# taz.de -- Durchsuchung im Knast: Etwas ist verschwunden
       
       > Spezialkräfte aus Niedersachsen durchsuchen alle Zellen in Oslebshausen –
       > unnötig rabiat, sagen Insassen, und bloß, weil ein Wärter seinen
       > Schlüssel verbaselt habe.
       
 (IMG) Bild: Bremens Hoheitszeichen prangt auch auf der Justizvollzugsanstalt Oslebshausen. Irgendwer hat da etwas geklaut
       
       Früh um 5 Uhr ist es, am Freitag, und das Vorgehen wird als „total brutal“
       beschrieben. „Aufstehen, Jacke an“, so sei er geweckt worden, sagt ein
       Insasse der Justizvollzugsanstalt Oslebshausen. Dass eine ganze Reihe der
       Insassen auf Medikamente angewiesen ist, habe die nicht einen Moment
       gekümmert. „Wir sind übern Hof getrieben worden wie die Tiere“, berichtet
       ein anderer, durch ein Spalier von Polizisten, „sicher mehr als 100.“ „Aus
       Niedersachsen extra angekarrt“, heißt es. Und wer nicht spurt, dem wird
       schon mal der Arm ausgekugelt.
       
       Auftrag der Spezialtruppe: Sämtliche Insassen der Justizvollzugsanstalt aus
       ihren Häusern holen – und in Gruppen von bis zu zehn Mann in die
       Einzelzellen des Neubaus treiben. Und anschließend sämtliche Zellen
       durchsuchen, und das Gelände mit Detektoren abgehen. Es wird etwas gesucht,
       offenbar ein kleiner Gegenstand, vermutlich aus Metall.
       
       „Ja, es hat eine Revision gegeben“, bestätigt der Sprecher des
       Justizsenators, Thomas Ehmke – Revision heißt auf Strafvollzugsdeutsch so
       viel wie Zellendurchsuchung – und ja, die sei über das übliche Maß
       hinausgegangen: Tatsächlich gehören Zellen-Kontrollen zum Haftalltag, und
       „sie sind oft sehr eingreifend“, bestätigt der Bremer Strafvollzugsforscher
       Johannes Feest, aber eine Mehrheit der Rechtswissenschaftler halte sie für
       verhältnismäßig. Die Vorgänge von Oslebshausen jedoch nennt der
       Jura-Professor „offensichtlich außergewöhnlich“. Dafür „muss es Gründe
       geben“, entweder einen politischen Schwenk, oder einen besonderen Vorfall.
       
       Tatsächlich hat es sich um eine sogenannte Generalrevision gehandelt,
       bestätigt das Justizressort auf Nachfrage, „wir machen das sehr selten“.
       Die letzte liegt in Bremen tatsächlich über zehn Jahre zurück, und es sei
       wahr: Nur mit dem eigenen Personal hätte man die Komplettdurchsuchung nicht
       bewerkstelligen können, „wir haben auf Einsatzkräfte aus Niedersachsen
       zurückgegriffen“. Man habe damit einerseits „entsprechend unserer
       Ankündigung in der Senatsantwort bezüglich des Drogenhandels und -konsums
       in der JVA gehandelt“, drechselt Ehmke, in der das Ziel benannt wird, durch
       häufigere Kontrollen umfassendere Erkenntnisse auch übers Dunkelfeld der
       Drogenkriminalität in der Haftanstalt zu gewinnen. Sodass man sich diesmal
       entschieden habe, „einmal die gesamte Einrichtung zu durchkämmen“.
       
       Und andererseits? Gab es spezielle Hinweise? Einen besonderen Anlass? Wurde
       möglicherweise etwas Konkreteres gesucht? Im Hintergrund gebe es auch „eine
       Diebstahlstat“, so der Justiz-Sprecher, betont aber, dass es „keine
       Untersuchung im Hinblick auf diese“ gewesen sei.
       
       Es ist aber auch eine etwas überraschende Begründung. Denn Diebstahl
       gehört, das hat die große Studie des kriminologischen Forschungsinstituts
       Niedersachsen im vergangenen Jahr bestätigt, zu den alltäglichsten
       Erfahrungen im Knast: 37,9 Prozent der befragten Häftlinge – auch
       Oslebshausener waren darunter – gaben Christian Pfeiffers Forscherteam
       gegenüber an, in der JVA Opfer von Eigentumsdelikten geworden zu sein.
       Umfassende Revisionen hingegen sind selten. Und von Diebstahl zu sprechen,
       ist auch so eine Sache, solange das Diebesgut nicht sichergestellt ist. Was
       mag da nur abhanden gekommen sein?
       
       Irgendwie scheint das Personal aufgebracht gewesen zu sein. Es hat sich
       jedenfalls richtig ausgetobt: „Als wir nach vier, fünf Stunden zurück in
       die Zellen kamen“, berichten Gefangene, „sah das dort aus, als hätte eine
       Bombe eingeschlagen.“ Das Foto von der Freundin aufm Fußboden,
       Stiefelabdruck im Gesicht, CD-Player kaputt, Fernseher weg, die Akten
       gefleddert, die Anwaltspost durchforstet, das Kreuz von der Wand gerissen
       und zerbrochen, „ich war fertig. Ich hab’ richtig geheult“, sagt ein
       Häftling. „Es reicht doch, wenn die uns nach dem Freigang ins Arschloch
       gucken“, sagt ein anderer, „die müssen doch nicht unsere privaten Sachen
       kaputt machen.“ Auch die Blumenbeete seien zertrampelt, die Büsche
       verwüstet worden, „bloß weil so ein Wärter seinen Schlüssel verloren hat“.
       
       „Wir gehen davon aus, dass es sich um Diebstahl handelt“, widerspricht er
       der Darstellung, und zur Annahme, es handele sich um einen Schlüssel
       schweigt das Justizressort. Die Staatsanwaltschaft ermittelt jedenfalls.
       
       Ob der vermisste Gegenstand aufgetaucht ist – darüber wird nichts gesagt.
       Heute tagt der Justizausschuss in nichtöffentlicher Sitzung. Beschwerden
       über den Einsatz „liegen uns hier noch keine vor“, sagt Ehmke. Das kann
       allerdings noch kommen. Die meisten Häftlinge hatten ja übers Wochenende
       mit Aufräumen zu tun.
       
       9 Apr 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Benno Schirrmeister
 (DIR) Benno Schirrmeister
       
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