# taz.de -- Zentralafrikanische Republik: Leibwächter schlafen im leeren Pool
       
       > Durch die Straßen rasen Pick-ups voller Bewaffneter, die Zivilbevölkerung
       > klagt über Plünderungen. Nachts wird geschossen. Bangui kommt nicht zur
       > Ruhe
       
 (IMG) Bild: Soldaten der Seleka-Rebellen vor dem Luxushotel Ledger Plaza in Bangui
       
       BANGUI taz | 16 Einschusslöcher sprenkeln das knallgrüne Tor der
       Hofeinfahrt. Der 17. Schuss sprengte das Vorhängeschloss, woraufhin die
       Rebellen eindrangen.
       
       Der Innenhof des Hauses in Borab, einem Stadtviertel von Bangui, sieht aus
       wie ein Schlachtfeld: Patronenhülsen liegen zwischen zersplitterten
       Fußbodenkacheln, Autoreifen, Pappkartons, leeren Benzinkanistern. Im
       schlichten Wohnhaus haben die Rebellen alles mitgenommen, was nicht niet-
       und nagelfest war: Polster und Couchgarnitur, die Matratze im Schlafzimmer,
       Besteck, Töpfe, Teller.
       
       Nur die privaten Fotoalben haben sie zurückgelassen: die Familienporträts
       des Ex-Jugend- und Sportministers der Zentralafrikanischen Republik, Eduard
       Ngassona, sind im Wohnzimmer verstreut. An den Wänden: daumendicke
       Einschusslöcher.
       
       Nachdem die Rebellen-Allianz Seleka am 24. März die Hauptstadt der
       Zentralafrikanischen Republik eroberte, zogen deren Kämpfer von Haus zu
       Haus. Zuerst plünderten sie die Domizile und Büros der Beamten und Minister
       der Regierung des gestürzten Präsidenten François Bozizé, dann die
       Hilfswerke. Ärzte ohne Grenzen verloren 14 Geländewagen sowie Medikamente
       und Ausrüstung im Wert von einer Million Euro. Dann das Kleingewerbe, so in
       Borab, wo sich entlang der staubigen Straße Tischlereien, Schweißereien,
       Autowerkstätten, Bars und kleine Läden in Holzhütten aneinanderreihen. Wo
       man vom Handy bis zum Waschmittel alles bekam, sind jetzt die Regale leer.
       
       „Mein ganzes Leben ist ruiniert“, klagt Serge Dioro, der neben dem Haus des
       Exsportministers ein Internetcafé unterhielt. Drucker, Kopierer, drei
       Computer, Monitore sowie den Stromgenerator hätten die Rebellen auf einem
       Lastwagen abtransportiert. Niedergeschlagen sitzt er jetzt vor seinem
       leeren Holztisch und zeigt auf den Mehrfachstecker auf dem Zementfußboden:
       „Das ist alles, was mir geblieben ist.“
       
       ## Lieber wieder den korrupten Diktator zurück
       
       Aufgebracht kommen die Nachbarn angelaufen. Wild gestikulierend zählen sie
       auf, was die Männer in Uniform beschlagnahmt haben: Matratzen, Kleidung,
       Kochgeschirr, selbst die Perücken im Frisiersalon. Ein Schneider schleppt
       eine Schaufensterpuppe an: „Die wollten sie nicht. Dafür aber meine
       Nähmaschine“, seufzt er.
       
       Beliebt machen sich die neuen Herrscher damit nicht. Die Seleka-Kämpfer
       kommen aus dem fernen Nordosten des Landes. „Das sind Muslime, vielleicht
       sogar Islamisten“, schimpft der Schneider mit der Schaufensterpuppe im Arm.
       „Sie kommen immer sonntags, wenn wir in der Kirche sind“, sagt er. „Unser
       alter Präsident war ein korrupter Diktator, doch jetzt will ich ihn lieber
       zurückhaben, als von diesen Fremden beherrscht zu werden.“
       
       Als Zusammenschluss von vier Rebellenmilizen marschierte Seleka im Dezember
       2011 vom Norden her durch den Busch auf Bangui zu. Unterwegs sammelten sie
       Rekruten, auch Kinder und Frauen. Eine Friedensvereinbarung hielt nur kurz.
       Am 24. März stürmten die Rebellen Bangui. Die Bozizé-Regierung flüchtete
       nach Kamerun – auch Sportminister Ngassona. Seleka-Anführer Michel Djotodia
       ernannte sich zum Präsidenten und setzte die Verfassung aus.
       
       Seitdem herrscht regelrechte Anarchie. Wie im Wilden Westen düsen die
       Seleka-Offiziere mit ihren erbeuteten Pick-ups durch die Straßen. Die
       meisten haben ihrem Fahrzeug einen individuellen Touch verliehen: In
       Leopardenmuster und Lilarotgelb-Camouflage haben sie ihre Wagen angemalt.
       Schriftzüge wie „No Respect“ zieren die Motorhauben. Die Kämpfer auf den
       Ladeflächen tragen grinsend gewaltige Maschinengewehre und Munitionsgürtel,
       ihre Gesichter in Turbane gewickelt, die oft nur die Augen preisgeben.
       
       ## Nachts traut sich kein Mensch nach draussen
       
       Für viele christlichen Hauptstädter gelten die Seleka als Söldner aus den
       Nachbarländern Tschad und Sudan. Für viele Seleka-Kämpfer ist Bangui
       Neuland. „Ich war noch nie in Bangui. Die Leute hier haben Strom und Autos
       und Straßen!“, staunt ein junger Kämpfer am Eingangstor des Parlaments und
       spielt vergnügt mit seinem neuen Handy.
       
       Kaum wird es dunkel, hallen Schüsse durch die Gassen. Kein Mensch traut
       sich nach draußen. Bei Kerzenschein verstecken sich die Hauptstädter,
       elektrisches Licht könne die Rebellen anlocken. Tagsüber sind noch immer
       die meisten Läden geschlossen. Es gibt sowieso nichts zu kaufen. Die
       Schulen sind zu, weil sich Hunderte Kämpfer in den Klassenzimmern
       einquartiert haben. Die Banken sind seit über einem Monat geschlossen.
       
       Unterdessen lassen es sich die neuen Herrscher in Banguis teuerstem
       Luxushotel gut gehen: Ledger Plaza, einst mit libyschem Geld erbaut. Auf
       dem Parkplatz prangen die erbeuteten Staatskarossen: Mercedes mit
       abgeschraubten Nummernschildern, Militärfahrzeuge mit aufgebockten
       Maschinenpistolen. Uniformierte verneigen sich daneben zum Gebet nach
       Mekka.
       
       Der Pool im Garten ist leer, darin schlafen jetzt die Leibwächter von
       Präsident Djotodia. Der 64-Jährige logiert in der Präsidentensuite, die
       3.500 Dollar die Nacht kostet. In der klimatisierten Lobby schlurfen
       Minister in langen, edlen Gewändern, die Pistole am Halfter locker über die
       Schultern baumelnd, über den Marmorfußboden.
       
       Ein schwer bewaffneter Konvoi biegt in die Hofeinfahrt ein.
       Seleka-Innenminister General Adam Noureddine steigt aus, seine Leibwache
       sichert. Kaum ist der große, dunkelhäutige Mann im goldfarbenen Gewand im
       Gebäude verschwunden, streiten sich seine Leibwächter mit der
       Präsidentengarde, die ebenfalls das Gelände sichert. Noureddine und
       Djotodia gelten als Rivalen, jeder hat seine eigene Miliz innerhalb von
       Seleka.
       
       Seleka-Sprecher Oberst Ajouma Narkoyo guckt irritiert. Der kräftige Mann in
       schwarzer Uniform, Pistole und Messer am Hüftgürtel, hat alle Mühe, das
       schlechte Image seiner Miliz aufzupolieren. Die Plünderungen nennt er
       „Hausdurchsuchungen, um die Sicherheit herzustellen“. Auf Nachfrage gibt er
       zu, dass sich auch unter der Seleka „unkontrollierbare Elemente“ befinden.
       Aber: „Wir garantieren, dass wir Frieden und Sicherheit im ganzen Land
       herstellen können.“
       
       30 Apr 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Simone Schlindwein
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Zentralafrikanische Republik
 (DIR) Bangui
 (DIR) Rebellen
 (DIR) Recherchefonds Ausland
 (DIR) Zentralafrikanische Republik
 (DIR) Zentralafrikanische Republik
 (DIR) Zentralafrikanische Republik
 (DIR) Zentralafrikanische Republik
 (DIR) Zentralafrikanische Republik
 (DIR) Putsch
 (DIR) Zentralafrikanische Republik
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Bürgerkrieg in Zentralafrik. Republik: Schwere Waffen gegen Zivilisten
       
       Mehrere Tote und Verletzte gab es bei Kämpfen in der Hauptstadt Bangui. Die
       herrschende Rebellenallianz Seleka will nun einen ihrer Warlords
       ausschalten.
       
 (DIR) Zentralafrikanische Republik: Bangui, Stunde null
       
       Der Umsturz in der Zentralafrikanischen Republik hinterlässt einen Staat in
       Trümmern. Ein Blick hinter die Kulissen einer Revolution.
       
 (DIR) Zentralafrikanische Republik: Banguis neue Herren greifen durch
       
       Mit rabiaten Methoden sorgt die Seleka-Rebellenregierung für Disziplin in
       der eigenen Truppe. Auf diese Weise sollen die Plünderungen aufhören.
       
 (DIR) Zentralafrikanische Republik: Bangui kommt nicht zur Ruhe
       
       Bei Razzien in der Zentralafrikanischen Republik gibt es mehrere Tote. Nun
       bitten die neuen Machthaber Frankreich und afrikanische Länder um Hilfe.
       
 (DIR) Zentralafrikanische Republik: Die Schockwelle von Bangui
       
       Der Umsturz in Bangui sorgt für Wirbel in der Region, von Kinshasa bis
       Pretoria. Südafrikanische Truppen, die besiegt wurden, stehen jetzt im
       Kongo.
       
 (DIR) Putsch in Zentralafrika: Rebellen stehen zu Friedensvertrag
       
       Der Chef der zentralafrikanischen Rebellen erklärt sich zum Staatschef, die
       Regierung soll aber im Amt bleiben. Südafrika bestätigt 13 tote Soldaten.
       
 (DIR) Die Putschisten von Bangui: Der Aufstand der „Befreier“
       
       Die Rebellen, die den zentralafrikanischen Präsidenten Bozizé gestürzt
       haben, hatten ihn vor zehn Jahren an die Macht gebracht.