# taz.de -- Nationaler Volkskongress in China: Der Kongress tagt, das Volk appelliert
       
       > Polizisten an jeder Ecke zum Trotz: Vor dem Beginn des Nationalen
       > Volkskongresses wagen sich viele Kritiker und Intellektuelle mit offenen
       > Briefen hervor.
       
 (IMG) Bild: Ab Dienstag tagt der Nationale Volkskongress.
       
       PEKING taz | An Appellen mangelt es derzeit nicht. Obwohl in Peking schon
       wieder die höchste Sicherheitsstufe gilt und seit Tagen Horden von
       Polizisten vor Bahnhöfen, an Kreuzungen und in U-Bahn-Stationen
       patrouillieren, wagen sich Kritiker und Intellektuelle mit öffentlichen
       Aufrufen hervor.
       
       Drei Beispiele: Die „Mütter von Tiananmen“, ein Zusammenschluss von
       Angehörigen der Opfer von 1989, fordern Chinas neue Führung auf, den
       brutalen Militäreinsatz gegen die Demonstranten vom Tiananmenplatz vor 24
       Jahren aufzuklären. Einen internationalen Aufruf zur Freilassung des
       Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo haben auch viele chinesische
       Staatsbürger unterzeichnet.
       
       Und in einem offenen Brief appellieren 120 Intellektuelle an die Führung in
       Peking, den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte
       (ICCPR) zu unterzeichnen. Alle nehmen den frisch gekürten Chef der
       Kommunistischen Partei, Xi Jinping, beim Wort, der in den vergangenen 100
       Tagen mehrfach Transparenz und politische Neuerungen versprochen hat.
       
       Auf dem zweiwöchigen Nationalen Volkskongress (NVK), der am Dienstag
       beginnt, soll Xi offiziell auch zum neuen Staatspräsidenten gekürt werden.
       Die insgesamt 2.978 Abgeordneten nicken erfahrungsgemäß alle vorgegeben
       Beschlüsse ab.
       
       Dennoch könnte es spannend werden. Wie werden Chinas Sicherheitskräfte und
       die Propagandafunktionäre auf diese Appelle reagieren? Mit Zensur,
       Nichtbeachtung und Repression? Oder stößt die Kritik bei der neuen
       Staatsführung auf Gehör?
       
       Große „gorbatschowsche“ Reformsprünge seien nicht zu erwarten, sagt
       Sebastian Heilmann, Politologe und China-Experte der Universität Trier. Die
       neue Parteiführung wolle nicht die politische Kontrolle aufgeben. Ihr Ziel
       sei es, die eigene Glaubwürdigkeit und Popularität zu stärken, die der
       alten Führung verloren gegangen war. Wenn aber die Chinesen ihre Meinung
       freier äußern können und die Korruption stärker bekämpft wird, dann seien
       das „handfeste und zugleich populäre Reformen“, vermutet der Politologe.
       „Die Zeichen mehren sich, dass es Xi Jinping ernst damit ist, die
       Grundlagen der Parteiherrschaft zu erneuern.“
       
       ## Neue Führung will politische Kontrolle nicht aufgeben
       
       Ein Blick nach Wukan stimmt weniger optimistisch: Das Dorf in der
       südchinesischen Provinz Guangdong hatte sich Ende 2011 freie Kommunalwahlen
       erkämpft, nachdem dort Tausende Menschen tagelang gegen den örtlichen
       Parteisekretär protestierten und ihm Korruption und Landraub vorwarfen.
       Damals verjagten die Bewohner Polizisten und Beamte. Die Provinzregierung
       lenkte ein und ließ in dem Dorf freie Wahlen zu – das erste Mal in der
       Geschichte der Volksrepublik.
       
       Ein Jahr später hat sich in Wukan jedoch Ernüchterung breitgemacht. Große
       Teile des enteigneten Landes hat das Dorf noch immer nicht zurückerhalten.
       Anführer des Protestes, die in den Gemeinderat gewählt wurden, sind aus
       Frust inzwischen zurückgetreten.
       
       Unmut ist auch andernorts zu spüren: Hundert Kilometer entfernt etwa, im
       Dorf Shangpu, hat der Streit über Grundstücksgeschäfte, an denen örtliche
       Funktionäre beteiligt waren, am Wochenende zu Krawallen geführt. Auch dort
       fordern die Bewohner nun freie Wahlen. Die Unruhen halten zur Stunde noch
       an.
       
       Die Führung will dem Volk nun mehr Gehör schenken: Auf einer
       Internetplattform dürfen 600.000 Freiwillige künftig ihre Meinung an die
       Zentralregierung in Peking richten, kündigte Liu Zhiming von der
       staatlichen Chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften vor wenigen
       Tagen an. Das sind immerhin rund 0,05 Prozent der 1,34 Milliarden Chinesen.
       
       5 Mar 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Felix Lee
       
       ## TAGS
       
 (DIR) China
 (DIR) Nationaler Volkskongress
 (DIR) Tiananmen
 (DIR) Xi Jinping
 (DIR) China
 (DIR) China
 (DIR) China
 (DIR) China
 (DIR) China
 (DIR) China
 (DIR) China
 (DIR) China
 (DIR) China
 (DIR) China
 (DIR) Schwerpunkt Christian Semler
 (DIR) Schwerpunkt Pressefreiheit
 (DIR) China
 (DIR) Hacker
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Rebellisches südchinesisches Dorf Wukan: Neue Gewalt im Freiheitsdorf
       
       Zuerst protestierten sie gegen die Verhaftung ihres frei gewählten
       Dorfvorstehers. Nun gehen Behörden mit Razzien gegen die Bewohner vor.
       
 (DIR) Urteil gegen Chinas Ex-Bahnminister: Todesstrafe auf Bewährung
       
       Als Bahnminister hatte sich Liu Zhijun einen Namen gemacht. Heute ist er
       vor allem für seine Bestechlichkeit bekannt. Und wurde dafür nun
       verurteilt.
       
 (DIR) Jahrestag des Tiananmen-Massakers: Hongkong hält an Gedenken fest
       
       150.000 Menschen trotzen dem strömenden Regen und gedenken des Massakers in
       Peking vor 24 Jahren. Auf dem chinesischen Festland wird symbolisch
       protestiert.
       
 (DIR) Luxus ist in China nicht mehr erwünscht: Den Reichtum verstecken
       
       Pekings neue Führung verordnet Beamten Sparsamkeit. Schweizer Uhren und
       teuere Luxusautus sind künftig für Staatsdiener mit Normalgehalt tabu.
       
 (DIR) Chinesische Schikanen: Sippenhaft für Bürgerrechtler
       
       Chinesische Behörden gehen gegen Familienanghörigen des inhaftierten
       Bürgerrechtlers Liu Xiaobo vor. Jetzt soll der Schwager des
       Friedensnobelpreisträgers büßen.
       
 (DIR) Militärgroßmacht China: Absoluter Siegeswille wird verordnet
       
       Die Volksrepublik mausert sich zu einer militärischen Großmacht. Die
       Militärausgaben steigen, die Rüstungsexporte haben sich mehr als
       verdoppelt.
       
 (DIR) Regierungswechsel in China: Neue Generation an der Spitze
       
       Der Wirtschaftsexperte Li Keqiang ist der Nachfolger von Wen Jiabao. Er
       muss ein neues Wachstumsmodell für die zweitgrößte Volkswirtschaft finden.
       
 (DIR) Volkskongress in Peking: Abschied vom Megawachstum
       
       Statt Wirtschaftsboom nun Umweltschutz und Sozialleistungen: Die
       chinesische Regierung verkündet, dass rasantes Wachstum keine Dauerlösung
       ist.
       
 (DIR) Kommentar Volkskongress China: Endlich!
       
       Mehr Umweltschutz, weniger Wachstum: Die Führung der Volksrepublik China
       schlägt den richtigen Weg ein – aus reiner Not.
       
 (DIR) Nationaler Volkskongress in China: Neue Männer an der Spitze
       
       Wie wird man NVK-Delegierter in China? Unbedingte Treue zur Partei hilft
       sicher. Andere Voraussetzungen sind nicht so klar.
       
 (DIR) Semler über das Erbe der K-Gruppen: Was von Mao übrig blieb
       
       1998 erschien diese viel beachtete Auseinandersetzung mit dem Antiutopismus
       und Antitotalitarismus nach Ende des chinesischen Experiments.
       
 (DIR) Pressefreiheit in China: Angriff auf ARD-Fernsehteam
       
       Schläger in China haben erneut deutsche Journalisten angegriffen. Offenbar
       hat die Behinderung von Korrespondenten System.
       
 (DIR) Verseuchte Dörfer in China: Gefahr erkannt, nicht gebannt
       
       Die chinesische Regierung räumt erstmals die Existenz von sogenannten
       Krebsdörfern ein. Den Opfern hilft das aber kaum. Für Fabriken sind neue
       Auflagen geplant.
       
 (DIR) Datenspionage aus China: Im Auftrag der Generäle
       
       Eine US-Sicherheitsfirma will herausgefunden haben, dass das chinesische
       Militär hinter einer großen Zahl von Angriffen steckt. Peking weist dies
       zurück.
       
 (DIR) Debatte KP-Kongress in China: Kongress der Milliardäre
       
       Im November beginnt der Parteitag der Kommunistischen Partei in China. Vom
       Kommunismus sind nur der Name und die straffe Organisation geblieben.