# taz.de -- US-Gericht verhandelt Homoehe: Eine Frage der Fortpflanzung?
       
       > 10 US-Bundesstaaten lassen die Homoehe zu, in 17 ist sie nicht erlaubt.
       > Nun entscheidet das Oberste Gericht, ob die Verbote der Verfassung
       > entsprechen.
       
 (IMG) Bild: „Warum sollen wir entscheiden?“ Grundsätzliche Fragen von den obersten Richtern der USA.
       
       WASHINGTON taz | Als Richterin Elena Kagan das Fortpflanzungsargument
       persifliert, bricht Gelächter im Obersten Gericht der USA aus. „Ein
       Bundesstaat, der die Fortpflanzung als Schwerpunkt der Ehe betrachtet,
       müsste Paaren, in denen sowohl der Mann als auch die Frau über 55 sind, die
       Lizenz zum Heiraten verweigern“, sagt sie: „Wäre das verfassungsgemäß?“
       
       Anwalt Charles Cooper antwortet der Richterin verdutzt: „Nein, Euer Ehren,
       das wäre nicht verfassungsgemäß“. Kagan fährt fort: „Aber wenn Sie über 55
       sind, dienen Sie nicht dem Interesse der Regierung auf Fortpflanzung durch
       Ehe. Wieso also wäre dieser Fall anders?“
       
       Es geht um die gleichgeschlechtliche Ehe. Nach jahrelanger Debatte in
       zahlreichen Bundesstaaten und vor Gerichten unterer Instanzen hat sie am
       Dienstag den Weg bis in das Oberste Gericht der USA geschafft. Es ist der
       erste von zwei öffentlichen Verhandlungstagen. Und nachdem sowohl der
       Präsident der USA, als auch die Ex-Außenministerin, als auch ein großer
       Teil der Öffentlichkeit sich zugunsten der gleichgeschlechtlichen Ehe
       ausgesprochen haben, ist jetzt die Reihe an den neun obersten RichterInnen
       des Landes.
       
       An den zwei Verhandlungstagen liegen ihnen zwei Fälle vor. Am Dienstag
       prüft das Gericht, ob Kalifornien verfassungsgemäß vorgegangen ist. Dort
       war die gleichgeschlechtliche Ehe ein paar Monate im Jahr 2008 legal – bis
       sie im November jenes Jahres per Referendum wieder verboten wurde. Am
       Mittwoch geht es um die Frage, ob ein Bundesgesetz aus dem Jahr 1996
       verfassungsgemäß ist. Das „Doma“ (Defense of Marriage Act) bezeichnet die
       Ehe als eine „Verbindung von einem Mann und einer Frau“.
       
       An der Art, wie die neun RichterInnen ihre Fragen und Bemerkungen
       formulieren, ist erkennbar, dass die öffentliche Debatte über die
       Gleichstellung von Lesben und Schwulen auch an ihnen nicht spurlos vorbei
       gegangen ist. Doch zugleich machen mehrere RichterInnen deutlich, dass sie
       unglücklich darüber sind, dass diese Ehe-Frage bei ihnen gelandet ist.
       Zuletzt hat sich das Oberste Gericht im Jahr 1967 mit dem Recht auf Heirat
       befasst. Es ging um die – damals in mehreren Bundesstaaten verbotenen –
       „interracial marriages“ – Ehen zwischen Weißen und Schwarzen. Das Oberste
       Gericht schaffte das Verbot ab. Und überließ seither die weitere Debatte
       über Eheschließung den Bundesstaaten.
       
       Zuletzt hat sich dabei in Sachen gleichgeschlechtliche Ehe eine Schere
       geöffnet. Während zehn Bundesstaaten die gleichgeschlechtliche Ehe
       gestatten, gibt es in den übrigen Bundesstaaten ganz unterschiedliche
       Regelungen gegen sie. 17 Bundesstaaten nutzen die ganze Wucht ihrer
       Gesetze. Sie haben in ihre Verfassungen hineingeschrieben, dass sie weder
       Zivile Partnerschaften, noch gleichgeschlechtliche Ehen dulden.
       
       ## Nichts überstürzen
       
       „Kann unsere Entscheidung nur auf Kalifornien begrenzt werden?“, fragt die
       von Präsident Obama ernannte Richterin Sonia Sotomayor. Und der von
       Präsident George Bush ernannte Richter Samuel Alito will wissen: „Warum
       sollen wir entscheiden? Und nicht das Volk?“. Selbst die BefürworterInnen
       der gleichgeschlechtlichen Ehe aus Kalifornien erklären, dass es ihnen um
       den spezifischen Fall ihres Bundesstaates geht. Es ist ein heikles, ein
       umstrittenes Thema in den USA. Sie wollen nichts überstürzen.
       
       Für die andere Seite mahnt Cooper zur Langsamkeit. Der Anwalt verteidigt
       „Proposition 8“, die gegenwärtig in der kalifornischen Verfassung die
       gleichgeschlechtliche Ehe verbietet. Auch er vermeidet sorgfältig jedes
       Vorurteil gegen gleichgeschlechtliche Beziehungen. Lobt schwule und
       lesbische Elternpaare, die allein in Kalifornien gegenwärtig rund 40.000
       Kinder großziehen. Aber spricht gegen das Recht auf Eheschließung. Wegen
       der Fortpflanzung. Und weil unklar sei, welche Folgen die
       gleichgeschlechtliche Ehe „in der realen Welt“ haben werde – sowohl für die
       „traditionelle Ehe“ als auch für die Gesellschaft.
       
       Am Abend des ersten Verhandlungstages vermag keine Seite zu sagen, wie das
       Gericht – voraussichtlich im Juni – entscheiden wird. „In diesem Land sind
       wir alle gleich“, sagt Kristin Perry, eine der vier kalifornischen
       KlägerInnen, die den Fall ins Rollen gebracht hat: „wir freuen uns auf das
       Ende von Proposition 8.“ Für die andere Seite lobt Andrew Pugno, von der
       Gruppe „Protect Marriage“ die „sorgfältigen Fragen“. Trotz Temperaturen am
       Gefrierpunkt bildet sich schon am Abend eine Schlange für die knappen
       Plätze im Gerichtssaal am zweiten Verhandlungstag.
       
       27 Mar 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dorothea Hahn
       
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