# taz.de -- Eröffnungfeier des Kirchentags: Wird es wirklich Manna regnen?
       
       > Der Evangelischer Kirchentag wurde an der Elbe in protestantischer Kühle
       > eröffnet. Dabei fehlt der interreligiöse Dialog.
       
 (IMG) Bild: Ist gern in Hamburg: der evangelische Theologe und amtierende Bundespräsident Joachim Gauck
       
       HAMBURG taz | Nein, Bundespräsident Joachim Gauck wiederholte nicht in
       seinem Geleitwort zum [1][34. Evangelischen Kirchentag] sein Stunden zuvor
       veröffentlichtes Statement zur fehlenden Solidarität sehr vieler Gut- und
       Bestverdiener im Lande. Er sagte also nicht, Steuerhinterziehung sei
       „asozial“. Der Protestant aus Mecklenburg, der schon zu DDR-Zeiten Hierarch
       der Kirchentagsbewegung seines Landes war, begrüßte das Publikum in
       Hamburgs Hafencity mit der gesellig gestimmten Zeile: „Ja, da bin ich.“
       
       Und Minuten später bekräftigte er: „Ich bin gern hier.“ Doch wie schade,
       dass er es dabei beließ, das Mindeste zu dieser größten Laienversammlung
       protestantischer Christen in der Bundesrepublik nur zu sagen: Dass von nun
       an eine „Zeitansage“ zu erwarten sei, fünf Tage Singen und Beten und Denken
       und Austauschen – ein im Geiste Martin Luthers gesinntes „Manna“, das da
       vom Himmel regnen müsse.
       
       Denn das sei das, was das Kirchentagsmotto meine: „Soviel du brauchst.“
       Gerade protestantische Christen fühlten sich, zumal in der Zeit des letzten
       deutschen Nachkriegs, stets unberufen berufen, die Zeitläufte
       durchzudeklinieren. Und das soll nun auch wieder in besonders plenarer Form
       – 150.000 Menschen werden zu diesem Event erwartet – in Hamburg bei diesem
       Treffen der Fall sein.
       
       Hamburgs Bischöfin Kirsten Fehrs bekräftigte diesen Anspruch, die Bedeutung
       der Welt wie die Bedeutsamkeit christlicher Interpretation zu verkörpern.
       Kein Redner stand ihr nach, alle priesen das gleiche: Es möge ein Fest
       sein, dass sich einmischt und die Verhältnisse des Lebens prüft.
       
       ## Gentrifizierung
       
       Irritierend wenigstens, um ein christliches Worthülselchen zu nehmen, „ein
       Stück weit“, dass die Eröffnungszeremonie gerade in jenem Viertel Hamburgs
       abgehalten wurde, das wie kein anderes für Gentrifizierung, die
       Unmöglichkeit halbwegs günstiger Lebensverhältnisse in einer Metropole und
       die Abkehr von Mulitkulturalität steht.
       
       Die Hafencity, die in den TV-Bildern von der Eröffnung obendrein eine
       perfekt bleiern-bläuliche Kulisse bot, ist ein Viertel, in dem eine
       „Steuersenkungs- und Verantwortlungslosigkeitspartei“ (so ein
       Kirchentagsbesucher auf dem Weg in die Stuhlreihen der Zeremonie) wie die
       FDP besonders hohe Werte erzielt.
       
       Hier sieht Hamburg kalt und modern und astrein aussieht, fast wie eine
       avartarische Anordnung körperferner Sterilität. In diesem Setting wirkten
       die Posaunenklänge, die leider dünnstimmigen Soulschnipsel von der Bühne
       und die getragenen Weisen des Chores besonders befremdend. Zeigte man einem
       italienischen Katholiken Bilder von dieser Veranstaltung, würde der
       zuverlässig sagen: Na, der Vatikan spinnt krasser – aber es sieht einfach
       besser aus.
       
       Was schließlich Olaf Scholz, Hamburgs Bürgermeister, am Ende des Aktes
       sagte, war das politischste dieser Versammlung überhaupt: Dass die Stadt
       bezahlbaren Wohnraum brauche, dass sie bewohnbar bleiben müsse – und für
       alle da sei. Nun, seine Partei ist in dieser Hinsicht in der
       Kommunalpolitik auch nicht gerade die drängendste Kraft. Applaus gab es für
       diesen Politiker dennoch großzügig.
       
       ## Katholisches Grußwort
       
       Seltsam mutete freilich an, dass ein katholischer Würdenträger Grußworte
       übermitteln durfte und dass, ganz in diesem brückenbauenden Sinne, generell
       darauf verwiesen wurde, dass der Glaube das Gute beflügeln könnte. Nur:
       Warum ein Katholik diesen Architekten gläubiger Mentalitäen geben konnte,
       nicht jedoch ein Mensch einer der anderen Religionen des Landes und der
       Gastgeberstadt, musste ein Rätsel bleiben.
       
       Nimmt man mit „Soviel du brauchst“ das Motto der kommenden Tage ernst,
       hätte man es auch als eine Einladung an die muslimischen Communities deuten
       können: Was hinderte die Kirchentagsorganisation eigentlich daran, einen an
       Allah Glaubenden oder einen, der das Jüdische repräsentiert, sprechend
       einzuladen? Eine kühle, eine beinah routinierte Eröffnung der vertanen
       Chancen.
       
       1 May 2013
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.kirchentag.de/aktuell-2013/religion-glaube/mittwoch/1-egd-alles-aga.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Feddersen
       
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