# taz.de -- Tiere und ihre Rechte: Der Zoo-Streit
       
       > Auch wenn sich in den Tierparks im Lauf der Zeit viel verändert hat: So
       > alt wie die Haltung wilder Tiere in Gefangenschaft ist die Kritik daran.
       
 (IMG) Bild: So kann der Protest gegen Zoos ausehen: Demonstration am 30.1.2013 in Hagenbecks Tierpark
       
       Den Ton hat der Dichter Rainer Maria Rilke vorgegeben:
       
       „Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe so müd geworden, daß er nichts
       mehr hält. Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe und hinter tausend Stäben
       keine Welt. 
       
       Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte, der sich im allerkleinsten
       Kreise dreht, ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte, in der betäubt ein
       großer Wille steht. 
       
       Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille sich lautlos auf – Dann geht
       ein Bild hinein, geht durch der Glieder angespannte Stille – und hört im
       Herzen auf zu sein.“ 
       
       Im Gedicht „Der Panther“, erschienen 1903, verdichtet sich die ganze Kritik
       am Gefangenhalten von Wildtieren: Es stellt uns ein Raubtier vor Augen,
       dazu verdammt, träge hinter Gittern hin und her zu trotten – ohne Hoffnung
       auf Befreiung und abgeschnitten von seinem Lebensraum. Es zeigt den
       Überschuss an Kraft, der sich in stereotypem Verhalten fängt. Es lässt uns
       einen Blick in die verzweifelte Seele eines Mitgeschöpfs tun.
       
       Zehn Jahre später starb in Hamburg ein Mann, der den Zoologischen Garten
       revolutionierte: Carl Hagenbeck hatte die Gitter abgebaut und die Tiere
       durch Gräben getrennt. Er schuf Panoramen, in denen verschiedene
       Tiergruppen künstlicher Landschaften zu sehen waren. Doch auch nach 100
       Jahren und wiederholter Modernisierung: Kritik am Zoo gibt es bis heute –
       grundsätzliche, wie sie in Rilkes „Panther“ zum Ausdruck kommt, und
       spezifische: an bestimmten Zoos, an bestimmten Arten der Haltung und daran,
       dass bestimmte Tierarten gehalten werden.
       
       „Alle Zoos sind schlecht“, sagt etwa die Tierrechtsorganisation Animal
       Peace: „Sie rauben den Tieren ihr Grundrecht auf Freiheit und degradieren
       sie zu Karikaturen ihrer eigenen Art.“ Eine moderate Position vertritt der
       Deutsche Tierschutzbund: „Wir sind nicht gegen Zoos“, sagt Referent James
       Brückner, „pochen aber darauf, dass die Tiere möglichst artgerecht gehalten
       werden und ihre Bedürfnisse ausleben können.“
       
       Das würde wohl auch Peter Dollinger vom Verband Deutscher Zoodirektoren
       (VDZ) unterschreiben. Klar: Dass Zoos ihre Berechtigung haben, ist für ihn
       keine Frage. 32 Millionen Besucher strömten jährlich allein in die 50
       deutschen Tiergärten seines Verbandes, sagt er. Insgesamt seien es
       mindestens 60 Millionen. Deutschland habe die internationale Konvention
       über die Biologische Vielfalt unterzeichnet. „Das verpflichtet die
       Bundesregierung dazu, die Bevölkerung über die Biodiversität zu
       informieren“, erklärt Dollinger – und wo ginge das besser als im Zoo?
       
       ## Die Zoo-Richtlinie der EU
       
       In Deutschland, schätzt der VDZ, fallen insgesamt 600 Einrichtungen unter
       die Zoo-Richtlinie der Europäischen Union. Dazu gehören die 50
       wissenschaftlich geführten Zoos des Verbandes ebenso wie kommerzielle
       Tierparks, Wildgehege, Volieren und Aquarien. In Norddeutschland sind das
       einerseits Zoos mit einem Millionenpublikum wie in Hamburg und Hannover,
       daneben kleinere Einrichtungen wie der Wildpark Schwarze Berge, der
       Tierpark Neumünster oder auch der Vogelpark Walsrode.
       
       Das Problem sei eigentlich die Bezeichnung „Zoo“, sagt Richard Perron vom
       Verein Quantum Conservation in Varel. Der veranstaltet seit 1995 die
       jährliche Konferenz „Zoo-Kunft“ zu den Perspektiven der Branche. Aus
       Perrons Sicht hat sich viel Positives getan in den vergangenen 20 Jahren:
       Die Gehege wurden größer und natürlichen Habitaten nachempfunden. Die Tiere
       können sich zurückziehen, sie können klettern und werden beschäftigt.
       Gerade kleine Zoos allerdings hätten oft großen Nachholbedarf, weiß Perron:
       „Unter Umständen sollten sie geschlossen werden.“
       
       Die Tierschutzorganisation Peta kritisiert, dass der Mangel an
       Bewegungsmöglichkeiten und Beschäftigung in vielen Zoos die Tiere krank
       mache: Sie töteten andere, verstümmelten sich selbst, betrieben exzessive
       Körperpflege. Pinguine schwimmen neurotisch im Kreis, Raubkatzen laufen auf
       und ab.
       
       ## Artgerechte Haltung? Unmöglich!
       
       „Zoo bedeutet immer eine Einschränkung“, sagt James Brückner vom
       Tierschutzbund. Wenn das zu Verhaltensstörungen führe, die sich nicht
       beheben lassen, sei die Haltung des Tieres nicht zu verantworten. „Bei
       manchen Arten ist es fast unmöglich, sie artgerecht zu halten“, sagt er.
       Eisbären etwa seien es gewohnt, weite Strecken zurückzulegen. Auch die
       Haltung von Menschenaffen lehnt der Tierschutzbund ab – aus ethischen
       Gründen.
       
       „Beschäftigungsmangel ist ein potenzielles Problem“, räumt auch Dollinger
       vom Zoodirektoren-Verband ein. In vielen Köpfen existierten jedoch falsche
       Vorstellungen von den Bedürfnissen der Tiere: So brauche etwa ein Luchs ein
       Revier von 80 Quadratkilometern, weil nur dort entsprechend viele
       Beutetiere lebten – nicht aber, weil sein Laufbedürfnis so groß sei. Auch
       sei es Affen egal, ob sie an einem lebenden Baum turnten oder an einem
       Balken – Hauptsache klettern. Und verhaltensgestörte Tiere hätten häufig
       private Vorbesitzer gehabt.
       
       Für den VDZ können Zoos helfen, Arten zu erhalten, zu erforschen – und für
       sie zu werben: „Ein Tierfilm ersetzt nicht das unmittelbare Erlebnis“, sagt
       Dollinger. Daran hat der Tierschutzbund so seine Zweifel. Auch, weil viele
       Tiere in Gefangenschaft sich gerade nicht natürlich verhielten.
       
       Peta hat den Zoo in seiner heutiger Form zum Auslaufmodell erklärt: Die
       Tiergärten sollten zu Gnadenhöfen umfunktioniert, das Geld stattdessen für
       die Erhaltung der natürlichen Lebensräume ausgegeben werden. Der
       Tierschutzbund schlägt vor, die Zoos sollten sich auf einheimische Arten
       konzentrieren und auf solche, die gut auszuwildern seien. Sinnvoll sei es,
       wenn sich die Einrichtungen auf unterschiedliche Arten konzentrierten: „Es
       muss“, sagt James Brückner, nicht jeder Zoo Tiger haben.“
       
       ## Mehr dazu in der gedruckten Ausgabe der taz.am wochenende
       
       5 Jul 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gernot Knödler
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Landwirtschaft
 (DIR) Tierhaltung
       
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