# taz.de -- Schuldenkrise in Griechenland: Auf dem Pulverfass
       
       > Während die griechische Regierung von einem „Ende der Qualen“ spricht,
       > gärt es im Land. Fehlende Jobs und ausbleibendes Geld sorgen für
       > Unzufriedenheit.
       
 (IMG) Bild: Noch bleibt der Protest (meist) friedlich. Aber für viele Menschen in Griechenland ist die Schmerzgrenze erreicht
       
       ATHEN dpa | „Schau doch in meinem Kühlschrank. Das sind nur Milch und etwas
       Obst für die Kinder“, sagt die 33-Jährige Ismini Ioannidou. Ihr Mann, ein
       Elektrotechniker, ist seit zwei Jahren arbeitslos. Sie arbeitet halbtags
       als Sekretärin bei einem Rechtsanwalt, aber er bezahlt sie nicht mehr
       regelmäßig.
       
       Für ihre drei Kinder sorgen ihre Eltern mit ihren kleinen Renten. Die ganze
       Familie lebt in einer Vier-Zimmer-Wohnung in Kerameikos, dem Armenviertel
       Athens. „Wie lange noch“, fragt sich Ioannidou. Mit 400 Euro im Monat komme
       man nicht mehr aus. Die Familie überlegt, nach Australien auszuwandern.
       
       Die Politiker in Griechenland machen den Menschen Mut: Gut drei Jahre nach
       Ausbruch der Finanzkrise sind nach den Worten von Regierungschef Antonis
       Samaras im März landesweit 15.000 Menschen mehr eingestellt worden als
       entlassen wurden.
       
       Die Griechen hätten viele Reformen in die Tat umgesetzt und stünden kurz
       vor dem Ende der Qualen: „Wir haben ganze Ozeane überquert, wir dürfen
       jetzt nicht in einem Glas Wasser ertrinken“, soll Samaras nach Berichten
       der griechischen Presse bei einer Sitzung mit seinen Ministern vergangene
       Woche gesagt haben.
       
       ## Soziale Unzufriedenheit nützt rassistischen Kräften
       
       Der Regierungschef weiß, woher die Gefahr kommen könnte: Knapp 27 Prozent
       der Menschen sind arbeitslos, und gut 60 Prozent der jungen Menschen haben
       keinen Job. Ein unvorhersehbares Ereignis könnte der Funken werden, der das
       Pulverfass der sozialen Unzufriedenheit zur Explosion bringt, warnen
       Beobachter. Populistische, rassistische und rechtsradikale politische
       Kräfte werden immer stärker – und lauter.
       
       Auf dem Arbeitsmarkt herrschen chaotische Zustände. Tausende Arbeitnehmer
       bekommen seit Monaten nur Teile ihrer Löhne. Sie wehren sich nicht, weil
       sie ihren Job nicht verlieren wollen.
       
       Im Rahmen einer Studie der größten Rentenkasse des Landes IKA wurde bei
       Kontrollen in Athen festgestellt, dass 40 Prozent der Arbeitnehmer gar
       nicht versichert sind. „Mit anderen Worten: Die Schwarzarbeit dient im
       Moment als eine Art Sicherheitsventil, damit es nicht zur Explosion kommt“,
       sagt Thanasis Georgantas, einer der Kontrolleure der staatlichen
       Versicherungen. Im sechsten Jahr in Folge schrumpft die Wirtschaft – 2013
       sollen es wieder minus 4,6 Prozent werden.
       
       ## Schon leidet die Hygiene in den Krankenhäusern
       
       Der griechische Staatspräsident Karolos Papoulias sagt es bei jeder
       Gelegenheit: Die Griechen hätten das menschlich Ertragbare längst
       überschritten.
       
       Die Renten- und Krankenkassen stehen kurz vor dem Zusammenbruch. Ihre
       Einnahmen sind wegen der Arbeitslosigkeit und der Schwarzarbeit seit 2009
       um fast 50 Prozent gesunken. In vielen Krankenhäusern fehlt es sogar an
       Desinfektionsmitteln. Ärzte bitten Verwandte der Patienten, Medikamente aus
       den umliegenden Apotheken selbst zu kaufen.
       
       Die seit zwei Jahren angekündigten Privatisierungen kommen nicht voran.
       Ziel für dieses Jahr ist, daraus 2,5 Milliarden Euro einzunehmen. Bisher
       bleibt der Privatisierungszeiger aber auf null Euro, moniert die
       griechische Presse. Stattdessen werden immer neue Steuern auf Immobilien
       verhängt.
       
       Mittlerweile leben ganze Familien von den Renten ihrer älteren Mitglieder.
       Erstmals seit mehr als 100 Jahren müssen nun auch Staatsbedienstete gehen:
       Bis Ende 2014 sollen 15 000 Menschen ihren Job beim Staat verlieren. „Das
       Tor ist jetzt offen. Die (Regierung) wird noch mehr von uns rausschmeißen“,
       fürchtet ein 38-jähriger Lehrer.
       
       30 Apr 2013
       
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