# taz.de -- Gescheiterter Anschlag: Erst traumatisiert, dann radikalisiert?
       
       > In Kanada soll Raed Jaser einen Bombenanschlag geplant haben. Vorher
       > hatte der festgenommene mutmaßliche Islamist zwei Jahre in Berlin gelebt.
       
 (IMG) Bild: Kein Asyl in Berlin: Raed Jaser (rechts) und sein Vater Mohammed beim Verlassen des Gerichtsgebäudes in Toronto
       
       EDMONTON taz | Einer der am Montag in Kanada unter Terrorverdacht
       festgenommenen mutmaßlichen Islamisten hat offenbar eine Vergangenheit in
       Deutschland. Wie aus kanadischen Einwanderungsdokumenten hervorgeht, hatte
       der heute 35-jährige Raed Jaser Anfang der neunziger Jahre eine Zeit lang
       in Berlin gelebt.
       
       Raed Jaser und ein mutmaßlicher Komplize waren zu Beginn der Woche
       festgenommen worden, weil sie in der Nähe von Toronto angeblich einen
       Anschlag auf einen Fernverkehrszug planten. Die Behörden werfen ihnen vor,
       Kontakte zu Terrorzellen des Netzwerkes al-Qaida im Iran unterhalten zu
       haben.
       
       Wie die Zeitung National Post nun berichtet, hatte Raed Jaser vor seiner
       religiösen Radikalisierung offenbar eine bewegte Jugend – auch in
       Deutschland. Mit seinen palästinensischen Eltern war er als Teenager 1991
       aus den Vereinigten Arabischen Emiraten nach Berlin gekommen, wo die
       Familie Asyl beantragte. Der Antrag wurde abgelehnt.
       
       Die zwei Jahre in Berlin waren für den jungen Raed Jaser offenbar prägend.
       Die Familie habe sich in Deutschland ausgestoßen gefühlt und angesichts
       fremdenfeindlicher Vorkommnisse sogar um ihr Leben gefürchtet, heißt es in
       Papieren der kanadischen Behörden, aus denen die National Post zitiert.
       
       ## Brandsatz in die Wohnung geworfen
       
       Einmal hätten Rechtsradikale einen Brandsatz in die Wohnung der Jasers
       geworfen. Der Vorfall habe die palästinensische Familie traumatisiert, habe
       ihr Anwalt später den kanadischen Behörden geschildert. Nach zwei Jahren
       unter Angst habe sich die Familie entschlossen, Deutschland zu verlassen
       und zu Verwandten nach Kanada zu ziehen.
       
       Auch in Kanada wurde den Jasers zunächst Asyl verwehrt. Als staatenlose
       Palästinenser konnten sie aber nicht ausgewiesen werden. Jasers Vater soll
       sich in den Folgejahren gegenüber einem Imam besorgt über die zunehmende
       religiöse Intoleranz seines Sohnes gezeigt haben. Jetzt sitzt Raed Jaser in
       Haft und wartet auf seinen Prozess. Details zu möglichen Verbindungen zu
       al-Qaida sind noch nicht bekannt. Jasers Anwalt sagte in Toronto, sein
       Klient sei „geschockt“ über die Vorwürfe.
       
       Jasers mutmaßlicher Komplize, der Tunesier Chiheb Esseghaier, sagte
       unterdessen in einer getrennten Anhörung, er fühle sich nur dem „heiligen
       Buch“ verpflichtet und erkenne das kanadische Recht nicht an. Esseghaier
       ist wie Jaser der Verschwörung zum Mord und der Unterstützung einer
       terroristischen Vereinigung angeklagt.
       
       Der 30-jährige Esseghaier war nach Angaben der Polizei die treibende Kraft
       hinter der angeblichen Verschwörung, an der neben Jaser auch Komplizen in
       den USA mitgewirkt haben sollen. Diese wurden bislang noch nicht dingfest
       gemacht. Zur Verhaftung in Kanada sei es gekommen, weil beide Männer
       zunehmend auffälliges Verhalten gezeigt hätten. Angeblich hatten sie
       Bahnhöfe und Gleise im Großraum Toronto ausspioniert.
       
       ## Gesetze im Eilverfahren verschärft
       
       Unter dem Eindruck der mutmaßlichen Anschlagspläne hat Kanadas Regierung
       unterdessen die Antiterrorgesetze deutlich verschärft. Im Eilverfahren
       verabschiedete das Unterhaus am Mittwoch ein Gesetz, mit dem
       Terrorverdächtige künftig ohne Anklage bis zu drei Tage „vorsorglich“
       festgehalten werden können. Der Mitwisserschaft verdächtige Personen können
       unter Strafandrohung zu Aussagen vor Gericht gezwungen werden. Außerdem
       wird das Strafmaß für Terrorakte erhöht und die Reisefreiheit für
       Verdächtige eingeschränkt.
       
       Die Gesetze waren schon länger geplant, wegen Widerständen in der
       Bevölkerung und Bedenken von Bürgerrechtsgruppen aber immer wieder
       aufgeschoben worden. Mitte Mai werden die Anhörungen vor Gericht
       fortgesetzt. Bei einer Verurteilung drohen Jaser und Esseghaier lange
       Haftstrafen.
       
       25 Apr 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jörg Michel
       
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