# taz.de -- Fehmarnbelt und die Umwelt: Der beinahe unbemerkte Tunnelbau
       
       > Der Tunnelbau in der Ostsee hat angeblich keine negativen Folgen für
       > Flora und Fauna. Parallel wird zwischen Deutschland und Schweden ein
       > Tunnel geplant.
       
 (IMG) Bild: Ist dem Gewicht der künftigen schweren Güterzüge nicht gewachsen: Die 50 Jahre alte Fehmarnsund-Brücke muss ersetzt werden.
       
       HAMBURG taz | Der Bau eines Tunnels im Fehmarnbelt hat angeblich keine
       negativen Auswirkungen auf die Meeresumwelt. Zu diesem Schluss kommt die
       Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), welche die dänische
       Realisierungsgesellschaft Femern A/S jetzt dem dänischen Verkehrsminister
       Henrik Kristensen übergab.
       
       Laut der rund 2.000 Seiten umfassenden UVP würden speziell die Schweinswale
       vom Tunnelbau so gut wie gar nichts mitbekommen. Von den bis zu 3.000
       kleinen Tümmlern, die vorwiegend im Frühling und Sommer die Gewässer um die
       deutsche Insel Fehmarn als Aufzuchtregion für den Nachwuchs nutzen, würden
       rein rechnerisch nur etwa sechs Tiere belästigt. Weder Baulärm noch
       aufgewirbelte Sedimente würde die Meeressäuger sonderlich beeinträchtigen,
       heißt es in der Studie, die der taz in Auszügen vorliegt.
       
       Zwischen Fehmarn und dem dänischen Rødby soll für mindestens 5,5 Milliarden
       Euro der mit knapp 19 Kilometer „weltweit längste Auto- und
       Eisenbahntunnel“ erreichtet werden, wie Femern A/S schwärmt. Die
       Tunnelelemente für eine vierspurige Autobahn, zwei Bahngleise sowie Flucht-
       und Wartungswege werden an Land hergestellt, im Fehmarnbelt in einen zuvor
       ausgehobenen Graben abgesenkt und anschließend wieder mit Erde und Steinen
       bedeckt. Diese Rinne ist 18 Kilometer lang, 80 Meter breit und zehn Meter
       tief, der Aushub wird mit 15 Millionen Kubikmetern angegeben. Das alles
       sowie auch die Spundwände, die stellenweise in den Meeresboden getrieben
       werden, setzten die Schweinswale „nur kurzfristigen Emissionen“ aus. Zudem
       sei eine Trübung des Ostseewassers durch die Baggerarbeiten ebenfalls kein
       Problem für die kleinen Vettern der Delfine, weil diese sich durch Sonar
       und Ultraschall orientieren würden, so die Untersuchung.
       
       Umweltschützer halten die Schlussfolgerungen der Studie für beschönigend
       und fahrlässig. Der Fehmarnbelt sei „die Kinderstube der Schweinswale“, so
       der Naturschutzbund (Nabu) Schleswig-Holstein. Ein Absenktunnel schädig3
       während der sechsjährigen Dauerbaustelle durch den Bodenaushub die maritime
       Lebensumwelt und den Tourismus. Auch etliche Bürgermeister und
       Kurdirektoren der Region befürchten, dass Feriengäste jahrelang nicht in
       trübem Ostseewasser baden wollen.
       
       Mit der UVP beginnt eine knapp dreimonatige Frist zur Beteiligung der
       Öffentlichkeit. Das darauf fußende Baugesetz soll Ende 2014 ins dänische
       Parlament eingebracht werden. Baubeginn könnte ein Jahr später sein, die
       Fertigstellung ist für 2022 geplant.
       
       Damit aber kommen die Folgeprobleme erst in Norddeutschland an. Nach dem
       deutsch-dänischen Staatsvertrag von 2009 baut Dänemark den Tunnel in
       eigener Regie und auf eigene Kosten. Für die Straßen- und
       Schienenanbindungen an Land sind die beiden Staaten selbst verantwortlich.
       Und darum ist in der betroffenen Region Ostholstein zwischen Fehmarn und
       Lübeck ein heftiger Streit entbrannt.
       
       Für etwa 850 Millionen Euro wollen Bund und Deutsche Bahn die Autobahn A 1
       bis nach Fehmarn verlängern und die eingleisige Bahnstrecke nördlich von
       Lübeck zweigleisig ausbauen und elektrifizieren. Deutschland hat sich
       verpflichtet, beides sieben Jahre nach Eröffnung des Tunnels fertiggestellt
       zu haben – also etwa 2028 oder 2029.
       
       Vor allem die Ostseebäder an der Lübecker Bucht befürchten massive negative
       Auswirkungen auf den Tourismus. Denn auf der jetzigen Bahnstrecke an den
       Ortsrändern sollen täglich bis zu 76 schwere Güterzüge von bis zu 835
       Metern Länge vorbeidonnern. Das ist die Grundlage für ein laufendes
       Raumordnungsverfahren des Landes Schleswig-Holstein. Nach massiven
       Protesten aus den betroffenen Orten signalisierten kürzlich das
       Bundesverkehrsministerium und auch die Deutsche Bahn ein Einlenken.
       
       Er wolle eine Alternative prüfen lassen, sagte Bahnchef Rüdiger Grube vor
       zwei Wochen auf einer Bürgerveranstaltung im Ostseebad Timmendorfer Strand
       zu. Parallel zum laufenden Raumordnungsverfahren solle eine weitere
       Variante untersucht werden. Diese so genannte 2+1-Trasse sieht parallel zur
       alten Strecke eine neue Trasse mit zwei Gleisen für den Güter- und
       Fernverkehr zwischen Skandinavien und Hamburg vor, weiter landeinwärts,
       entlang der Autobahn 1. Damit deutete Grube an, dass die Bahn bereit sein
       dürfte, nicht die günstigste Strecke zu bauen, sondern die von der
       Bevölkerung akzeptierte. Er habe gelernt, dass „die billigste und
       schnellste Lösung nichts bringt, wenn sie nicht breit akzeptiert wird“, so
       Grube.
       
       Das aber hält die SPD-Bundestagsabgeordnete Bettina Hagedorn für eine
       „Vernebelungsstrategie“. Am vergangenen Freitag hatte der Bundestag auf
       seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause einen Antrag der
       Regierungskoalition im Eilverfahren und ohne Debatte durchgewunken. Darin
       wird die Bundesregierung aufgefordert, „eine sozial- und raumverträgliche
       Hinterlandanbindung“ zu gewährleisten – „im Rahmen der verfügbaren
       Haushaltsmittel“. Zudem solle die marode Fehmarnsund-Brücke möglichst durch
       einen Tunnel ersetzt werden, schlagen CDU/CSU und FDP vor.
       
       „Und im Himmel ist Jahrmarkt“, kommentiert Verkehrsexpertin Hagedorn diesen
       Beschluss. Da der Bundesverkehrswegeplan „dramatisch unterfinanziert ist“,
       gebe es für solche Versprechungen keine Grundlage. Zudem werde die
       Verbindung ohnehin deutlich teurer.
       
       Bereits 2009 hatte der Bundesrechnungshof eine Verdoppelung der
       veranschlagten Kosten von 850 Millionen Euro auf 1,7 Milliarden Euro
       vorhergesagt. Die jetzt in die Debatte gebrachte 2+1-Trasse versache nach
       Hagedorns Schätzung 300 bis 500 Millionen Euro Mehrkosten. Zudem schlüge
       nach ihrer Schätzung ein neuer Tunnel als Ersatz für die 50 Jahre alte
       Fehmarnsund-Brücke, welche nach Angaben der Deutschen Bahn dem Gewicht der
       künftigen schweren Güterzüge nicht gewachsen ist, mit zusätzlichen
       mindestens 500 Millionen Euro zu Buche schlagen. Und schon stünden unter
       dem Strich mindestens 2,5 bis 2,7 Milliarden Euro, die in den kommenden
       eineinhalb Jahrzehnten geplanter Bauzeit „die Drei- bis
       Vier-Milliarden-Euro-Marke sicher erreichen“ werden.
       
       Und das vor dem Hintergrund, dass bereits an einem Konkurrenzprojekt
       gebastelt wird. Auf Initiative der Industrie- und Handelskammer (IHK)
       Berlin arbeiten mehrere Verbände und Unternehmen an „zukunftsweisenden
       Projekten im Nord-Süd-Korridor“ zwischen Norwegen, Schweden, Dänemark und
       dem Raum Berlin-Brandenburg. Herzstück soll ein Bahntunnel in der Ostsee
       vom schwedischen Hafen Trelleborg nach Stralsund in Mecklenburg-Vorpommern
       sein, der Fahrzeiten zwischen Oslo und Berlin von fünf Stunden ermögliche –
       ohne den Umweg über Fehmarn, Lübeck und Hamburg.
       
       Die Planungen nehmen langsam Gestalt an. Erste geologische Untersuchungen
       haben nach IHK-Angaben nachgewiesen, dass der etwa 110 Kilometer lange
       Tunnel „technisch möglich“ ist. Eine erste vorsichtige Kostenschätzung
       spricht von 15 Milliarden Euro.
       
       30 Jun 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sven-Michael Veit
       
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