# taz.de -- Kolumne Politik von unten: Der Fair-Trade-Tod
       
       > Sinnvoll zu sterben, ist eine Kunst. Die alternative Organspende
       > verbessert die Welt und sieht gut aus.
       
 (IMG) Bild: Unsere Leber sollte ein NPO sein - ein Non-Profit-Organ.
       
       Alles, was wir heute anfassen und zu uns nehmen, soll bio und Fairtrade
       sein. Dadurch kommt mit dem Kaffee, den ich kaufe, nicht nur ein besonders
       herzhafter Geschmack in meinem Küchenschrank, sondern auch gleich das
       Gesicht eines Menschen, der sich für meine Großzügigkeit bedankt. Dieses
       Foto scheint so greifbar, dass wir vom realen Hintergrund abgelenkt werden
       - dem System, in dem das Bohnenpulver produziert wurde. Es bleibt ein
       Geflecht aus Kosten, Nutzen, Profit und liberaler Toleranz.
       
       Den Klang desselben Systems hört man in der Sprache, mit der die
       Organspende-Verbände um unsere Innereien feilschen. Körperteile werden erst
       zu knappen Ressourcen erklärt und dann als altruistische Gaben abgeworben.
       
       Doch wie wäre es, wenn wir einen alternativen Organspendeausweis erstellen
       würden, in dem wir noch mal klar definieren, unter welchen Bedingungen
       unsere Organe weitergegeben werden dürfen? Würde sich noch ein Arzt
       rantrauen, wenn der Diagnose unseres Hirntods ein Beipackzettel
       hinzugegeben wird, auf dem steht, dass unsere mit Biosaft ernährte Leber
       ein NPO ist - ein Non-Profit-Organ?
       
       Noch besser, dass jeder Profit daraus ausschließlich an süße kleine
       Projekte gespendet werden darf. Etwa nach Afrika, dieses exotische Land da
       links von uns, dass ohnehin nur dazu dient, unser postkoloniales Gewissen
       zu erleichtern.
       
       ## Lenin hätte das so gemacht
       
       Wer unsere Organe bekommt, sollte aber weiterhin schön zentralistisch
       entschieden werden - Lenin hätte es auch so gemacht. Das kannibalistische
       Manifest aus den zwanziger Jahren Brasiliens, das Manifesto Antropófago,
       setzte sich dafür ein, dass die Indigenen sich die Spanier, Portugiesen und
       Engländer mit ihrer Kultur in Gänze einverleiben sollten.
       
       Genauso sollten auch die Mägen von weißen Fair-Trade-Kaffee-TrinkerInnen
       nur an kolumbianische Kaffeebauern vergeben werden. Die Hoden von Bischöfen
       Schwulen implantiert. Das Rückgrat von Joschka Fischer an Comandante Marcos
       in Mexiko. Das ist wahre Umverteilung!
       
       Mit diesen neuen, altruistischen Organspendeausweisen dient uns der Tod, um
       den Kapitalismus zu bekämpfen. Der Zahn der Zeit beißt zu und spuckt aus,
       was der moderne Yoga-Jetset schon lange ersehnt: eine wirklich selbstlose
       Gesellschaft, in der wir mit klarem Bewusstsein für den Tod unseren Körper
       pflegen, um ihn nach unserem Sterben sinnvoll weiterverwertbar zu machen.
       
       Eins mit der Welt würde unser Körper so zum "Politischen" im Sinne des
       Politologen Oliver Marchart. Nämlich zum "Ort, an dem die Bedeutung dessen,
       was es heißt, gemeinsam zu sein, auf dem Spiel steht".
       
       8 Oct 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jean Peters
       
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