# taz.de -- Kolumne American Pie: Plötzlich sauber
       
       > In der Major League Baseball geht man mit dem ausufernden Dopingfall um
       > die Schönheitsklinik Biogenesis erstaunlich ernsthaft um.
       
 (IMG) Bild: Melky Cabrera, verdächtiger Klinikkunde mit einschlägiger Vorsstrafe.
       
       Bud Selig ist 78 Jahre alt. Seit 1992 ist er der mächtigste Mann im
       Baseball. Im Herbst 2014 wird der Commissioner der Major League Baseball
       (MLB) endlich in Rente gehen. Bis dahin, so hat es nun den Anschein, will
       Selig in dem Sport, den er nun schon mehr als zwei Jahrzehnte lang
       verwaltet, noch mal richtig aufräumen.
       
       In den USA tut sich gerade Einmaliges. Erstmals scheinen sich die gern
       beschworenen Selbstreinigungskräfte des Sports tatsächlich zu entfalten.
       Während andere Sportfunktionäre gewöhnlich von Staatsanwälten oder
       Journalisten dazu genötigt werden müssen, ihr eigenes Regelwerk angemessen
       zu sanktionieren, entwickelt die MLB gerade einen unerwarteten Eifer in der
       Aufklärung ihres aktuellen Dopingskandals um die Schönheitsklinik
       Biogenesis of America. An dessen Ende könnte ein ungeheurer Schaden für das
       Image und den Umsatz der von Selig geleiteten Liga stehen.
       
       Doch das scheint diesem egal zu sein. Dass sich unter den 20 Spielern, die
       Anthony Bosch, der ehemalige Leiter der mittlerweile geschlossenen Klinik
       in Florida ans Messer liefern will, [1][Alex Rodriguez], der bestbezahlte
       Baseball-Profi aller Zeiten, der fünffache All-Star [2][Ryan Braun] und
       [3][Melky Cabrera], der Star der Toronto Blue Jays befinden sollen, treibt
       ihn eher an. Denn alle sind keine Ersttäter: Rodriguez hat gestanden, in
       den frühen nuller Jahren gedopt zu haben, Cabrera saß in der vergangenen
       Saison eine 50-Spiele-Sperre wegen unnatürlich hoher Testosteronwerte ab
       und Braun ist positiv getestet worden, konnte aber wegen eines
       Verfahrensfehlers [4][eine Sperre verhindern].
       
       ## Mit erhobenem Kopf in den Ruhestand
       
       Der Obmann des Schiedsgerichts, das Braun vom Haken ließ, hat die MLB
       mittlerweile gefeuert. Eins von vielen Anzeichen, dass Selig es nun ernst
       meint. „Nachdem man Selig kritisiert hat, dass er in den neunziger Jahren
       nichts gegen das Anabolika-Doping unternommen hat“, zitiert die [5][Daily
       News] einen Insider aus Seligs Umfeld, „ist er jetzt fest entschlossen mit
       erhobenen Kopf in den Ruhestand zu gehen.“
       
       Selig hat – und das gegen den Widerstand der mächtigsten
       Spielergewerkschaft der Welt – im Baseball nicht nur seiner eigenen
       Einschätzung nach „das strengste Testprogramm im US-Sport“ installiert.
       Kritiker beklagen zwar, die Konsequenzen seien ein Witz. Tatsächlich
       klingen 50 Spiele Sperre für Erstsünder dramatischer, als sie sind, wenn
       eine Saison aus 162 Spielen besteht. Aber immerhin werden – im Gegensatz
       etwa zum europäischen Fußball – immer wieder auch prominente Spieler
       erwischt und gesperrt.
       
       Selig selbst äußert sich mit dem Hinweis, man sei „mitten in einer sehr
       komplexen Untersuchung“, nicht offiziell zu Biogenesis. Aber der Insider
       behauptet, den Spielern, denen Verbindungen zur Schönheitsklinik
       nachgewiesen werden, könnten langfristig, vielleicht sogar lebenslang
       gesperrt werden. Selig soll, so wird es kolportiert, den Leiter seiner
       Untersuchungskommission zehn bis zwölf Mal am Tag anrufen, um auf dem
       aktuellen Stand der Ermittlungen zu bleiben.
       
       Die werden sich noch Monate hinziehen. Ex-Klinikleiter Bosch ist nach einem
       Deal mit MLB, der ihm vermutlich ein Gerichtsverfahren erspart, zwar zur
       Kooperation bereit, aber als Drogendealer nicht unbedingt der
       vertrauenswürdigste Zeuge. Außerdem müssen alle Beschuldigten vernommen
       werden, dazu weitere Zeugen. Dann ist zu erwarten, dass gegen eventuell
       verhängte Sperren von den Betroffenen gerichtlich vorgegangen wird. Der
       momentan wegen einer Verletzung nicht aktive Rodriguez hat bereits den
       Rechtsanwalt, der seinem Kollegen Braun mit geschickten Winkelzügen eine
       Sperre ersparte, in sein Verteidigerteam aufgenommen. Doch die zu
       erwartenden Entschädigungsklagen, so der anonyme Informant der Daily News,
       würden Selig – kurz vor dem Ende seiner Amtszeit – nicht mehr kümmern: „Ihm
       geht es um sein Vermächtnis.“ THOMAS WINKLER
       
       13 Jun 2013
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.baseball-reference.com/players/r/rodrial01.shtml
 (DIR) [2] http://www.baseball-reference.com/players/b/braunry02.shtml
 (DIR) [3] http://www.baseball-reference.com/players/c/cabreme01.shtml
 (DIR) [4] /!ui=taz_akt_437961/
 (DIR) [5] http://www.nydailynews.com/sports/i-team/mlb-hopes-bosch-sitdown-bury-a-rod-article-1.1365801
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Thomas Winkler
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Baseball
 (DIR) Doping
 (DIR) Baseball
 (DIR) Baseball
 (DIR) MLB
 (DIR) Doping
 (DIR) NHL
 (DIR) Basketball
 (DIR) NHL
 (DIR) Fußball
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Kolumne American Pie: Ein Spiel und viele Todesfälle
       
       Die schwere Kopfverletzung von Matt Shoemaker, dem Pitcher der Los Angeles
       Angels, erinnert an die Gefahren eines so harmlos anmutenden Sports.
       
 (DIR) Deutscher in der Major League Baseball: Great Show, Herr Kepler
       
       Erst Torwart bei der Hertha, dann Tennisspieler und heute Profi in der
       Major League Baseball: die erstaunliche Karriere von Max Kepler.
       
 (DIR) Kolumne American Pie: Überaltert, überteuert
       
       Ein 39-Jähriger, der ein Jahr wegen Dopings gesperrt war, ist der
       Hoffnungsträger der New York Yankees. Das zeigt den Zustand des
       Baseballteams.
       
 (DIR) Dopingförderung in der BRD: Steuergelder für Anabolikaversuche
       
       Eine Studie der HU Berlin beschreibt systematische Dopingexperimente in
       Westdeutschland seit 1970 – auch an Minderjährigen. Das berichtet die
       „Süddeutsche”.
       
 (DIR) Eishockey in USA: Ein Großer für die kleinen Dinge
       
       Auch weil der Deutsche Dennis Seidenberg ein bestechend einfaches Eishockey
       spielt, liegen die Boston Bruins in der Finalserie vorn.
       
 (DIR) Kolumne American Pie: Tierchen-wechsel-dich
       
       Wie im nordamerikanischen Sport aus Hornissen Pelikane werden und warum ein
       Team nach Seen benannt ist, das am Meer zu Hause ist.
       
 (DIR) Kolumne American Pie: Brüchige Inspiration
       
       Louisville gewinnt die College-Meisterschaft im Basketball, doch im
       Mittelpunkt steht der verletzte Spieler Kevin Ware. Der Guard motivierte
       seine Team eindrucksvoll.
       
 (DIR) Kolumne American Pie: Paulus on Ice
       
       Jaromír Jágr spielt immer noch Eishockey. In Dallas präsentiert sich der
       arrogante Schnösel von einst als Vorbild für die Jüngeren.
       
 (DIR) Kolumne American Pie: Kicken für Rum
       
       Am Wochenende startet die Saison in der Major League Soccer. Die Freude
       über alternde Stars aus Europa hält sich in Grenzen.