# taz.de -- taz.lab-Panel zu Sexismus im Netz: „Digitale Schlägertrupps“
       
       > Mobbing und mangelnde Interventionskultur plagen Feministinnen im
       > Internet –  sagen Anke Domscheit-Berg, Anne Wizorek, Bernd Schlömer und
       > Katrin Rönicke.
       
 (IMG) Bild: Sich schweigend zurückziehen? Keine gute Lösung
       
       BERLIN taz | Das Netz: gedacht als neutraler Kommunikationsraum, als
       Eins-Null-Raum, Strom an, Strom aus, als einer, der mit Algorithmen
       funktioniert und nicht mit Emotionen. Weit gefehlt. Vor allem diejenigen,
       die sich mit feministischen Ideen oder Forderungen in Blogs, in Foren, auf
       Debattenplattformen positionieren, müssen mit übelsten Reaktionen rechnen.
       
       Wer sich im Netz für Gleichberechtigung, gegen sexistische Gewalt, für die
       Quote oder andere feministische Gerechtigkeitsthemen einsetzt, wird
       beschimpft, beleidigt, gebasht, gemobbt und nicht selten in seiner
       sexuellen Integrität in Frage gestellt. Feministische Plattformen können
       als Blaupause verstanden werden, die eines zeigt: Sexismus ist ein
       gesellschaftlicher Fakt. Darum ging auf der taz-lab-Veranstaltung „Frauen
       fürs Netz gesucht“. Auf dem Podium die Managerin und Piratin [1][Anke
       Domscheit-Berg], die Aufschrei-Initiatorin [2][Anne Wizorek], die Bloggerin
       [3][Katrin Rönicke] und [4][Bernd Schlömer], der Vorsitzende der
       Piratenpartei.
       
       Anke Domscheit-Berg, die sich vor allem dafür einsetzt, dass mehr Frauen in
       Führungspositionen kommen, liest zu Anfang der Diskussion ein paar der
       Mails vor, die sie bekommen hat. Da schreibt einer: „Normale Frauen soll
       man nicht schlagen, aber Feministinnen brauchen Schläge auf den Kopf.“ Ein
       anderer fordert: „Alle Feministinnen über Fukushima abwerfen.“
       
       Wieder einer vergleicht Feministinnen mit dem neuen Berliner Flughafen BER.
       „Der BER hat nur 20.000 Mängel, also 0,00001 Prozent der Mängel einer
       Feministin.“ Sie hat die Beschimpfungen gesammelt und könnte locker eine
       Stunde füllen. „Man kann, wenn man das so vorliest, lachen, aber es ist
       nicht lustig“, sagt sie. Auf einem Feminaziwatchblog – einem Blog also, der
       Feministinnen mit Nazis vergleicht – steht sie [5][auf Rang 1].
       
       ## Abschied von Twitter
       
       Alle auf dem Podium sind sich einig: Solche Attacken haben einzig zum Ziel,
       die Frauen zum Schweigen zu bringen. Bei Katrin Rönicke, die als
       Journalistin über Geschlechterdemokratie schreibt und Mitglied des
       Frauenrats der Heinrich-Böll-Stiftung ist, hat der Shitstorm bereits
       gewirkt: Sie hat ihren Twitter-Account mit [6][2.000 Followern verschenkt].
       
       Auch Anne Wizorek, die [7][mit ihrem Aufschrei-Ausruf] auf Twitter
       unglaublich viele Frauen motivierte, ihre Erfahrungen mit Sexismus im
       Alltag offen zu legen, meint, Twitter sei zeitweise für sie nicht mehr
       nutzbar. „Wenn solche Frauen wie du ihre Vötzchen und ihre Titten
       rausstrecken“, hätte ihr kürzlich einer geschrieben, „und bei dem Namen,
       könne sie ohnehin gleich zurück nach Polen“. - Zum Sexismus komme also
       gleich noch Rassismus dazu, meint sie.
       
       Es geht, darin stimmen alle überein, um die Herabwürdigung der Frau. Sie
       werden in ihrer sexuellen Integrität angegriffen, in ihrem Aussehen, in
       ihrer Person. Bei Männern hingegen, berichtet Bernd Schlömer, der
       Piratenchef, zielten die Angriffe selten auf die Person, ihnen werde bei
       Shitstorms eher die Kompetenz fürs Thema abgesprochen. Wie mit dieser
       Aggression indes umzugehen sei, ist schwerer zu beantworten.
       
       ## Keine Interventionskultur
       
       Es stellt sich in der Diskussion heraus, dass der virtuelle Raum auch beim
       Umgang mit Sexismus die Situation im realen Raum spiegelt: Frauen, die im
       Netz angemacht werden, machen dies in der Regel mit sich selbst aus, sie
       bleiben allein. Sie müssen ganz für sich Strategien entwickeln, wie sie mit
       den Beschimpfungen umgehen. Es gebe im Netz keine Interventionskultur,
       meint Anke Domscheit-Berg. Niemand fühle sich für Hausfriedensbruch im
       virtuellen Raum zuständig.
       
       Wie im richtigen Leben wirkt es auch im Netz meist nicht, wenn die
       sexistisch Beschimpften versuchen, sich selbst zu wehren. Stattdessen
       müssten Dritte den Anmacher in die Schranken weisen, ihm klar machen, dass
       seine Kommentare beleidigend und unsachlich seien und dass sie den Diskurs
       töteten. „Soziale Sanktionen, das fehlt in Deutschland noch zu sehr“, sagt
       Domscheit-Berg.
       
       Wenn Kinder auf dem Schulhof andere mobben und viele zugucken, dann gebe es
       Interventionsworkshops, um den Kindern klar zu machen, wie sie sich
       einmischen können. Im Netz dagegen gibt es ebenfalls Opfer und Aggressoren,
       „digitale Schlägertrupps“ und viele Zuschauer – aber niemand von außen
       reagiere.
       
       Bleibt Selbstverteidigung. Anke Domscheit-Berg etwa schickt Hassmails oder
       Hasstweets weiter, retweetet sie und schafft sich so eine größere
       Öffentlichkeit. Wenn es ganz schlimm wird, stellt sie – obwohl eine
       Gegnerin der Internetzensur – auch Anträge beim Twitter, dass die
       Benutzerkonten von Hassmailschreibern geschlossen werden.
       
       Der Einwand, dass man sich im Netz ja eine geschlechtsneutrale Identität
       geben könne, und das Problem so in den Griff bekommen könne, wird nicht
       akzeptiert. Es kann nicht sein, dass man einen Teil seiner Identität
       verleugnen solle, wenn man sich im Netz äußere. Männlich und weiblich, das
       sei nicht nur eine Frage der Sozialisation meint Rönicke. Sie ist dafür,
       dass die die im Netz unterwegs sind, möglichst Klarnamen zeigen und zu sich
       stehen. „Das heißt auch, dass man angreifbar wird.“ – Was es nicht heißt:
       Dass man angegriffen werden soll.
       
       21 Apr 2013
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [2] http://www.annewizorek.de/
 (DIR) [3] http://blog.katrin-roenicke.net/
 (DIR) [4] http://twitter.com/BuBernd
 (DIR) [5] http://femwatch.tumblr.com/post/39059916855/femnazis-und-fotzenknechte-ein-who-is-who
 (DIR) [6] http://blog.katrin-roenicke.net/?p=1685
 (DIR) [7] /Aufschrei-Initiatorin-Anne-Wizorek/!110938/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Waltraud Schwab
       
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