuen Richtervereinigung hält ein solches
       Vorgehen der Justiz für datenschutzrechtlich bedenklich: „Wenn der
       Arbeitgeber so erfährt, dass der Arbeitnehmer keine finanziellen Reserven
       hat, bekommt er ganz andere Druckmöglichkeiten.“
       
       Franzen sagt, es gebe genug Einsparmöglichkeiten im Justizapparat. Doch bei
       denen zu kürzen, die am wenigsten haben, sei nicht gerecht.
       Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger glaubt, dass selbst, wenn die
       Länder für mehr Bürokratie bezahlen müssen, sie durch das Gesetz noch immer
       10 Millionen Euro pro Jahr sparen können. Sie sagt: „Indem die
       Prozesskostenhilfe auf die wirklich Bedürftigen konzentriert wird, bleibt
       der Zugang aller Bürgerinnen und Bürger zum Rechtsschutz gewahrt.“ Um den
       Mittellosen zu helfen, müssten die Länder eben bei den Geringverdienern
       kürzen. Am 13. März wird der Rechtsausschuss den Vorschlag diskutieren.
       
       1 Mar 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kristiana Ludwig
 (DIR) Kristiana Ludwig
       
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