# taz.de -- ÄLTESTER FUẞBALLCLUB DEUTSCHLANDS: Der Fußball ist zu Hause in Tempelhof
       
       > Der älteste noch bestehende Fußballverein Deutschlands kickt in Berlin:
       > BFC Germania aus Tempelhof feiert in diesen Tagen sein 125-jähriges
       > Bestehen.
       
 (IMG) Bild: Erinnert mehr an ein Acker, als an einen Fußballplatz: Kicken im Jahr 1913.
       
       Ein Wohnviertel in Alt-Tempelhof: einfache, vierstöckige Mietshäuser aus
       den 30er- und 60er-Jahren. Dazwischen eine unscheinbare Sportanlage. Auf
       dem Kunstrasen trainieren ein paar Jugendliche, dribbeln um Hütchen – wie
       vielerorts in Berlin. Ein üblicher Fußballklub, würde man denken.
       
       Blickt man aber in die Schaukästen am Vereinsgelände, wo die nächsten
       Trainingstermine der Senioren- und Jugendteams angeschlagen sind, steht
       dort beiläufig eine nicht unerhebliche Information: „Germania – ältester
       Fußballverein Deutschlands“. Dieser Tempelhofer Klub, der BFC Germania, war
       1888 der erste deutsche Verein, der sich dem Spiel mit dem ledernen Rund
       widmete und bis heute besteht.
       
       Am vergangenen Montag wurde Germania 125 Jahre alt, es gab eine kleine
       Feier im Rathaus Schöneberg. Während der Verein bis zum Ersten Weltkrieg
       sportlich erfolgreich war und eine wichtige Rolle für die Verbreitung des
       Fußballsports in Deutschland spielte, ist er heute nicht mehr von
       sportlicher Bedeutung. Das Team kickt in der Kreisliga B, der Verein zählt
       etwa 300 Mitglieder.
       
       Aber diesen einen inoffiziellen Titel kann ihnen keiner nehmen. „Der HSV
       hatte auch mal für sich beansprucht, der erste deutsche Verein gewesen zu
       sein“, sagt der Germania-Vorsitzende Heinz-Dietrich Kraschewski. „Aber der
       Deutsche Fußball-Bund hat offiziell eine Entscheidung gefällt, dass uns
       niemand den Anspruch wegnehmen kann“, sagt er. Kraschewski, graue Haare,
       grauer Bart, Berliner Akzent, ist seit 50 Jahren im Klub. „Streit gab’s
       nicht darum, wir wollten es nur wissen.“
       
       Es passt ins Bild, dass Germania sich heute so unprätentiös gibt. Der Klub
       kommt in erster Linie seiner sozialen Funktion nach: den Menschen aus dem
       Kiez eine Heimat zum Kicken zu geben. „Wenn die Gründer damals eine Idee
       von Gemeinschaft und Zusammenleben durch den Fußball entwickeln wollten, so
       ist diese Idee auch heute zu erkennen“, sagt Thomas Schneider,
       Sporthistoriker und Germania-Chronist.
       
       ## Kurze Hosen waren unanständig
       
       Auf dem Tempelhofer Feld begann alles: Zwischen Manteuffelstraße und
       Schöneberger Straße im heutigen Alt-Tempelhof sollen damals die Ersten
       gespielt haben. „Schüler und Studenten haben sich zusammengetan, um Fußball
       nach den bestehenden englischen Regeln zu spielen“, erzählt Kraschewski.
       Zum damaligen Status des Fußballs sagt Schneider: „Die wurden ja schräg
       angeguckt. Die gingen mit kurzen Hosen aufs Feld und in die Öffentlichkeit,
       das war höchst unanständig.“ Man könne sie durchaus mit den Skatern und
       Streetballern in den 80ern und 90ern des 20. Jahrhunderts vergleichen.
       
       In den Anfangsjahren war das neu gegründete Team durchaus erfolgreich: Erst
       wurde Germania (inoffizieller) deutscher Fußballmeister vor der Gründung
       des DFB. Dann brachten sie mit Fritz Baumgarten den ersten Nationaltorwart
       hervor. Der vielleicht größere Verdienst des Klubs aber lag in der
       Verbreitung der Idee des Sports und der Gründung von Verbänden, an denen
       Germania-Akteure beteiligt waren. Der Spieler Fritz Boxhammer war es etwa,
       der die Fußballregeln vom Englischen ins Deutsche übersetzte.
       
       Der Vereinsname Germania wird bisweilen nationalistisch interpretiert, doch
       Chronist Schneider sagt dazu: „Man muss das vor dem Hintergrund des
       Kaiserreichs sehen. Natürlich gab es dort Nationalstolz, aber der war
       völlig üblich“, sagt er. „Ich will das nicht verharmlosen, aber es ist ein
       gängiger Name zu dieser Zeit wie Borussia, Alemannia und Viktoria auch.“
       Germania hatte – nach allem, was man weiß – in dieser frühen Phase eine
       vergleichsweise tolerante Vereinspolitik. Boxhammer etwa sah den Sport als
       einen „Förderer der Friedensidee“.
       
       1914 war es vorbei mit dem Frieden, nach dem Ersten Weltkrieg blieb der
       sportliche Erfolg aus. Das schlimmste politische Versagen der
       Vereinsgeschichte folgte in der NS-Zeit. Germania schloss Juden vom
       Vereinsleben aus, wie es der nationalsozialistische Deutsche Reichsbund für
       Leibesübungen forderte. Zum Jubiläum 1938 hob man es als Verdienst hervor,
       dass man in dieser Hinsicht einer der Ersten war. „Ja, das haben wir leider
       auch erfahren müssen“, sagt Kraschewski, „das gehört auch zur Geschichte
       des Klubs.“
       
       Den 60-jährigen Vorsitzenden freut es hingegen, wenn er sich das Gesicht
       des Vereins heute anschaut. „Wer hier bei uns heute auf den Platz geht, der
       sieht Leute aus aller Herren Länder Fußball spielen“, sagt Kraschewski.
       Germania gebe das Bild des Stadtteil gut wieder. Heute spielen im Klub vier
       Herren- und acht Jugendteams um Punkte.
       
       Derzeit versucht man, den großen Bruder aus England noch für ein
       Freundschaftsspiel zum Jubiläum zu gewinnen: Der FC Sheffield (von 1857)
       ist der älteste notierte Fußballverein der Welt. Vielleicht reist das
       britannische Vorbild ja im Sommer noch an.
       
       Bis dahin muss das erste Herrenteam aber noch gegen Teams wie den VfB
       Einheit zu Pankow II, Chemie Adlershof oder Concordia Britz II (25.04.2013,
       19.30 Uhr) antreten und in der Kreisliga um den Klassenerhalt spielen. Auf
       dass sportlich wieder bessere Zeiten kommen mögen.
       
       21 Apr 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jens Uthoff
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Uli Hoeneß
       
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