# taz.de -- Ex-Banker über Steueroasen: „100.000 Euro lohnen sich nicht“
       
       > Der Ex-Banker Rudolf Elmer erzählt, wie leicht man seine Millionen dem
       > Staat entziehen kann. Und welchen Service die Banken dabei bieten.
       
 (IMG) Bild: „Als Superreicher versuchen Sie am besten, die Banken gegeneinander auszuspielen“: Ex-Banker Rudolf Elmer weiß, wovon er redet
       
       taz: Herr Elmer, Sie haben jahrelang für Schweizer Banken gearbeitet, auch
       in Steuerparadiesen wie Mauritius und den Cayman-Inseln. Nehmen wir an, ich
       wäre mit 100.000 Euro zu Ihnen gekommen – was hätten Sie mir damals
       geraten? 
       
       Rudolf Elmer: 100.000 Euro? Nichts. Das lohnt sich nicht. Für europäische
       Verhältnisse an der unteren Grenze sind 3 Millionen Euro aufwärts, da
       hätten wir Ihnen ein Offshore-Produkt angeboten.
       
       Okay, dann komme ich mit 20 Millionen. Spielen wir das mal durch. 
       
       Dann hätte ich Sie gefragt: Woher haben Sie das Geld? Lottogewinn? Erbe vom
       Onkel in den USA? Das Risk Managment der Bank verlangt dann eine
       Identitätsprüfung, um herauszubekommen, ob gegen Sie ein Verfahren läuft
       oder Ähnliches. Vielleicht sind Sie aber auch eine Politically Exposed
       Person – im Fachjargon PEP.
       
       Etwa eine der Töchter des aserbaidschanischen Präsidenten Aliyev? 
       
       Zum Beispiel. Gewisse Banken führen PEPs als „permanent exception“, als
       dauerhafte Ausnahmen. So ein gutes Geschäft lehnt man nicht ab – das haben
       die Daten von Offshore-Leaks gezeigt.
       
       Kommen diese Leute dann in der Bank vorbei? 
       
       Ich als Kundenberater hätte gesagt: Besuchen Sie mich in meinem Schweizer
       Büro, damit wir die Sache ungestört besprechen können. Bei dieser
       Größenordnung ist man zu gewissen Konzessionen bereit.
       
       Welche Konzessionen? 
       
       Nehmen wir an, Sie sind der Sohn von Gunter Sachs – dann würde man gar
       nicht erst groß prüfen.
       
       Und dann? 
       
       In unserem Familiy Office sitzen Anwälte, die setzen für Sie eine
       Offshore-Struktur auf. Zum Beispiel einen Trust mit verschiedenen Companys:
       eine Aktiengesellschaft auf den Virgin Islands, die das
       Wertschriftenportfolio hält, eine Aktiengesellschaft auf den Cook Islands
       für die Yacht in Monaco, auf Singapur deponieren wir Ihre Kunst oder Ihre
       Immobilien.
       
       Welchen Zweck haben solche Briefkastenfirmen? 
       
       Grundsätzlich sollen die Gewinne in steuerneutrale Staaten verschoben und
       Ihr Einkommen und Vermögen in Deutschland möglichst kleingerechnet werden.
       Zum Beispiel: Von den 20 Millionen gibt Ihnen die Liegenschaftsfirma einen
       Kredit, mit dem Sie in Berlin eine Immobilie kaufen. Dafür zahlen Sie
       Zinsen nach Singapur.
       
       Das nützt Ihnen doppelt: Einmal ist der Zinsaufwand abzugsfähig von Ihrem
       Einkommen in Deutschland, auf Singapur ist der Zinsgewinn Ihrer Firma
       steuerfrei. So gehen viele Superreiche in eine steuerliche Auszeit. Viele
       dieser Leute haben sich von jeder sozialen Verantwortung abgenabelt – und
       nutzen dennoch Schulen, Flughäfen oder Autobahnen, die die Allgemeinheit
       finanziert.
       
       Wo lege ich denn mein Geld am besten an? In Delaware, in
       Norderfriedrichskoog, in Panama oder auf den Cayman-Inseln? 
       
       Auf keinen Fall im Offshore-Paradies. Diese Zwergstaaten sind politisch
       viel zu instabil, besser ist ein anerkannter Finanzplatz. Die Schweiz,
       Luxemburg, London oder Frankfurt. Es ist auch viel zu gefährlich, Post oder
       Telefonate aus Übersee zu erhalten, das merken deutsche Steuerfahnder
       sofort. Sie als Superreicher versuchen besser, die Banken gegeneinander
       auszuspielen. Das geht wie beim Pferderennen: Sie schicken fünf Pferdchen
       mit Namen wie „Deutsche Bank“, „UBS“, „Barclays“, „HSBC“ und „Commerz“ auf
       die Rennbahn. Die bekommen je 2 Millionen Euro – und dann schauen Sie,
       welches am besten springt, also die beste Rendite abwirft. Währenddessen
       sind Ihre Eigentumsverhältnisse längst Richtung Offshore „abgetaucht“.
       
       Was kann man denn in diesem Bereich verdienen? 
       
       Das ist ein hochprofitables Geschäft. Eine Anwaltskanzlei in Panama gründet
       schon für 4.000 Dollar per Internet eine Firma. Aber da können noch
       Gebühren dazukommen. Zum Beispiel für eine Fluchtklausel, die Ihnen
       garantiert, dass Sie Ihr Konstrukt binnen 24 Stunden in eine andere Oase
       verschieben können. Oder für einen „Convenience Settler“, einen Strohmann,
       der für Sie einen „Sunshine Trust“ oder „Rainy Day Trust“ – reine
       Fantasienamen – gründet.
       
       Er kassiert noch mal bis zu 40.000 Euro. Für Ihre 20 Millionen nimmt die
       Bank Ihnen im ersten Jahr mindestens 100.000 Dollar ab, wenn alles anonym
       laufen soll. Kunden akzeptieren dies, es ist immer noch weniger als Ihre
       Steuerlast. Und: Wer einmal Ja gesagt hat, ist der Bank auch zu einem
       gewissen Grad ausgeliefert. Beide haben ein Geheimnis – und beide verdienen
       daran!
       
       Und wenn ich mein Geld brauche? 
       
       Kein Problem. Der Banker gibt Ihnen beim Diner-Gespräch über ihre
       Vermögensentwicklung in der Schweiz oder in New York oder London einfach
       die 50.000 in bar. Wenn Sie die Quittung nicht unterschreiben wollen,
       unterschreibt der Banker für Sie – er hat ja die Vollmacht.
       
       Steckt denn hinter den 32 Billionen Dollar, die weltweit angeblich in
       Steueroasen angelegt sind, automatisch Geld aus schwarzen Kassen? 
       
       Nun, je nach Kunde variiert die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um
       Vermögen handelt, das dem Fiskus nicht offengelegt wurde.
       
       Handeln die Banken bewusst illegal – oder agieren sie nur besonders
       geschickt an der Grenze zur Legalität? 
       
       Das Staaten-Geschäftsmodell „Offshore“ ist hochprofitabel, die Gesetze sind
       kulant. Die gleiche Transaktion, die auf den Cayman-Inseln legal ist, ist
       in Deutschland illegal. Viele Banken handeln lieber nach den Gesetzen in
       Übersee.
       
       Unser 20-Millionen-Deal ist aber illegal – oder? 
       
       Wie denn und in welchem Land? Nur ein Einwand: Die Banker sind nicht dafür
       verantwortlich, was auf den Jungferninseln passiert, sie verwalten das Geld
       nur. Und doch haben wir bei Julius Bär einst 40 bis 50 Prozent des
       Konzerngewinns im Offshore-Geschäft verdient. Damit, dass die Gewinne am
       richtigen Ort anfallen und an den Finanzämtern vorbeigehen!
       
       Weiß denn der Banker, dass es häufig um Drogen- oder Mafiageld geht? 
       
       Der Banker kann es ahnen, dem Geld sieht man es nicht an.
       
       Was kann die Politik tun? 
       
       Es braucht einen politischen Willen, die Geschäftsmodelle ganzer Staaten zu
       beenden. Man muss die Steueroasen unter Druck setzen, ihr Bankgeheimnis zu
       opfern – das machen die USA im Moment mit der Schweiz und Liechtenstein.
       
       SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück fordert den automatischen
       Informationsabgleich zwischen Banken und Finanzämtern der Welt – das Ende
       von Anonymität und Bankgeheimnis. Halten Sie das für realistisch? 
       
       Der Ansatz stimmt, aber das Problem muss weltweit bekämpft werden. Die OECD
       muss ihre eigenen Steueroasen austrocknen, da muss etwas in der
       Größenordnung eines Marshall-Plans her. Das traue ich Herrn Steinbrück, mit
       Verlaub, nicht zu.
       
       An diesem Wochenende versuchen die Finanzminister der Eurozone, den
       Informationsaustausch über Dividenden und Veräußerungsgewinne
       durchzusetzen. Und immerhin wollen sich jetzt auch Luxemburg und Österreich
       zu diesem Informationsaustausch bei den Zinserträgen durchringen. Was
       halten Sie davon? 
       
       Ein erster Ansatz, aber die Finanzindustrie hat sich längst darauf
       eingerichtet, Schlupflöcher zu bauen, um das alles zu umgehen. Für
       wichtiger halte ich, dass das Country-by-Country-Reporting bei
       Großkonzernen durchgesetzt wird.
       
       Was ist das? 
       
       Die Firmen müssen dann im Geschäftsbericht zeigen, wo ihre Gewinne und
       Verluste anfallen. Es ist doch höchst seltsam, wenn eine Firma auf den
       Virgin Islands Riesengewinne einfährt, aber quasi keine Angestellten hat.
       Oder dass bei ihrer Tochter in Deutschland nur Verluste anfallen. Warum
       zahlen Konzerne wie Google oder Starbucks in England und Deutschland kaum
       Steuern?
       
       Nach den Bankdaten-CDs nun Offshore-Leaks. Was erfahren wir durch
       Offshore-Leaks, was wir nicht schon gewusst haben? 
       
       Das hat eine neue, gewaltige Dimension. Bislang hatten wir nur ein paar CDs
       mit Daten von Bankkunden einer bestimmten Bank, jetzt ist die
       Steuervermeidungsindustrie weltweit in Gefahr. Ihre Offshore-Konstrukte
       werden offengelegt: Banken, Versicherungen, Steueranwälte, Treuhänder und
       Prüfer sind daran beteiligt – jetzt könnte es ihnen an den Kragen gehen.
       Natürlich zittern auch viele Anleger.
       
       Sie haben einst als Whistleblower Julian Assange zwei CDs mit Angaben von
       mutmaßlichen Steuersündern überreicht. Was bedeutet Offshore-Leaks für
       Wikileaks? 
       
       Professionelle, investigative Journalisten decken auf, die vierte Macht tut
       endlich ihre Arbeit: die Machenschaften eines der Krebsgeschwüre unserer
       Gesellschaft aufdecken.
       
       11 Apr 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kai Schöneberg
       
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