# taz.de -- Krise in Spanien: Schuldenerlass? Fehlanzeige!
       
       > Das Parlament stimmt gegen eine umfassende Reform des Hypothekengesetzes.
       > Wer seine Wohnung verloren hat, soll auch künftig weiter dafür abzahlen.
       
 (IMG) Bild: „Ja, wir können!“: Proteste in Madrid am Donnerstag.
       
       MADRID taz | Mit „Wut und Enttäuschung“ beschreibt María Morán, wie sie
       sich fühlt. Die 45-jährige arbeitslose, kaufmännische Angestellte hat sich
       mit ein paar Dutzend Menschen vor dem spanischen Parlament eingefunden.
       
       Drinnen, hinter meterhohen Absperrgittern und einen starken
       Polizeiaufgebot, beraten die Volksvertreter über eine Reform des
       Hypothekengesetzes. „Ja, man kann!“ steht auf grünen Schildern, die die
       Protestierenden mitgebracht haben. „Aber sie wollen nicht!“, heißt es auf
       anderen mit rotem Grund.
       
       Ihre Hoffnung galt der Reform des Hypothekengesetzes, das seit 1909 in
       Kraft ist. Ein Volksbegehren mit 1,4 Millionen Unterschriften unterstützte
       die Forderung der Betroffenen nach einem Schuldenerlass, sobald der Bank
       die Wohnung übereignet wird. Vergebens: Die konservative Volkspartei (PP)
       von Regierungschef Mariano Rajoy nutze ihre absolute Mehrheit um im
       Alleingang ein neues Gesetz zu beschließen, in dem von Schuldenerlass keine
       Rede ist.
       
       ie meisten der Versammelten haben – wie auch María Morán – im Laufe der
       Krise erst ihren Job und dann ihre Wohnung verloren. Irgendwann konnten sie
       ihre Hypothek nicht mehr bezahlen. Drei Monate in der Schuld und die Banken
       klagen auf Zwangsräumung.
       
       400.000 Spanier wurden mittlerweile Opfer dieser Prozedur. „Sie werfen dich
       auf die Straße, doch die Schulden bleiben“, erklärt Morán, die weiterhin
       150.000 Euro abbezahlen soll. „Sie demonstrieren ihre Macht und nutzen ihre
       absolute Parlamentsmehrheit für eine antidemokratische, totalitäre
       Politik“, wettert Morán. Sie hält ein Schild, auf dem der Artikel 47 der
       spanischen Verfassung steht. Darin wird jedem Bürger das Recht auf Wohnung
       garantiert.
       
       ## Zwei Jahre Schonfrist für sozial Schwache
       
       Die Reform der Regierungsmehrheit sieht nur kleine Veränderungen vor. So
       dürfen zum Beispiel sozial Schwache mit Kleinkindern oder Pflegefällen
       künftig zwei Jahre weiter in ihrer Wohnung bleiben. Doch die meisten
       Betroffenen können nach wie vor geräumt werden. Was die Schulden angeht,
       wird denjenigen ein Teilerlass von 35 bzw. 20 Prozent eingeräumt, die nach
       dem Verlust ihrer Wohnung den Restbetrag von bis zu 60 Prozent des
       Kaufpreises in fünf oder zehn Jahren abzahlen.
       
       „Hätte ich das Geld dazu, dann hätte ich meine Wohnung nicht verloren“,
       schimpft Morán. Auch von Sozialmiete, wie sie die Betroffenen und das
       Volksbegehren fordern, ist nur wenig die Rede. Die Regierung will 6.000
       Wohnungen zur Verfügung stellen. Für die Betroffenen ist dies nicht mehr
       als Kosmetik. Alleine im vergangenen Jahr haben 30.000 Familien ihre
       einzige Wohnung verloren.
       
       In Spanien stehen nach der geplatzten Spekulationsblase im Immobiliensektor
       3,4 Millionen Wohnungen leer. Viele dieser Immobilien und ein Teil der
       zwangsgeräumten Wohnungen gehen an die vom Staat mit europäischen Geldern
       eingerichtete Bad-Bank. Die Banken verbessern damit ihre Zahlungsbilanz.
       „Den Familien helfen sie nicht“, sagt Morán. Aufgeben wollen die
       Betroffenen nicht. „Wir werden weiter machen, bis wir den Schuldenerlass
       durchsetzen“, sagt Morán. Ein breite Mehrheit auch unter den konservativen
       Wählern unterstützt die Betroffenen dabei.
       
       Dass es auch anders gehen könnte, zeigt ein Dekret der Regionalregierung im
       südspanischen Andalusien. Die Koalition aus Sozialisten (PSOE) und
       Vereinigter Linken (IU) will die an Banken zurückgegangenen Wohnungen
       enteignen, wenn den Zwangsgeräumten die soziale Marginalisierung droht.
       
       19 Apr 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reiner Wandler
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Spanien
 (DIR) Hypotheken
 (DIR) Spanien
 (DIR) EU
 (DIR) Spanien
 (DIR) Spanien
 (DIR) Spanien
 (DIR) taz lab 2024
 (DIR) Spanien
 (DIR) Sparplan
 (DIR) Spanien
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Hilfe für überschuldete Spanier: Zwangsräumung gestoppt
       
       In Andalusien kommt es erstmals zur Enteignung einer Wohnung auf Zeit. Das
       soll überschuldete Familien vor der Zwangsräumung schützen.
       
 (DIR) EU-Finanzminister zu Bankenpleiten: Besitzer haften, nicht die Staaten
       
       In Zukuft sollen bei einer Bankenpleite zunächst Besitzer, Gläubiger und
       Großanleger zahlen. Darauf einigten sich die europäischen Finanzminister
       und sind zufrieden.
       
 (DIR) Protestbewegung in Spanien: Der Katalysator der Empörung
       
       Die sogenannte Bewegung der Empörten hat in zwei Jahren an
       Mobilisierungsfähigkeit verloren – aber andere Protestbewegungen in Spanien
       befruchtet.
       
 (DIR) Europäische Solidarität: Meine, deine, unsere Botschaft
       
       Mit einem Hilferuf per Video wandten sich spanische AktivistInnen an die
       deutsche Bevölkerung. Jetzt gibt es die Antwort.
       
 (DIR) Protest gegen Sparpolitik in Spanien: Sturz der Regierung abgesagt
       
       Spanische Demonstranten wollten aus Protest gegen die Sparpolitik der
       Regierung das Parlament belagern. Die Aktion fand jedoch kaum Rückhalt in
       der Bevölkerung.
       
 (DIR) Europäische Protestbewegungen: Wenn Krisenkinder erzählen
       
       Der Krise kann niemand entkommen. Aktivisten aus Spanien und Griechenland
       fragen, warum es nicht auch in Deutschland Proteste gibt.
       
 (DIR) Kommentar Zwangsräumungen Spanien: Es wird weiter geräumt
       
       Der spanische Regierungschef Rajoy hat ein neues Hypothekengesetz durchs
       Parlament gebracht. Das ignoriert ein Volksbegehren.
       
 (DIR) Spanien kürzt Gesundheitsbudget: In den Kliniken fehlt der Impfstoff
       
       Die spanische Regierung hat das Gesundheitsbudget um 10 Prozent gekürzt.
       Betroffen sind vor allem Rentner, die wenig Geld und viele Gebrechen haben.
       
 (DIR) Wirtschaftskrise in Spanien: Kreativ auf neuen Pfaden
       
       Andalusien hat landesweit die meisten Arbeitslosen. Doch anstatt in
       Lethargie zu verfallen, versuchen die Menschen sich neu zu erfinden.