# taz.de -- Unterfinanzierte Universitäten: Studieren im Fast-Food-Modus
       
       > Eine halbe Million Studierende strömt jedes Jahr neu an die Unis. Doch
       > die Bundesländer geben nicht mehr Geld für die Lehre aus.
       
 (IMG) Bild: Da passen doch noch ein paar Studierende rein.
       
       BERLIN taz | In Bochums Ruhr-Universität studieren 40.000 junge Leute. In
       den 1960er und 1970er Jahren trug die Hochschule die erste
       Bildungsexpansion mit, heute platzt sie aus allen Nähten. Allein die Mensa.
       6.400 Essen gehen in der neuen Hauptmensa täglich über den Tresen, die
       Mittagspause muss immer schneller abgewickelt werden.
       
       Deswegen haben die Ruhr-Köche sich etwas Besonderes ausgedacht: den
       Henkelmann. Eine Pappbox mit Fast Food, der kleine Drahtgriff, erinnert an
       die legendäre Lunch Box für unter Tage. „Wir versuchen, die Staus beim
       Mittagessen so gut wie möglich zu entzerren, da tut der Henkelmann gute
       Dienste“, sagt Peter van Dyk, Sprecher des Akademischen Förderwerks Bochum.
       
       Der Bochumer Mensa-Turbo ist eine witzige Idee mit Bezug zur Region.
       Zugleich ist er ein Symbol dafür, wie die Bildungsrepublik mit dem
       Studentenboom von einer halben Million neuer Studierender Jahr für Jahr
       umgeht. Eine Bildungsexpansion im Fast-Food-Modus. Alle beklatschen den
       Studentenansturm – aber sie haben nur Kleingeld dafür. Egal, worum es geht
       – Hochschulbau, Wohnen und Essen oder Studienbedingungen –, überall regiert
       Schmalhans.
       
       Am schlimmsten ist es vielleicht beim Hochschulbau. Hier ermüdet der Run
       auf die Unis die Hörsäle und Seminarräume. Zugleich ächzen die Hochschulen
       unter der Überalterung und Auszehrung ihrer Gebäude. In Düsseldorf tropft
       es in Büros und Seminarräumen. In Duisburg erleben die Studierenden ihre
       Vorlesung im Kino – per Liveschaltung aus dem Hörsaal. So ähnlich sieht es
       an vielen deutschen Universitäten aus. „Sanierung und Modernisierung der
       Hochschulbauten sind jahrzehntelang vernachlässigt worden. Jetzt rächt sich
       diese Politik“, sagt der Präsident der deutschen Rektoren, Horst Hippler,
       der taz. Er rechnet vor, dass den Hochschulen 25 bis 35 Milliarden Euro für
       Bauinvestitionen fehlten.
       
       ## Ist es nur ein Zwischenhoch?
       
       Mangel herrscht überall. Das hat zunächst einen erfreulichen Grund. Seit
       2009 steigt die Zahl der Studierwilligen steil an. Gab es damals noch knapp
       über 400.000 Erstsemester, so sind es jetzt mit schöner Regelmäßigkeit 25
       Prozent mehr. 2011 begannen 518.000 Abiturienten ein Studium, 2012 war es
       erneut knapp eine halbe Million. Für 2013 wurde die Prognose gerade
       korrigiert: auf erneut 490.000. Dabei hatten alle gedacht, der Boom währte
       wegen der sogenannten doppelten Abitur-Jahrgänge nur kurz. Anfang der
       1990er Jahre war es nur gut die Hälfte an Erstsemestern. Das scheint für
       die Uni-Planer noch heute das Maß aller Dinge zu sein.
       
       Der Boom zehrt die Unis aus. In jeder Hinsicht. Das Deutsche Studentenwerk
       hat nach der jüngsten Studentenprognose Alarm geschlagen. „In den
       Hochschulpakten ist kein Cent für zusätzliche Wohnheim- oder
       Mensakapazitäten gegenüber dem Status quo drin“, sagt Dieter Timmermann,
       Präsident der Studentenwerke, der taz. „Das ist ein Kardinalfehler und wird
       angesichts des Studierendenansturms auf die Hochschulen den Wohnraum nicht
       nur für Studierende verknappen und verteuern.“
       
       Das Problem ist, dass die Kultusminister immer nur von einem Zwischenhoch
       an Studierenden ausgehen. Das ist heute nicht anders als in den 1970ern.
       Damals dachten sie, sie könnten den Studentenansturm, wie sie es nannten,
       „untertunneln“. Sie ließen die Unis schlicht volllaufen – die Massenuni war
       geboren. Heute versucht man mit knappen Bordmitteln über die Runden zu
       kommen. Dazu gehört der sogenannte Hochschulpakt.
       
       Die Länder lassen sich Lehrkapazitäten vom Bund kofinanzieren. „Der Pakt
       hilft den Universitäten immer nur zeitlich befristet. Er führt nur
       vereinzelt dazu, dass sich die Betreuungsrelationen verändern“, warnt der
       Chef der größten deutschen Forschungsgemeinschaft, Jürgen Mlynek, Präsident
       der Helmholtz-Forschungszentren. 
       
       ## Schlimmer als in der Gastronomie
       
       Die Länder haben nichts gelernt. Jetzt begehren sie sogar auf. Im
       Beschlusspapier für die neueste Runde von Verhandlungen um den
       Hochschulpakt wollen sie sich aus der 1:1-Gegenfinanzierung der
       Bundesmilliarden verabschieden. „Die Länder stellen die Gesamtfinanzierung
       sicher und erbringen finanzielle Leistungen, die den bei ihnen jeweils
       ankommenden Bundesmitteln vergleichbar sind.“ So steht es in dem Papier,
       das der taz exklusiv vorliegt. Das kultusministerielle Schwurbeldeutsch
       heißt im Klartext: Die Kulturhoheit will man behalten, bezahlen aber sollen
       sie, bitte schön, andere. Denn mal sind es die Stadtstaaten, die nichts
       mehr für den Studentenansturm bezahlen sollen, mal die ostdeutschen
       Bundesländer.
       
       Aus der Portokasse aber lässt sich gerade bei Dozenten und Professoren der
       Studienboom nicht bezahlen. Bei bestimmten Personalkategorien wie
       wissenschaftlichen Mitarbeitern oder Lehrbeauftragten ist die Situation
       längst eskaliert. „Es gibt Beschäftigungsverhältnisse, die sind schlechter
       als in der Gastronomie“, sagt der Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft
       Wissenschaft der Linken, Tobias Schulze. Er drängt auf eine grundsätzliche
       Lösung. „Der Bund muss seiner Verantwortung als Rahmengesetzgeber und
       Finanzier von Wissenschaft wieder gerecht werden können“, sagt er. Das
       heißt: Der Henkelmann muss weg, der Bund muss qua Grundgesetz wieder als
       regulärer Geldgeber für die Hochschulen ermächtigt werden.
       
       3 Apr 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Füller
       
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