# taz.de -- Geplündertes Möwengelege: Gekreische um den Eierdieb
       
       > Naturschützer streiten: War es ein Mensch, der in der Überseestadt die
       > kompletten 600 Eier einer Möwenkolonie geraubt hat? Die Polizei ermittelt
       > in alle Richtungen.
       
 (IMG) Bild: So süß wären sie gewesen: In der Bremer Sturmmöwen-Kolonie sind 2012 noch zahlreiche Küken geschlüpft.
       
       Ist es eine Umwelt-Straftat? Ein Immobilien-Komplott oder nur das
       natürliche große Fressen? Etwa 600 Möweneier wurden in der Überseestadt aus
       einer Sturmmöwen-Kolonie geplündert, der komplette Nachwuchs bleibt aus.
       Der Bremer Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) erstattete Anzeige: Es
       komme nur ein Mensch als Täter in Frage und die Möwen sind besonders
       geschützt. „Unwahrscheinlich“ ist das für den Nabu Bremen. „Was sollte das
       Motiv sein?“ fragt deren Geschäftsführer Sönke Hoffmann.
       
       Entdeckt wurde der Raub, als Mitarbeiter der Ornithologischen Arbeitsgruppe
       des BUND ausgezogen waren, um die Jungvögel zu beringen. Die Kolonie liegt
       hinter dem Landmark-Tower in der Überseestadt. Dort wird neu gebaut. Der
       Brutplatz der Vögel wird bald mit Beton versiegelt sein und die
       Wissenschaftler wollen wissen, wo es die Vögel hinzieht.
       
       „Ende Mai war noch alles normal“, sagt Henning Kunze, Biologe beim BUND.
       Zehn Tage später sei dann das erste Mal aufgefallen, dass die Vögel sich
       ungewöhnlich verhielten. Ende Juni war dann klar: Es ist kein einziges
       Küken geschlüpft, die Eier verschwunden.
       
       ## Mensch unter Verdacht
       
       Der BUND forschte nach. Weder Eierschalen hätten die Wissenschaftler
       gefunden noch Hinweise auf natürliche Nesträuber wie Füchse, Marder oder
       Waschbären. Für Kunze ist klar: Es war ein Mensch, der die Eier abgesammelt
       hat.
       
       Aber nicht, um den Möwen wertvollen Baugrund abzutrotzen. Denn für die
       künftige Bebauung auf dem Brutplatz lägen ja Genehmigungen vor. Nein, Kunze
       sieht nur einen Grund, warum die Eier für Menschen interessant sein
       könnten: „zum Verzehr“.
       
       ## Armut macht Hemmungslos
       
       „Vor vielen Jahren war das in Deutschland Gang und Gäbe“, sagt Kunze. „Auf
       den Inseln waren die Bewohner sehr arm.“ Einen ähnlichen Hintergrund
       vermutet er nun in der Überseestadt. Der Verzehr ist eigentlich nur
       möglich, wenn noch keine Küken ausgebrütet wurden. Aber: „Wir wissen auch,
       dass es da unterschiedliche Hemmschwellen gibt“, so Kunze.
       
       „Möweneier schmecken etwas fischig“, sagt Peter Becker, stellvertretende
       Leiter des Instituts für Vogelforschung in Wilhelmshaven. Es sei „eine
       Geschmacksfrage“, sagt er, aber die Küstenbewohner daran gewöhnt. Dass
       Menschen eine ganze Kolonie ausräumen, hält er für unwahrscheinlich.
       
       Es könnten auch Raubvögel sein, die die Eier mitnehmen, sagt Becker,
       „Seeschwalben oder Habichte“. Eulen wiederum nähmen nur die Küken. Auch
       Ratten wären eine Möglichkeit, man müsse sehr genau hinschauen. Dass eine
       ganze Möwenkolonie von natürlichen Feinden ausgeraubt werde, komme vor:
       „Zuletzte auf der Wattenmeer-Insel Minsener Oog“, so Becker.
       
       Auch Sönke Hoffmann, Geschäftsführer der Naturschutzbunds (Nabu) in Bremen
       ist skeptisch. Er schätzt, dass eher der lange Winter die Brut zerstört hat
       und dann die Möwen untereinander die Eier gefuttert haben. Das gehe sehr
       schnell, so Hoffmann. Ein menschlicher Dieb hätte gesehen werden müssen und
       „einen guten Regenschirm gebraucht“, so Hoffmann.
       
       ## Dieben droht ein Möwen-Shitstorm
       
       Denn die Möwen wehren sich. Mit Kot. „Das ist deren Waffe, sagt Hoffmann.
       Bei einem Fuchs wirkt das, wenn den zehn Möwen vollscheißen“. Deshalb
       würden die Vögel in Kolonien brüten, und sich gegenseitig Schutz bieten.
       Dass nun arme Leute verantwortlich sein sollen, womöglich noch Osteuropäer,
       auf die die Angler gerne schimpften, dass sei „Stammtisch-Niveau.“ Ohnehin
       sei beim Verzehr Vorsicht geboten: „Möweneier sind sehr schnell mit
       Salmonellen belastet“, so Hoffmann.
       
       BUND-Mann Kunze machen Hoffmanns Vermutungen sauer. Nabu und BUND sind alte
       Konkurrenten. Was Hoffmann vorbringe sei „fachlich, vollkommen falsch“,
       sagt Kunze, Hoffmann „nur Zuschauer am Rande“: „Fakt ist, die Möwenkolonie
       wird von uns wissenschaftlich betreut“, so Kunze. Ein Dieb hätte nachts
       sehr wohl unbemerkt die Eier stehlen können. Die ausgewiesenen Fachleute
       hätten alles geprüft und erst dann Anzeige erstattet. „Wenn wir so etwas
       behaupten, dann wohlüberlegt. Wir lassen uns das nicht mit falschen
       Argumenten in Frage stellen.“
       
       Durch die Anzeige sind nun die professionellen Umweltdetektive mit der
       Sache betraut. „Unsere Abteilung für Umweltkriminalität prüft derzeit den
       Sachverhalt“, erklärte ein Polizeisprecher. „Es wird ermittelt wegen einer
       Straftat nach dem Naturschutzgesetz“, mehr Infos gebe es derzeit noch
       nicht. Die Polizei ermittle „in alle Richtungen“.
       
       4 Jul 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Georg Kirsche
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Bremen
 (DIR) Überseestadt
 (DIR) Bund
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA