# taz.de -- Bericht zur Verbreitung von Atomwaffen: Abrüstung nicht in Sicht
       
       > Laut dem Friedensforschungsinstitut Sipri gibt es weltweit insgesamt
       > weniger Atomwaffen. Dennoch werden in vielen Ländern Arsenale
       > modernisiert oder aufgestockt.
       
 (IMG) Bild: Russische Topol-Rakete bei der jährlichen Parade auf dem Roten Platz.
       
       STOCKHOLM taz | „Wieder einmal gibt es wenig Hoffnung zu der Annahme, die
       Kernwaffenstaaten könnten wirklich bereit sein, ihre Nuklearwaffenarsenale
       aufzugeben.“ Was Shannon Kile, US-amerikanischer Nuklearwaffenforscher am
       Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri so diplomatisch formuliert,
       heißt im Klartext: Offenbar muss die Welt auf unabsehbare Zukunft mit der
       Bedrohung durch Atomwaffen leben, weil die Nuklearwaffenstaaten gar nicht
       daran denken, sich von dieser Waffe zu trennen – trotz aller
       Abrüstungsrhetorik.
       
       Laut der Daten, die Sipri in seinem Jahrbuch präsentiert, das am heutigen
       Montag veröffentlicht wird, hat sich zwar die Zahl der Nuklearwaffen von
       19.000 im Jahre 2011 auf 17.265 im vergangenen Jahr vermindert. Doch beruht
       das nahezu ausschließlich auf den Reduzierungsmaßnahmen, die die USA und
       Russland im „New START“-Abkommen von 2010 vereinbart hatten. Russland hat
       1.500 Sprengköpfe verschrottet und besitzt laut Sipri nun noch 7.500. Die
       USA hätten vergleichsweise 300 auf jetzt 7.700 abgebaut.
       
       Verschrottet wurde dabei offensichtlich nur das, was ohnehin ausgemustert
       werden musste. Und weder Russland noch die USA verminderten die Zahl ihrer
       „deployed warheads“, der mit „hoher operationeller Bereitschaft“
       unmittelbar einsatzbereiten Atomwaffen. 2.150 sind es bei den USA und 1.800
       in Russland.
       
       Auf Militärbasen Großbritanniens und Frankreichs kommen ebenfalls gleich
       bleibend weitere 160 bzw. 290 „deployed warheads“ hinzu. Diese beiden
       Länder haben die Gesamtzahl ihrer Nuklearsprengköpfe mit 225 bzw. 300 auch
       nicht reduziert, ebenso wenig wie Israel. Dort vermutet Sipri etwa 80
       einsatzbereite Sprengköpfe. 50 davon sind auf Mittelstreckenraketen
       platziert, der Rest sind ungelenkte Atombomben zum Abwurf aus
       Bombenflugzeugen.
       
       Während die USA und Russland veraltete Sprengköpfe verschrotten,
       unterhalten beide Länder gleichzeitig umfassende langfristige Programme zur
       Modernisierung ihrer Atomwaffenarsenale. Das mache deutlich, „dass diese
       Waffen für sie nach wie vor ein Symbol für internationalen Status und Macht
       sind“ sagt Shannon Kile.
       
       ## Neue Sprengköpfe in China, Indien und Pakistan
       
       Drei weitere Nuklearmächte haben nach Sipri-Erkenntnissen ihre
       Atomwaffenarsenale 2012 jeweils um etwa 10 neue Sprengköpfe aufgestockt:
       China, Indien und Pakistan. Diese Staaten hätten auch neue als
       Nuklearwaffenträger geeignete ballistische Raketen und Marschflugkörper
       entwickelt und bauten ihre Kapazität zur Produktion von spaltbarem Material
       stetig weiter aus. Was Nordkorea angeht, sei, so Sipri, nicht zu
       verifizieren, dass dieses Land über einsatzbereite Nuklearwaffen verfüge.
       
       Ähnlich pessimistisch wie in der Frage zukünftiger Fortschritte bei der
       atomaren Abrüstung ist Sipri bezüglich der Bemühungen, eine internationale
       Kontrolle über die Verwendung, die Produktion, den Handel und die Lagerung
       von Streubomben zu erreichen. Die 2008 unterzeichnete Konvention, die am 1.
       August 2010 in Kraft trat, sei von den Produktionsländern, wie den USA,
       Russland, Brasilien, China, Indien, Israel und Südkorea, nach wie vor nicht
       unterzeichnet bzw. ratifiziert worden.
       
       Es sei ein „großer Misserfolg“, dass es den Befürwortern der Konvention
       nicht gelungen sei, weitere Staaten von einer Unterschrift zu überzeugen,
       klagt das Friedensforschungsinstitut. „Solange die großen Produzenten
       außerhalb der Streubomben-Konvention stehen, können sie damit
       argumentieren, dass diese Munition ein ’legitimes‘ Mittel der Kriegführung
       und ein ’legitimes‘ militärindustrielles Produkt ist“, sagt die schwedische
       Sipri-Forscherin Lina Grip. „Auch wenn sich die meisten Produktionsländer
       der potenziell schwerwiegenden humanitären Folgen dieser Produkte durchaus
       bewusst sind.“
       
       3 Jun 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reinhard Wolff
       
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