# taz.de -- Massenproteste in Bangladesch: Straßenschlacht gegen Blasphemie
       
       > Hunderttausende Islamisten gehen auf die Straße – gegen Gotteslästerung
       > und für härtere Geschlechtertrennung. Die Regierung greift hart durch.
       
 (IMG) Bild: Ein Polizist während der Proteste in Dhaka
       
       DHAKA taz | Es war als wäre die Innenstadt Dhakas von einem weißen Meer
       geflutet worden: Am Sonntag demonstrierten in der Hauptstadt Bangladeschs
       rund 200.000 Islamisten für eine Todesstrafe auf Blasphemie, für die
       Wiedereinführung des Bezugs auf Gott in der Verfassung und für strikte
       Geschlechtertrennung. Konsequent blieb die Demonstration der islamistischen
       Partei Hefajat-e-Islam (HI) eine ausschließlich männliche Angelegenheit,
       deren weiße Gewänder und Mützen das Finanzviertel der Stadt füllten. „Tod
       den Atheisten“, schallte es durch die Straßen.
       
       Die Forderungen der HI hatte Regierungschefin Sheikh Hasina bereits vor der
       Demonstration abgelehnt, da Blasphemie bereits durch bestehende Gesetze
       ausreichend geahndet werde. Dennoch genehmigte die Regierung die
       Demonstration, forderte die Islamisten aber auf friedlich zu bleiben und
       die Stadt am Abend wieder zu verlassen. In der Nacht eskalierte dann die
       Lage, als HI-Funktionäre erklärten, dass sie die Innenstadt besetzt halten
       wollten, bis ihre Forderungen erfüllt würden.
       
       Vor der größten Moschee Dhakas kam es zu Auseinandersetzungen mit der
       Polizei. Bei den Krawallen zündeten die Islamisten mehrere Läden, Autos und
       eine Polizeiwache an, die Polizei hingegen setzte neben Gummigeschossen und
       Tränengas auch scharfe Munition ein. Bis zum Morgen starben 22 Menschen,
       darunter auch drei Polizisten. In der Nacht gelang es der Polizei, den
       Paramilitärs und Grenzschützern die Innenstadt zu räumen. Wie die örtliche
       [1][Tageszeitung „Daily Star“] berichtet, trieben sie die Islamisten in
       Seitenstraßen. Während einigen die Flucht gelang, zeigten Pressebilder wie
       Hunderte HI-Anhänger mit erhobenen Händen von der Polizei wegeskortiert
       wurden.
       
       Die HI ist eine vergleichsweise neue Erscheinung in der politischen
       Landschaft Bangladeschs. Umso erstaunlicher ist, wie viele Menschen den
       Aufruf der Partei folgten, auf die Straße zu gehen. Bereits bei einer
       Massendemonstration im April hatte HI mehr als 100.000 Menschen aus ganz
       Bangladesch in die Hauptstadt mobilisiert.
       
       ## Angriff auf den Islam
       
       Anlass für den plötzlichen Zulauf waren die Shahbagh-Proteste im Februar,
       die unter anderem von offen atheistischen Bloggern angestoßen wurden.
       Zehntausende waren damals auf die Straße gegangen, als ein Kriegsverbrecher
       aus dem Unabhängigkeitskrieg 1971 zu einer lebenslangen Haftstrafe
       verurteilt wurde – die Demonstranten forderten seine Erhängung. Er und die
       zwei weiteren bisher verurteilten Kriegsverbrecher gehören allesamt der
       prominenteren islamistischen Partei Jamaat-e-Islami (JI) an.
       
       Die Shahbagh-Proteste richteten sich deshalb auch gegen Islamisten, was von
       vielen Menschen als Angriff auf den Islam verstanden wurde. Während die
       öffentliche Disqualifizierung der JI als Kriegsverbrecherpartei der HI eine
       politische Lücke öffnete, verhalf ihr der populistische Aufruf zum „Schutz
       des Islam“ zum Aufschwung.
       
       Zugleich ist die HI ein Teil des Machtkampfes vor den Parlamentswahlen im
       Herbst zwischen den zwei Volksparteien des Landes, der regierenden Awami
       Liga und der BNP. Die bisherige Regelung, dass die Wahlen von einer
       neutralen Interimsregierung durchgeführt werden, hat die Awami Liga
       abgeschafft.
       
       Die BNP befürchtet nun Wahlfälschung und fordert eine „unparteiische
       Regierung“ für die Wahlen. Seit Wochen legen die Oppositionsparteien das
       Land mit regelmäßigen Generalstreiks lahm. Auch die Demonstration der HI
       wurde von der BNP unterstützt.
       
       Nach der Demonstration hat die Polizei nun weitere Kundgebungen in der
       Hauptstadt verboten, so dass auch ein Protest der Regierungspartei abgesagt
       werden musste. Auch das inzwischen weniger besuchte Protestcamp in Shahbagh
       wurde geräumt. Zugleich ließ die Regierung zwei Fernsehsender schließen,
       die unter anderem der BNP under JI nahestanden. Die BNP wiederum verteilte
       Essen und Wasser an HI-Anhänger in der Stadt und protestierte gegen
       Übergriffe der Sicherheitskräfte.
       
       6 May 2013
       
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