# taz.de -- Kommentar Kita-Ausbau: Experiment am lebenden Kind
       
       > Die Bundesregierung hat den Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz für
       > Kleinstkinder nicht ordentlich umgesetzt. Dieses Experiment ist mehr als
       > riskant.
       
       Es ist der Horror aller Eltern: Sie geben ihren schutzbedüftigen Winzling
       in der Kita ab. Und wenn sie dann zur Arbeit fahren, rattert es im Gehirn:
       Bilder des schreienden Zwergs, den niemand tröstet. Bilder von schubsenden
       Zweijährigen, gegen die sich ein Kleinstkind nicht wehren kann. Kann
       passieren. Passiert auch – wenn zu wenig ErzieherInnen für zu viele Kinder
       da sein sollen.
       
       Die Umfrage der AWO zeigt, dass solche Sorgen durchaus realistisch sind. In
       mehr als der Hälfte der befragten Einrichtungen werden Gruppen vergrößert
       und die Altersmischung verändert: immer weniger Fachkräfte für immer mehr
       jüngere Kinder auf immer weniger Platz.
       
       Die Bundesregierung hat den Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz nicht genug
       unterfüttert. Wo war die Ausbildungsoffensive für ErzieherInnen? Wo die
       festen Qualitätsansprüche an die Einrichtungen? Warum werden 2,2 Milliarden
       Euro Betreuungsgeld nicht in die Kitas gesteckt?
       
       Nun wird der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz zur Zumutung: Wer den
       angebotenen Platz zu riskant findet, der hat Pech gehabt. Und wer wird das
       sein? Nicht die bürgerliche Mittelschicht: Sie werden eine private
       Einrichtung mit sauberem pädagogischen Konzept bezahlen. Oder Mami bleibt
       noch ein Jahr zu Hause, Geld genug ist da. Aber die Mütter und Väter, die
       zu wenig Geld haben und arbeiten müssen, und die MigrantInnen, denen
       erzählt wird, dass ihr Kind in der Kita so schön Deutsch lernt – die
       wundern sich über ihr unglückliches Kind, das nicht mehr in die Kita will.
       
       Ja, man kann in Kitas Sozialverhalten lernen und das Hirn trainieren. Man
       kann dort aber auch asoziales Verhalten lernen und zu ängstlich werden, um
       noch die Welt entdecken zu wollen – wenn niemand interveniert. Auf so ein
       Experiment an lebenden Kindern sollten wir verzichten.
       
       30 May 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Heide Oestreich
       
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