# taz.de -- Riskante Anlagetipps der Sparkasse: Im blinden Vertrauen
       
       > Die Sparkasse wird auf Schadensersatz verklagt, weil sie riskante Fonds
       > als sichere Anlage verkauft, über Provision geschwiegen haben soll. Kein
       > Einzelfall, sagen Anwälte.
       
 (IMG) Bild: Die Hoffnungen der Meyers in Windparks waren groß. Ihre Verluste waren es auch.
       
       Wolfgang Meyer* ist bei der Sparkasse, immer schon. Seit gut über 40 Jahre
       trägt der Rentner aus Bremen-Nord sein Geld dorthin, er kommt aus einer
       Zeit, als Berater noch Bankbeamte hießen. „Da hat man doch Vertrauen zu“,
       sagt Meyer. Hatte.
       
       Nun reichte er beim Landgericht Klage gegen die Sparkasse ein. Wegen
       Falschberatung. Es geht um Schadensersatz, um 50.000 Euro, seine
       Altersvorsorge. Und das, was Ökonomen einen „Totalverlust“ nennen.
       
       Alles fing 2006 an, zwei Jahre, bevor Meyer erwerbsunfähig wurde. Er hatte,
       ein paar Jahre zuvor, auf Anraten seiner Sparkasse, 50.000 Euro in einen
       Windpark-Fonds investiert. Der ist heute insolvent. „Zu wenig Wind“, sagt
       Meyer. Sein Verlust: rund 30.000 Euro. Also wurde er wieder bei seiner
       Sparkasse vorstellig. Eine Zusatzrente fürs Alter wollte er ja immer noch.
       Jederzeit kündbar sollte die Anlage sein. Und auf keinen Fall wollte er
       dabei sein Kapital aufs Spiel setzen. Meyer wiederholt das immer wieder.
       Seine Frau nickt dazu. Am Ende unterschrieb er seinerzeit für eine
       Beteiligung am „MPC Rendite-Fonds Leben plus VI“ und setzte nochmals 50.000
       Euro ein. Die Sparkasse, sagt ihm sein Anwalt Jörg Wegner heute, hat ihm
       das „angeschnackt“.
       
       Wolfgang Meyer, aber das war ihm wohl nicht klar, wurde Kommanditist, also
       Gesellschafter – mit dem vollen Risiko, wie das bei Personenunternehmen
       üblich ist. Also auch dem des Totalverlustes. Er hat sein Geld bis 2021
       festgelegt. Eine vorherige Kündigung ist ausgeschlossen.
       
       Das Angebot richte sich an Personen „mit eigener wirtschaftlicher
       Erfahrung“, die selbst „ein Gespür“ für die möglichen Risiken besitzen,
       heißt es in dem 120-seitigen Emissionsprospekt. Und weiter: Angesichts
       einer Laufzeit von rund 16 Jahren sollten die Investoren „über einen
       entsprechenden Anlagehorizont“ verfügen. Im Prospekt eines ähnlichen Fonds
       aus dem Haus MPC heißt es sogar: „Die Vermögensanlage ist nicht für die
       Altersvorsorge geeignet.“
       
       Zwei Beratungstermine hatten die Meyers bei der Sparkasse, sagen sie, jeder
       eine knappe Stunde lang. Am Ende gab es ein zweiseitiges, standardisiertes
       Beratungsprotokoll, das gut 30 Punkte auflistet, über die in dieser Zeit
       aufgeklärt worden sein soll, „fondsobjektspezifische Aspekte“ etwa, das
       „Blind-Pool-Risiko“ und viele andere, jeweils mit Verweis auf entsprechende
       Seitenzahlen im Prospekt. Das alles wurde „keinesfalls“ mit den Meyers
       besprochen, sagt Wegner. „Eine ausführliche Beratung kann in dieser Zeit
       rein faktisch gar nicht stattgefunden haben“, heißt es in der Klageschrift.
       Wegner wirft der Sparkasse vor, sie habe die Meyers „wohl bewusst im
       Unklaren gelassen“, was ihnen im Ernstfall droht. Die „wahren Risiken“, so
       Wegner, seien ihnen erst 2012 bekannt geworden. Sonst hätten sie ja nicht
       investiert.
       
       „Wir haben auch hier selbstverständlich eine umfassende Prüfung der Sach
       und Rechtslage vorgenommen“ schreibt die Sparkasse Bremen dazu. Sie sei
       jedoch zu dem Ergebnis gekommen, dass Herr Meyer „sowohl anleger als auch
       anlagegerecht beraten wurde“. Er hatte ja auch nicht zum ersten Mal in
       einen Fonds investiert.
       
       2012 mehrten sich die Meldungen, die vor diesem MPC-Fonds warnten. Er
       handelt mit „gebrauchten“ Lebensversicherungen, die am Zweitmarkt erworben
       werden. Der Deal: Der Fonds übernahm die Beiträge und kassierte dafür
       später die Versicherungssumme. Doch das Geschäft lief schlecht. Ende
       vergangenen Jahres gab MPC bekannt, dass der Fonds das investierte Geld
       nicht wird zurückzahlen können, dass Verluste von bis zu einem Drittel und
       mehr zu befürchten seien. Meyer sagt, er habe einmal 400 Euro aus dem Fonds
       bekommen, sonst nichts.
       
       Das Geschäft mit Kapitallebensversicherungen, mit denen in den
       Neunzigerjahren noch Renditen von etwa acht Prozent zu erzielen waren, lief
       über die Jahre immer schlechter: 2004 etwa warfen sie noch rund fünf
       Prozent ab. Der Emissionsprospekt geht dennoch von einer konstant
       steigenden Verzinsung aus – von durchschnittlich 5,89 Prozent. „Da ist mit
       einem Zins gerechnet worden, der völlig konträr zur Marktentwicklung ist“,
       sagt Jens-Peter Gieschen, ein Bremer Anwalt für Wirtschafts und
       Anlagerecht. Doch die Meyers wurden nicht stutzig. Sie hatten ja Vertrauen.
       Und der Fonds, das sagt auch Gieschen, wurde als „total sichere“ Anlage
       verkauft. Vornehmlich von Sparkassen, aber auch von der Commerzbank.
       Vielleicht haben sich die Meyers von den schönen Versprechungen im Prospekt
       allzu sehr blenden lassen. „Die Renditeerwartungen dort hatten und haben
       nichts mit der Wirklichkeit zu tun“, so Wegner. „Die Anleger stehen vor
       einem Trümmerhaufen“, sagt Gieschen.
       
       Die Berater der Sparkassen indes hatten ein ganz besonderes Eigeninteresse,
       Anlagen wie diesen MPC Rendite-Fonds zu verkaufen: Sie bekamen Provision
       dafür. Wie viel genau, dazu sagte MPC nichts genaues. Da ist nur von 1,2
       Millionen Euro an Vermittlungsgebühren die Rede, bei einem Eigenkapital der
       Anleger von 100 Millionen Euro. Gieschen geht von einer Provision von
       sieben bis neun Prozent aus, das wären im Falle der Meyers wenigstens 3.500
       Euro.
       
       Sicher ist nur, dass der Bankberater die Meyers ungefragt hätte aufklären
       müssen (siehe Kasten). Dazu verpflichtet ihn die höchstrichterliche
       Rechtsprechung. Alles andere ist ein Beratungsfehler, für den die Bank
       Schadensersatz zahlen und das Geschäft rückabwickeln muss. Der Berater hat
       die Meyers aber „nicht aufgeklärt“, sagt Wegner. „Bei der Frage der
       Rückvergütungen gibt es unterschiedliche Rechtsauffassungen, die wir
       derzeit höchstrichterlich klären lassen“, sagt die Sparkasse.
       
       Die hat offenbar auch nicht dementiert, dass der Berater den Meyers nichts
       über seine Provision erzählt hat. Stattdessen hat sie, so schildert es
       Wegner in seiner Klageschrift, auf einen Herrn T. verwiesen, der als
       „Spezialist für Beteiligungen“ hinzugezogen worden sei. Und als Mitarbeiter
       einer 100-prozentigen Tochter der Sparkasse war der nicht
       aufklärungspflichtig. Doch die Meyers haben eidesstattlich versichert, dass
       sie Herrn T. nie gesehen haben. Haben sie dabei gelogen, droht ihnen im
       Ernstfall eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren. Die Sparkasse wiederum
       will auf Nachfrage der taz an dieser Stelle nichts weiter sagen.
       
       Dafür verweist sie auf ein außergerichtliches Schlichtungsverfahren. Der
       Ombudsmann habe festgestellt, dass die mit der Beschwerde geltend gemachten
       Forderungen unbegründet seien. Alle anderen Fragen seien strittig und
       müssten letztlich vom Gericht geklärt werden.
       
       Im übrigen verweist die Sparkasse darauf, dass sie ihre Kunden „umfassend
       gemäß ihrer Bedürfnisse und persönlichen Wünsche“ berate. Vom Magazin Focus
       Money hat sie für ihre Vor und Nachbetreuung, aber auch für ihre
       Sachgerechtigkeit „das beste Ergebnis aller Banken“ im Test erzielt. Für
       ihre „Kundengerechtigkeit“ gab’s sogar eine Eins vor dem Komma.
       
       Doch die Klage der Meyers über den MPC Rendite-Fonds ist kein Einzelfall.
       Gieschen etwa spricht von einer „ganzen Reihe von Verfahren“. Immer wieder
       geht es um Sparkassen, auch die Bremer. Auch andere Fachanwälte berichten
       immer wieder von ähnlichen Verfahren. Oft geht es um Sparkassen. Vielfach
       um RentnerInnen. Und immer wieder um verschwiegene Provisionen,
       Falschberatungen. Die Urteile stehen zumeist noch aus.
       
       Manche Sparkassen einigen sich außergerichtlich. Im Falle der Meyers sieht
       es momentan nicht danach aus.
       
       ## *Name geändert
       
       20 May 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Zier
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Altersvorsorge
 (DIR) Banken
       
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