# taz.de -- Gefahr saures Wasser: Alles Essig in der Arktis
       
       > Weil immer mehr CO2 in der Atmosphäre ist, werden die Ozeane saurer. Im
       > hohen Norden ist der Effekt besonders stark ausgeprägt.
       
 (IMG) Bild: Die Ozeane haben etwa die Hälfte des menschengemachten Kohlendioxidausstoßes aufgenommen
       
       STOCKHOLM taz | Schlangensterne sind filigrane Meeresbewohner. Tausende von
       Arten gibt es, sie bevölkern seit Millionen Jahren den Grund der Meere auf
       unserem Planeten. Noch in diesem Jahrhundert könnten sie aussterben. „Wenn
       wir [1][ihre Eier dem sauren Wasser] aussetzen, mit dem wir in einigen
       Jahrzehnten rechnen müssen, sterben sie binnen weniger Tage“, hat Sam
       Dupont, Forscher für marine und evolutionäre Biologie an der Universität
       Göteborg, bei entsprechenden Versuchen festgestellt.
       
       Am Mittwoch wird der Ministerkonferenz des „Arktischen Rats“, eine
       Organisation aller Arktis-Anrainerstaaten, im schwedischen Kiruna eine
       Studie über die Versauerung der arktischen Meere vorgelegt.
       
       Bereits vergangene Woche waren Resultate langjähriger Forschungen auf einer
       Expertenkonferenz im norwegischen Bergen präsentiert worden: Die Ozeane
       haben in der Vergangenheit demnach etwa die Hälfte des menschengemachten
       Kohlendioxidausstoßes aufgenommen und absorbieren derzeit noch rund ein
       Viertel davon, konstatierte dort der Ozeanograf Richard Bellerby vom
       Klimaforschungszentrum „Bjerknes Centre“.
       
       Deshalb sinkt der ph-Wert des Meerwassers. Weltweit habe die Versauerung
       des Oberflächenwassers in den Ozeanen in den letzten 200 Jahren um 30
       Prozent zugenommen. Besonders ausgeprägt ist diese Entwicklung in den
       arktischen Meeren.
       
       Weil CO2 von kaltem Wasser schneller aufgenommen wird, weil im Sommer
       infolge der zunehmenden Eisschmelze die Ausbreitung offener Meeresgebiete,
       die Kohlendioxid absorbieren, wächst und weil der steigende Zufluss an
       Schmelzwasser die Fähigkeit des Meers vermindert, diese Versauerung zu
       neutralisieren.
       
       ## Der Permafrost taut
       
       „Zusätzlich gelangt wegen des Auftauens von Permafrost organischer
       Kohlenstoff in dieses Meer“, sagte Bellerby. Bis zum Jahre 2100 werde der
       arktische Ozean deshalb doppelt so sauer sein wie heute. Tritt diese
       Entwicklung ein, die Sam Dupont sogar noch als „optimistischstes Szenario“
       bewertet, wird es noch vor Ende des 21. Jahrhunderts keine Schlangensterne
       in der Arktis mehr geben.
       
       „Man könnte ja denken: Was kümmern uns diese Schlangensterne“, sagt Dupont.
       „Aber sie sind eben lebenswichtig für andere Arten, die deshalb ebenfalls
       vom Aussterben bedroht sind.“ Ein Dominoeffekt drohe. Zusätzlich
       problematisch sei, dass die marine Nahrungskette in der Arktis relativ
       einfach strukturiert sei und deshalb besonders empfindlich reagiere.
       
       „Veränderungen im marinen Ökosystem werden schnell Auswirkungen auf den
       kommerziellen Fischfang haben“, sagt auch Ussif Rashid Sumaila, Professor
       für Fischfangökonomie an der kanadischen Universität Vancouver, voraus.
       „Das wird die zentrale Lebensgrundlage der Menschen in den Arktisländern
       treffen“, so Sumaila.
       
       Doch das ist nicht alles. „Durch die Versauerung der Meere geschieht etwas
       bislang Einmaliges in der Menschheitsgeschichte“, meint Dupont: „Es ist
       faktisch das erste Mal, dass wir dabei sind, unseren ganzen Planeten zu
       verändern.“ Die Entwicklung gehe dabei so schnell vor sich, dass die
       meisten marinen Arten keine Chance hätten, sich an die geänderten
       Verhältnisse anzupassen: „Bleibt die Millionenfrage, welche Konsequenzen
       das haben wird“, gibt Dupont zu denken.
       
       15 May 2013
       
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