# taz.de -- Pädagoge über Grundschulen: Rent a Lehrer (männlich)
       
       > Das Lehramtsstudium für Grundschulen ist unattraktiv für Männer. Mehrere
       > Projekte an Universitäten bemühen sich, das zu ändern. Christoph Fantini
       > macht in Bremen mit.
       
 (IMG) Bild: Immerhin gibt es noch männliche Kinder in den Grundschulen.
       
       taz: Herr Fantini, an mehreren Universitäten laufen Projekte, die mehr
       Männer für das Lehramtsstudium in der Grundschule gewinnen wollen. In
       Bremen gibt es die Initiative „Rent a teacherman“ – zu Deutsch: „Leihe dir
       einen männlichen Lehrer!“ Wie funktioniert das in der Praxis 
       
       Christoph Fantini: Bei unseren Vorrecherchen im Rahmen des Projekts „Männer
       in die Grundschule“ am Fachbereich Erziehungs- und Bildungswissenschaften
       haben wir festgestellt, dass im Bremer Durchschnitt 1,3 männliche Lehrer
       pro Grundschule unterrichten.
       
       Wie verteilt sich das? 
       
       Sehr unterschiedlich. Es gibt Grundschulen mit fünf männlichen Lehrkräften,
       allein in Bremen finden sich aber auch 15 Grundschulen, wo kein einziger
       Mann unterrichtet.
       
       Ist das so schlimm? 
       
       Ja, das ist ein zentrales Problem! Denn weder Jungen noch Mädchen sollten
       in Kindergarten und Grundschule den Eindruck bekommen, dass es
       ausschließlich Frauensache ist, sich um kleinere Kinder professionell zu
       kümmern. Deswegen habe ich durch meine Kontakte zu Studierenden die Idee
       entwickelt, männliche Studierende in solche männerfreien Grundschulen zu
       schicken.
       
       Wie läuft das Projekt? 
       
       „Rent a teacherman“ ist seit Herbst 2011 sehr erfolgreich. Acht
       Lehramtsstudenten sind derzeit an männerfreie Grundschulen „ausgeliehen“.
       Finanziert wird das über Honorarmittel der Bremer Senatorin für Bildung und
       Wissenschaft.
       
       Welche Erfahrungen machen die männlichen Lehramtsstudenten an den Schulen? 
       
       Das ist sehr spannend, was die erzählen. Wenn ein junger Student einsteigt
       und mit der Schulleiterin durch die Grundschule geht, dann – so hat mir
       einer berichtet – wird er schon bei diesem ersten Rundgang von den Kindern
       angesprochen: „Was machst du denn hier? Wenn er daraufhin erzählt, er wolle
       hier unterrichten, kommt die Reaktion: „Oh, endlich mal ein Mann! Spannend
       auch der Fall eines Gymnasial-Lehramtsstudenten, der in unser Projekt nur
       durch persönliche Anwerbung eingestiegen ist und am Anfang immer sagte:
       „Grundschule ist nichts für mich, nur Einmaleins und Pipapo!“ Der ist jetzt
       seit anderthalb Jahren konsequent dabei und begeistert davon. Er erlebt,
       dass es in der Primarstufe darum geht, Jungen und Mädchen Lust aufs Lernen
       zu machen. Das Fachliche rückt eher in den Hintergrund, doch die
       Fachdidaktik ist eine tolle Herausforderung.
       
       Manche feministisch orientierte Forscherinnen sprechen beim Thema
       Männermangel von einer „Dramatisierung des Geschlechts.“ Sie bestreiten zum
       Beispiel, dass männliche Vorbilder überhaupt notwendig sind – und warnen
       vor Rollenstereotypen. 
       
       Ich bin durch dieses Projekt viel in Grundschulen unterwegs und halte das
       für eine sehr akademische Debatte. In den Schulen treffen wir auf junge
       Lehrerinnen und Schulleiterinnen, die begeistert darauf reagieren, dass wir
       ihnen nette, ausgesuchte männliche Studenten anbieten.
       
       Was heißt das? 
       
       Die finden das toll, die sagen: „Der muss aber jetzt hierbleiben! Kann der
       nicht noch mehr Stunden machen?“ Da merkt man, dass das Gender-Thema
       theoretisch doch etwas anders debattiert wird, als es dann in der Praxis
       umgesetzt wird. Ich kann aus meiner durchaus auch theoretisch entwickelten
       Überzeugung nur sagen: „Gott sei Dank!“
       
       Vor drei Jahrzehnten betrug der Anteil der männlichen Lehrer an
       Grundschulen vierzig Prozent, inzwischen liegt er nur noch bei gut zwölf
       Prozent. Was haben Sie neben Ihrem konkreten Projekt für Ideen, diese Zahl
       wieder zu steigern? 
       
       In der Tat, seit Mitte der 1980er Jahre gehen die Zahlen drastisch runter.
       Eine wichtige Handlungsebene wäre eine Imagekampagne. Man muss die
       Vielfältigkeit und auch die fachliche Herausforderung der pädagogischen
       Arbeit in der Grundschule viel mehr an die Öffentlichkeit bringen. Leider
       ist gerade bei jungen Männern in der Phase der Berufsorientierung immer
       noch ein verqueres Bild von Grundschule im Kopf.
       
       Welches? 
       
       Dass es in der Primarstufe nur um Einmaleins, Singen und Basteln geht.
       Dabei werden auch unter dem Aspekt der Bildungsgerechtigkeit die
       entscheidenden Impulse in der Grundschule gesetzt. Überspitzt ausgedrückt,
       tüfteln die weiterführenden Schulen eigentlich nur noch an dem herum, was
       an der Grundschule geklappt hat und was nicht. Diese Profilierung der
       Grundschule, wie sie derzeit arbeitet, wenn sie gut ist, muss bekannt
       gemacht werden.
       
       Was erhoffen Sie sich davon? 
       
       Hoffentlich werden dann Männer, gerade Männer, die politisch engagiert und
       vielleicht auch noch mutig sind, sagen: Das ist eine Herausforderung als
       Mann, das ist eben kein Kinderkram oder Ähnliches.
       
       Im Feld der Frühpädagogik gibt es die vom Bundesfamilienministerium
       unterstützte Kampagne „Mehr Männer in Kitas“, die für den Erzieherberuf
       wirbt. Für die Schulen und den Lehrerberuf ist nichts Vergleichbares in
       Sicht. Warum eigentlich nicht? 
       
       Das liegt wohl am föderalen System in Deutschland, die Länder wollen im
       Bildungsbereich sehr autark sein. Zum Teil wird dieses Argument vonseiten
       der Bundespolitik aber auch vorgeschoben, um hier nichts zu investieren.
       Ich würde mich über eine bundesweite Kampagne freuen. In meinem eigenen
       Projekt merke ich, wie müßig und nervig es ist, immer wieder neuen
       Projektmittelchen hinterherzulaufen, um solche spannenden Sachen überhaupt
       machen zu können. Das ist eigentlich ein Unding und ich wünsche mir deshalb
       genau dasselbe wie im Kita-Bereich: eine Initiative, die in Berlin mit
       großem Stab koordiniert wird. So etwas brauchen wir unbedingt auch für das
       Grundschullehramt.
       
       18 Jul 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Thomas Gesterkamp
       
       ## TAGS
       
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