# taz.de -- Eurokolumne: Holpriger Pas de deux
       
       > Keine Macht der Kommission! Der deutsch-französische Schulterschluss ist
       > das beherzte Bekenntnis, die Eurozone gemeinsam voranzubringen.
       
 (IMG) Bild: Auch in schlechten Zeiten: Deutschland und Frankreich im Schulterschluss.
       
       Vieles im deutsch-französischen Verhältnis mutet derzeit wie eine
       Seifenblase an, die dem Wind der Realpolitik nicht standhält. Auf dem
       G-8-Gipfel gab es eine starke britische Stimme zum Thema Steueroasen, eine
       vernehmbare britische und eine laute französische Stimme zu Syrien.
       Allerdings keinen deutsch-französischen Schulterschluss. Mal wieder.
       
       Das ist ein Jammer. Das Tandem Berlin/Paris könnte nämlich stark sein, wenn
       es französische Strategie und deutsche Wirtschaftskraft zusammenführen
       würde, Frankreich seine Wirtschaftsromantik und Deutschland seine
       strategische Verschlafenheit überwinden würde. Doch es hakt immer wieder.
       
       Wie holprig der Pas de deux derzeit ist, zeigte kürzlich eine ziemlich
       aufgeregte Debatte im deutschen und französischen Feuilleton. In der
       Debatte ging es um Alexandre Kojève, einen russischen Intellektuellen, der
       1945 in Paris an der Ecole Normale Superieure Hegel-Vorlesungen hielt und
       dort die Crème de la Crème der französischen Intellektuellen um sich
       scharte. Seine These: Der beste strategische Entwurf für Frankreich sei
       langfristig die Gründung einer „Lateinischen Union“ gegenüber einem
       Germanisch-Angelsächsischen Imperium, um das Land im Westen Europas der
       strukturellen deutschen Dominanz zu entziehen.
       
       Der Text, ein formidabler Griff ins Archiv des italienischen Philosophen
       Giorgio Agamben, fügte sich perfekt ein in die schwelende französische
       Debatte über die ökonomische Dominanz Deutschlands innerhalb der Eurozone:
       das „deutsche Modell“, das es zu kopieren gelte, um wirtschaftlichem
       Siechtum zu entrinnen. Diese Diskussion nährt natürlich die Sorge vor einem
       kulturellen Übergriff, der am Ende Frankreich in Europa marginalisieren
       könnte – weswegen François Hollande den spanisch-italienisch-französischen
       Widerstand gegen den deutschen Sparhammer choreografieren müsse.
       
       Das Ringen um den verstaubten Kojève-Text lässt einigen Einblick in den
       aktuellen Gemütszustand der deutsch-französischen Beziehungen zu. Zum Glück
       nahm sich die Politik das kulturelle Auseinanderdriften nicht zur
       Blaupause. Dies zeigt der einigermaßen überraschende deutsch-französische
       Schulterschluss vom Mai.
       
       ## „Merkollandische“ Fehde
       
       Zuvor hatte monatelang die „merkollandische“ Fehde das Verhältnis arg
       getrübt, dann trat das Tandem mal wieder etwas kräftiger in die Pedale. En
       passant entwarfen die Kernländer des Kontinents – noch mit feinen Strichen
       – Europa einfach neu: trans-, nicht mehr supranational,
       grenzüberschreitend, aber nicht mehr Brüssel-gesteuert, mit der Eurozone
       als Kern, der sich in seiner wirtschaftspolitischen Governance-Struktur
       gleichsam aus dem Koloss EU herausschält, mit einem permanenten
       Eurogruppen-Präsident als europäischem Finanzminister in spe?
       
       Das ist das eigentliche Novum des deutsch-französischen Papiers: Keine
       Macht der Kommission! Die Behörde ist weitgehend out aus der Koordinierung
       all jener neuen Politikbereiche, die jetzt im Rahmen der Eurogruppe stärker
       integriert werden sollen: Wirtschaft, Soziales, Steuern, Bildung,
       Innovation. Man mag dies bedauern – oder es als unvermeidbar betrachten: Es
       ist Europa, aber anders.
       
       Der deutsch-französische Schulterschluss ist das durchaus beherzte
       Bekenntnis, die Eurozone gemeinsam voranzubringen. Er trägt aber auch einen
       deutschen Subtext, der auf Frankreich und seine Befindlichkeiten Rücksicht
       nimmt. Frankreich muss reformieren, bekommt durch dieses Papier aber nicht
       nur mehr Zeit, sondern auch deutsche Rückendeckung und Entgegenkommen.
       
       Paris ist nämlich viel zu wichtig für Berlin, das die Geschicke Europas
       eben nicht alleine lenken kann. Mit einem geschwächten Frankreich an
       Deutschlands Seite kann Europa nicht gedeihen. Die deutsche Sorge nicht nur
       vor einem wirtschaftspolitischen Abdriften Frankreichs, sondern auch vor
       der inzwischen sehr problematischen Fragilisierung des dortigen politischen
       Systems ist groß – und berechtigt.
       
       22 Jun 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrike Guérot
       
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