# taz.de -- Nachruf auf Helen Thomas: In der ersten Reihe
       
       > Helen Thomas war die erste Frau in der Männerdomäne des
       > US-Politikjournalismus. Nun ist die scharfzüngige Kolumnistin mit 92
       > Jahren gestorben.
       
 (IMG) Bild: Gezielte Fragen: Helen Thomas bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus in Jahr 2009.
       
       Fünf Jahrzehnte lang gehörte Helen Thomas zum Kern der
       White-House-Korrespondenten. Über zehn US-Präsidenten hat sie berichtet,
       von John F. Kennedy bis Barack Obama. Sie war die erste Frau in der
       Männerdomäne Politikjournalismus, die erste Präsidentin gleich mehrerer
       Journalistenverbände. Der Sitzplatz in der Mitte der ersten Reihe bei
       Pressekonferenzen der US-Präsidenten war ihr sicher. Jetzt ist Helen Thomas
       mit 92 Jahren in ihrem Washingtoner Appartment gestorben.
       
       Helen Thomas wurde 1920 als siebtes von neun Kindern einer libanesischen
       Einwandererfamilie in Winchester, Kentucky geboren. Ihr Vater war
       Analphabet - und die Eltern sorgten dafür, dass alle ihre Kinder eine gute
       Schulbildung bekamen. Die Famlie zog nach Detroit, Thomas studierte,
       arbeitete in der Schülerzeitung und wollte in den Journalismus.
       
       1942 zog sie auf der Suche nach Arbeit nach Washington, arbeitete kurz bei
       der Washington Daily News und bekam dann einen Job bei der United Press,
       später UPI. Erst 1960 gelang ihr der Durchbruch, als UPI sie auf die
       populäre First Lady Jackie Kennedy ansetzte.
       
       Aber das war immer noch Gesellschaftsberichterstattung, und Helen Thomas
       wollte in den politischen Teil wechseln. Aber sowohl das Pressecorps des
       Weißen Hauses als auch die Journalistenorganisationen, vom National Press
       Club über die White-House-Correspondents-Vereinigung bis zum Gridiron Club
       waren reine Männerdomänen. Thomas setzte alles daran, dem ein Ende zu
       setzen und schaffte das auch: Bis 1974 hatten alle Organisationen ihre Tore
       für Frauen geöffnet, später war Thomas die jeweils erste weibliche
       Vorsitzende aller drei Organisationen.
       
       ## Journalismus und Akupunktur
       
       Hatte sie sich in der Berichterstattung stets auf die nüchtern-distanzierte
       Nachricht konzentriert, waren ihre Fragen bei Pressekonferenzen berüchtigt.
       Präsident Gerald Ford sagte über sie, Thomas praktiziere „eine feine
       Mischung aus Journalismus und Akupunktur“. George W. Bush ließ sie drei
       Jahre lang keine einzige Frage stellen, weil Thomas als entschiedene
       Gegnerin des Irakkrieges bekannt war. Als er es dann schließlich doch tat,
       begann sie mit den Worten „Sie werden das bedauern“ eine wahre Tirade gegen
       den Präsidenten.
       
       Zu diesem Zeitpunkt hatte Thomas ihren Posten als Bürochefin von UPI
       aufgegeben: Im Jahr 2000 war UPI an die rechtsradikale Mun-Sekte verkauft
       worden, die auch die rechte Tageszeitung Washington Times herausgibt.
       Thomas wollte da nicht mitziehen und ging als Kolumnistin zum
       Medienunternehmen Hearst. Ihren Sitzplatz im Weißen Haus aber behielt sie.
       
       Jetzt konnte sie die nachrichtliche Zurückhaltung aufgeben und gab sich
       offen als das zu erkennen, was sie immer gewesen war: „Ich war vom Tag
       meiner Geburt an eine Linksliberale, und das werde ich auch bis zum Tod
       bleiben“, sagte sie 2004 in einem Interview.
       
       Das Ende ihrer journalistischen Karriere kam für ihre Fans schmerzlich, als
       2010 die Videoaufnahme einer Veranstaltung im Weißen Haus auftauchte: Juden
       sollten „verdammt noch mal aus Palästina verschwinden“ und dahin
       zurückgehen, wo sie hingehörten, vielleicht Polen oder Deutschland, hört
       man Thomas da sagen. Dass sie wenige Tage später die Aussage mit Bedauern
       und dem Wunsch nach Frieden im Nahen Osten zurücknahm, konnte sie politisch
       nicht mehr retten, und sie trat zurück.
       
       Doch in Erinnerung bleibt Helen Thomas als Vorreiterin des weiblichen
       Journalismus in den USA und als Institution in Washington, die mehr
       Präsidenten mit ihren Fragen in Erklärungsnöte gebracht hat als
       irgendjemand zuvor.
       
       21 Jul 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernd Pickert
       
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