# taz.de -- Kinderbetreuung: Aufstand der Ersatz-Eltern
       
       > Ab 1. August ändert Bremen die Bedingungen für die Kinder-Tagespflege.
       > Inakzeptabel finden viele Tagesmütter die neuen Regeln – und gehen ins
       > Umland.
       
 (IMG) Bild: Betreuung in der Privatwohnung, aber nach öffentlichen Vorgaben: Die Kinder-Tagespflege.
       
       Bei Tagesmüttern und -vätern in Bremen wächst der Ärger über neue
       Entgelt-Regelungen. Denn die Stadt unterwirft die „Tagespflegepersonen“ ab
       dem 1. August 2013 ihren neuen Regeln, um den Rechtsanspruch auf einen
       Krippenplatz für unter Dreijährige erfüllen zu können. Bisher waren
       Tagesmütter frei und „Unternehmerinnen“ in eigener Sache.
       
       Zu den gleichen Bedingungen sollen Eltern ihr Kleinkind in der Krippe oder
       bei der Tagesmutter abgeben können. Das bedeutet für Tagespflegepersonen,
       dass sie die geringe kommunal festgelegte Stundenpauschale akzeptieren
       müssen, mit der viele nicht über den Mindestlohn kommen (taz berichtete).
       Sie dürfen ohne Genehmigung der Behörde keine Zusatzbeiträge von den Eltern
       einnehmen können, auch wenn diese gern zahlen würden. Und sie dürfen nicht
       mehr als 20 Tage im Jahr wegen Urlaubs schließen, nach 15 Krankheitstagen
       bekommen sie kein Geld mehr. Das sind Arbeitsbedingungen, die für viele
       nicht akzeptabel sind.
       
       „Der Kita-Ausbau wird in Bremen auf dem Rücken der Tageseltern betrieben“,
       sagt die Tagesmutter Elisabeth Lahusen, „eine Benachteiligung eines
       typischen Frauenberufs“. In Bremen sind von 329 Tagespflegepersonen nur 14
       männlich. Insgesamt betreuen sie knapp 1.000 Kinder, über 700 davon sind
       unter drei Jahren. Wenn sie als Angestellte unter tarifvertragliche
       Regelungen fallen würden, dann würden die Bedingungen, die man ihnen als
       „Freien“ diktiert, als unzumutbar und gesetzeswidrig gelten.
       
       Auch der Sozialwissenschaftler Stefan Sell, Direktor des Koblenzer
       Instituts für Bildungs- und Sozialpolitik, hält die Urlaubsbegrenzung auf
       20 Tage nicht für akzeptabel: „Da werden die Tagesmütter zu Sklaven des
       Rechtsanspruchs“, sagte Sell zur taz. „Andere Bundesländer sehen 24 Tage
       Urlaub vor.“
       
       Die Bezahlung in Bremen hält Sell im Großen und Ganzen für akzeptabel. Ein
       Fehler sei aber, dass die Stadt bislang die Organisation von
       Krankheitsvertretungen den Tagesmüttern überlasse. „Das ist Aufgabe des
       Trägers, also der Stadt.“ Er hatte vorgeschlagen, eine Pauschale dafür
       einzuplanen, wenn eine Tagesmutter dafür dauerhaft zwei Plätze freihält.
       „Das sieht Bremen nicht vor, damit verletzt es den gesetzlichen Auftrag.“
       Die Worte Sells sollten Gewicht haben, er war von der Stadt angefragt
       worden, ob er die Neuregelung begleiten könne, hatte aber abgelehnt: „Ich
       hatte den Eindruck, dass es Bremen darum ging, die Entgelte der
       Haushaltslage anzupassen“, so Sell.
       
       Sozialressort-Sprecher Bernd Schneider bestreitet das nicht: „Bei allem,
       was in Bremen finanziell passiert, schauen wir, ob wir uns das leisten
       können.“ Insgesamt aber habe sich die Situation „verbessert“, Bremen werde
       300.000 Euro pro Jahr mehr für die Tagespflege ausgeben.
       
       Auf der Infoveranstaltung war von Freude bei den Tagesmüttern wenig zu
       spüren. Etwa 200 waren ins Konsul-Hackfeld-Haus gekommen. Bislang schlossen
       sie private Vereinbarungen mit den Eltern. Zum städtisch geförderten Betrag
       hatten sie zusätzliche Aufschläge vereinbart, um auf ihre Kosten zu kommen.
       
       Nun werden die Vorgaben strenger: Nur wenn die Bedingungen der Tagespflege
       den Rechtsanspruch der Eltern erfüllen, gibt‘s auch die städtischen Gelder.
       
       Im Konsul-Hackfeld-Haus meldete sich eine Tagesmutter aus Walle: „Ich habe
       mit den Eltern abgemacht, dass ich 30 Tage im Jahr Urlaub mache.“ Ob das
       nicht in Ordnung wäre, fragt sie. „Nein“, sagt Hilke Eden, Referentin im
       Sozialressort – und zwar auch dann nicht, wenn der zusätzliche Urlaub
       unbezahlt ist.
       
       Hilke Eden und Referatsleiterin Monika Frank erklärten, was die
       Sozialdeputation und der Jugendhilfeausschuss im Februar verabschiedet
       hatten: einen Stundensatz pro Kind, der alles einschließt und zwischen 3,60
       Euro und 4,90 Euro liegt – je nachdem, ob die Kinder zu Hause betreut
       werden oder in eigens angemieteten Räumen. Und der abhängig ist von der
       Qualifikation der Tagespflegeperson: Für eine ausgebildete Erzieherin wurde
       90 Prozent eines ErzieherInnen-Gehalts zugrunde gelegt, alle anderen – und
       das ist die Mehrheit – sollen 62 Prozent des ErzieherInnen-Gehalts
       verdienen.
       
       „Unzumutbar“ ist das für die Tagesmutter Christa Bast-Konopatzki. Sie
       plant, ins niedersächsische Umland zu ziehen, wo die Bedingungen besser
       seien, etwa im Landkreis Diepholz. „Ich arbeite in Bremen für 1,90 Euro
       plus Sachkostenpauschale pro Kind und Stunde, dort bekomme ich 4,30 Euro
       plus Sachkostenpauschale“, so Bast-Konopatzki. Die zuständige Diepholzer
       Kreisrätin Inge Human sagte zur taz: „Wir haben Regelungen getroffen, die
       es bei uns für Tagesmütter besonders attraktiv machen.“
       
       29 Apr 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jean-Philipp Baeck
       
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