# taz.de -- Aufgeschreckte Couchpotatoes: Unter Armen in Südafrika
       
       > Eine Fair-Trade-Reise nach Südafrika ist nicht als Schnäppchen zu haben.
       > Die Unterkünfte sind zumeist nicht einfach und authentisch, sondern
       > höchster Standard.
       
 (IMG) Bild: Kinder im Township beim fotoshooting für Touristen.
       
       Neulich in Südafrika. Vera, gut verdienende Gymnasiallehrerin,
       Attac-Mitglied, macht jedes Jahr mindestens eine sinnvolle Reise. Zum
       Beispiel eine Fair-Trade-Reise nach Südafrika inklusive Townshipbesuch.
       Unmengen Kugelschreiber, Plüschtiere und Schokolade hatte sie mitgebracht.
       
       Sie kennt das von ihren zahlreichen Reisen in die Länder des Südens. Sie
       weiß Bescheid, vergleicht, bewertet und hat unendlich viele Geschichten von
       der ganzen Südhalbkugel auf Lager, die sie uns immer wieder gern und
       ausführlichst erzählt.
       
       Großzügig verteilt sie Stift um Stift unter den „süßen schwarzen Kindern“,
       erklärt ihnen geduldig einen Vierfarbenkuli und auch, dass diese Schokolade
       fair gehandelt ist: „von Armen wie hier produziert“.
       
       Sie spendiert an der Bar der Township Bier für die Männer, nicht ohne sie –
       trotz gelockerter Stimmung – mehrmals darauf hinzuweisen, wie sinnvoll es
       wäre, das Glas zu recyceln, statt es einfach in den Müll zu werfen. Vera
       ist unsere höchste moralische Instanz. Immer besser, gerechter, engagierter
       als alle anderen.
       
       Eine Fair-Trade-Tour nach Südafrika hat ihren Preis. Vera gibt viel Geld
       aus für ihre Reisen. Dabei legt sie großen Wert darauf, nicht ins
       Luxussegment zu geraten. Sie will es authentisch, nah, korrekt. Sie will
       organisierte Begegnung, Einsicht, Alltag. Luxus ist ihr ein Gräuel, sozial
       verdächtig, ungerecht.
       
       ## Ein kleines bisschen Selbstkasteiung
       
       „Fair Trade“, da schwingt ein kleines bisschen Selbstkasteiung, auf jeden
       Fall Gerechtigkeitssinn und Bescheidenheit mit. Dabei hatte Vera
       offensichtlich übersehen, dass gerade im Fair-Trade-Tourismus Südafrika die
       meisten Unterkünfte im oberen Segment liegen.
       
       Schicke Lodges, geschmackvoll eingerichtet, in bester Lage und das Personal
       von fast kolonialzeitlicher Dienstbeflissenheit. Keine durchgelegenen
       Matratzen, keine schmuddeligen Teppichböden, sondern höchster Standard,
       beste Küche in der Sternehostellerie. Das hat sich Vera nicht unter Fair
       Trade vorgestellt.
       
       Sie wünsche sich „keinen Pomp, keinen Luxus, sondern bescheidene
       Unterkünfte bei Einheimischen“, klagt sie. Doch diese Unterkünfte sind
       meistens nicht Fair-Trade-zertifiziert. Fair-Trade-Reisen sind ein Mittel-
       und Oberschichtskonsumprodukt mit einer sozialen Komponente, einem sozialen
       Accessoire. Mit deren Kauf hat Vera sich zwar politisch-moralisch
       positioniert, aber auch sozial verortet. Doch diese soziale Schranke
       verleugnet sie.
       
       Kein köstliches Dinner, keine noch so freundliche Belegschaft, die von den
       fairen Arbeitsbedingungen schwärmt, kann sie umstimmen. Sie fühlt sich um
       Authentizität, die harte Realität betrogen. Wir, ihre Mitreisenden, um den
       Genuss. Das ist nicht fair.
       
       18 May 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Edith Kresta
       
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