# taz.de -- Privatdarlehen und Vorteilsnahme: Ein Freund, ein guter Freund
       
       > Bayern-Manager Uli Hoeneß bekam ein „Privatdarlehen“ vom damaligen
       > Adidas-Chef Robert Louis Dreyfus. Warum fragt eigentlich niemand nach dem
       > Warum?
       
 (IMG) Bild: Robert Louis Dreyfus war damals nicht nur Chef des Adidas-Konzerns, sondern gehörte auch zu dessen Großaktionären.
       
       Eigentlich sollte zur Hoeneß-Affäre nach zwei Wochen medialer
       Dauerberieselung alles gesagt sein. Aber eine Frage wurde bislang noch
       nicht gestellt: Warum erhielt Uli Hoeneß eigentlich ein vermeintliches
       „Privatdarlehen“ in zweistelliger Millionenhöhe von seinem vermeintlichen
       Freund Robert Louis Dreyfus?
       
       Wir schreiben das Jahr 2000. International kämpfen die
       Sportartikelhersteller Nike und Adidas um die Spitzenposition im Weltmarkt.
       Eine besondere Bedeutung nehmen dabei Ausrüsterverträge mit den
       erfolgreichsten Fußballvereinen ein, zu denen auch der FC Bayern München
       zählt.
       
       Trotz nachweislich besserer Angebote von Nike bleiben die Bayern Adidas
       treu. Zwei Jahre später wird sich Adidas sogar zu günstigen Konditionen mit
       zehn Prozent an der FC Bayern München AG beteiligen. Ob diese Partnerschaft
       auch für den FC Bayern in jeder Hinsicht optimal war, ist allerdings
       fraglich.
       
       Zu dieser Zeit war Uli Hoeneß federführend an den Verhandlungen mit Adidas
       und Nike beteiligt. Robert Louis Dreyfus war damals nicht nur Chef des
       Adidas-Konzerns, sondern gehörte auch zu dessen Großaktionären. Da wirkt
       das Privatdarlehen an Hoeneß dubios: Schließlich ist dieser zwar als
       Besitzer einer Wurstfabrik auch Unternehmer – beim FC Bayern war und ist er
       jedoch nur ein Angestellter.
       
       ## Der Tatbestand der Untreue
       
       Jede Entscheidung, die Dreyfus und Adidas einen geldwerten Vorteil und dem
       FC Bayern gleichzeitig einen geldwerten Nachteil verschafft, würde bei
       dieser Konstellation den Tatbestand der Untreue erfüllen.
       
       Eine Anklage hat Hoeneß dank der Verjährungsfristen zwar nicht zu
       befürchten. Ein Aufsichtsratschef, der sich womöglich der Untreue gegen das
       von ihm zu beaufsichtigende Unternehmen schuldig gemacht hat, ist jedoch
       untragbar.
       
       Dieser Sachverhalt scheint in der öffentlichen Diskussion jedoch keine
       Rolle zu spielen. Warum eigentlich? Es ist ja nicht so, dass der
       Wurstwarenhersteller Hoeneß kein eigenes Geld hätte, mit dem er am
       Finanzmarkt zocken kann. Es ist auch nicht so, dass ein Hoeneß von einer
       Bank abgewiesen würde, die er um einen Wertpapierkredit bittet.
       
       ## Privatdarlehen sind Vorteilsnahme
       
       Was also spricht dagegen? Dass er bei einem normalen Bankkredit
       Sicherheiten hätte hinterlegen müssen und auch der Zinssatz womöglich höher
       gewesen wäre? Genau dies ist der Grund, warum ein Privatdarlehen zu
       Vorteilskonditionen eine Vorteilsnahme darstellt.
       
       Hoeneß ist kein Einzelfall. Fast gleichzeitig hatte sich seinerzeit auch
       der heutige Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir ein fragwürdiges Privatdarlehen
       geben lassen. Özdemir hatte in seiner Jungpolitikerzeit brutto mit netto
       verwechselt und konnte eine fällige Steuernachforderung über 80.000 Mark
       nicht zahlen.
       
       Statt sich an eine Bank zu wenden, lieh er sich den Betrag zu
       Vorzugskonditionen bei dem PR-Unternehmer und Kontakte-Händler Moritz
       Hunzinger. Die Aufregung war groß, er trat zurück und ging mehrere Jahre in
       einem amerikanischen Think-Tank auf Tauchstation, bevor er, strahlender als
       zuvor, auf die politische Bühne zurückkehrte.
       
       Auch der ehemalige niedersächsische Minister- und spätere Bundespräsident
       Christian Wulff scheint eine Abneigung gegenüber Banken zu haben. Das
       Privatdarlehen seines Freundes Egon Geerkens war der zündende Funke der
       „Wulff-Affäre“, die die Leitartikler derart entzündete, dass sie den
       moralischen Stab über den Präsidenten brachen.
       
       ## Ein anderes Maß
       
       Anders als die Genannten kommt Otto Normalverbraucher erst gar nicht in die
       Gelegenheit, sich über ein beruflich sensibles Privatdarlehen Gedanken zu
       machen. Jeder Beamte macht sich strafbar, wenn er einen geldwerten Vorteil
       im Wert von mehr als 20 Euro annimmt. Da wird offenbar mit einem etwas
       anderen Maß gemessen.
       
       Die Kleinen hängt man, die Großkopferten schreiben die Gesetze. Solange das
       Strafgesetzbuch bei den Korruptionsparagrafen ein Klassenrecht abbildet,
       das zwar Verfehlungen der Unter- und Mittelschicht nahezu lückenlos abdeckt
       und ahndet, ein elitäres Phänomen wie Privatdarlehen aber ausblendet, ist
       etwas faul. Eigentlich böte der Fall Hoeneß eine Steilvorlage für die
       Korruptionsbekämpfung. Doch leider nutzt die niemand.
       
       1 May 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jens Berger
       
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