# taz.de -- Meat Loaf in Hamburg: Papst Benedikt und der Auto-Sex
       
       > Meat Loaf ist jetzt 65 und hat keine Lust mehr auf große Bühnen. Warum
       > das so ist, zeigte sich bei seinem trostlosen Abschiedskonzert in
       > Hamburg.
       
 (IMG) Bild: Geht auch da hin, wo es weh tut: Meat Loaf auf Abschiedstour.
       
       HAMBURG taz | Wer Abschied nehmen will, braucht Geduld. Die Fans sind
       pünktlich erschienen in der Hamburger O2-World, haben sich von den
       Platzanweisern ihre Sitze zeigen lassen und warten, dass es los geht. Um 20
       Uhr sollte die Show beginnen und dauern sollte sie zweieinhalb Stunden.
       Macht 22:30 Uhr, was spät ist für einen Sonntagabend, schließlich muss man
       noch heimfahren und am Montag wieder raus. Wird Zeit, dass Meat Loaf kommt.
       
       Gegen 20:30 Uhr geht das Saallicht aus, und Meat Loaf kommt aber immer noch
       nicht. Statt dessen läuft vom Band der Beatles-Song „When I’m sixty-four“.
       Die Zuschauer, über 7.000 und selbst im Durchschnitt um die 50, klatschen
       mit. Die meisten wissen, dass Meat Loaf nicht 64, sondern 65 Jahre alt ist.
       Und denen, die es nicht wussten, hat Meat Loaf hiermit gesagt: „Ich bin
       alt. Aber ihr müsst mich weiter lieb haben.“
       
       Tatsächlich ist es mit Meat Loaf so wie mit Papst Benedikt: Als er die
       Bühne betritt, wirkt er älter, als erwartet. Sein Knie ist nicht in
       Ordnung, also humpelt er. Den Kopf hält er oft nach unten, es sieht aus,
       als habe er einen Buckel. Wenn er anstrengende Passagen singt, zittert die
       Hand, in der er das Mikro hält. Dafür hat er abgenommen, was ihm aber nicht
       steht: Er sieht wacklig aus. Es ist seine Abschiedstournee, danach ist
       Schluss mit den großen Bühnen.
       
       Meat Loaf hat eine siebenköpfige Band mitgebracht und auch eine große
       Videoleinwand, auf der im ersten Teil des Konzerts bis zur Pause ein wilder
       Bildermix aus Sex, Gothic und Großstadt läuft. Wie angekündigt, folgt die
       Show einer klaren Ordnung: Im ersten Teil spielt Meat Loaf Songs von seinem
       Album „Dead Ringer“ (1981), im zweiten Teil spielt er die Songs von „Bat
       Out of Hell“ (1977) und zwar in der Reihenfolge, in der sie damals auch auf
       dem Album erschienen sind.
       
       ## Das Konzert wird zum Vortrag
       
       Abschied zu nehmen, das heißt zurückzuschauen. Nachdem „Dead Ringer“
       abgehakt ist, wechselt Meat Loaf die Form. Auf der Videoleinwand gibt es
       jetzt vor jedem „Bat Out of Hell“-Hit kurze Einspielungen, in denen
       Komponist Jim Steinman und die seinerzeit beteiligten Musiker erzählen, wie
       das gelaufen ist mit der Platte, dem Wahnsinns-Erfolg, dem
       Wahnsinns-Absturz, den Wahnsinns-Songs. Das Konzert wird zum Vortrag, die
       Blickrichtung ist: zurück.
       
       Die Unterbrechung nach jedem Song verhindert den Flow, auch dadurch hat es
       die Gegenwart an diesem Abend schwer. Möglicherweise ist diese Art des
       Abschieds die einzige, die Meat Loaf noch bleibt: Von der
       Vier-Oktaven-Stimme ist nicht mehr viel übrig, so sehr sich Meat Loaf auch
       müht und quält. Ist auch kein Wunder, schließlich unterliegt die Stimme
       denselben Alterungsprozessen, denen auch der Rest des Körpers unterliegt.
       
       Der Meat Loaf von heute und seine alten Hits, das ist, als würde man Franz
       Beckenbauer nochmal auf den Rasen schicken, um ein paar Traumpässe zu
       schlagen. Übrig ist nur noch die Ahnung, dass da mal was ging.
       
       ## 50-Jährige mit ergrauten Partnern
       
       Trotzdem geht Meat Loaf auch dahin, wo’s weh tut. Wie eh und je bringt er
       seine „Paradise by the Dashboard Light“-Nummer, bei der er den Teenie gibt,
       der beim Auto-Sex im Rausch der Hormone die Kontrolle verliert. Die Kluft
       zwischen erzählter sexueller Energie und tatsächlich vorhandener könnte
       nicht größer sein. Das ist im Publikum nicht anders: Viele der 50-Jährigen
       sind mit ihren ergrauten Partnern gekommen und wer alleine gekommen ist,
       geht hier sicher wieder alleine nach Hause.
       
       So traurig das alles ist, das Publikum nimmt Meat Loaf seinen Auftritt
       nicht krumm. Die meisten stehen die meiste Zeit anstatt zu sitzen, viele
       bewegen die Lippen, singen still jene Songs mit, die sie in und auswendig
       kennen. Sie haben ihre Erinnerungen, Meat Loaf hat seine. Man hat sich
       getroffen, um sich gemeinsam zu erinnern. Für viele dürfte es das erstmal
       seit langem gewesen sein, dass sie mal wieder auf ein Konzert gegangen
       sind. Und als kurz nach 23 Uhr das Saallicht angeht schauen alle, dass sie
       heim kommen.
       
       6 May 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus Irler
 (DIR) Klaus Irler
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Sänger
 (DIR) Pop
       
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