# taz.de -- Inklusion in Schleswig-Holstein: Gefährliches Pflaster für Rollis
       
       > Eine Rollstuhlfahrerin verunglückte in Ratzeburg auf einem
       > Behindertenparkplatz. Jetzt kämpft sie für ein Grundsatzurteil - und
       > zieht bis vor das Bundesverfassungsgericht.
       
 (IMG) Bild: Garantiert nicht unbedingt eine Rollstuhl-freundliche Beschaffenheit: reservierter Behindertenparkplatz.
       
       RATZEBURG taz | Wenn eine Stadtverwaltung Parkplätze für Behinderte
       ausweist, müssten diese auch behindertengerecht sein – so lässt sich das
       wichtigste Argument einer Klage zusammenfassen, mit der sich in naher
       Zukunft das Bundesverfassungsgericht beschäftigen soll. Damit startet die
       Rollstuhlfahrerin Angelika Mincke die nächste Runde auf dem Instanzenweg.
       
       Seit Jahren schon streitet sich die Frau sich mit der Stadt Ratzeburg,
       nachdem sie auf einem Behinderten-Parkplatz vor dem Rathaus einen Unfall
       hatte. Bisher wiesen die Gerichte ihre Klagen ab, auch Prozesskostenhilfe
       erhielt sie nicht. Ihr Anwalt Oliver Tolmein geht davon aus, dass der Fall
       „grundsätzliche Bedeutung“ hat, schließlich werfe er eine
       klärungsbedürftige Rechtsfrage auf.
       
       Der Unfall, mit dem der Streit begann, ereignete sich im November des
       Jahres 2009. Angelika Mincke, die in einem Ort nahe der Kleinstadt
       Ratzeburg lebt, parkte im Zentrum auf einer der Flächen, die mit dem
       blau-weißen Zeichen für Behinderte reserviert sind.
       
       Beim Umsetzen in den Rollstuhl rutschten auf dem Kopfsteinpflaster des
       historischen Marktplatzes die Räder weg, Mincke stürzte und brach sich ein
       Bein. Hilflos blieb sie eine Weile liegen, bis sie gefunden wurde.
       
       ## Kein Schmerzensgeld
       
       Die streitbare Frau, die in einem selbst gegründeten Verein für
       Behindertenrechte aktiv ist, wollte ein Schmerzensgeld von der Stadt
       bekommen. Aber ein Gericht nach dem anderen lehnte das ab: Das Landgericht
       Lübeck wies bereits die Prozesskostenhilfe ab, da ein Prozess um
       Schmerzensgeld wenig Aussicht habe, da Mincke „durch ihre Lähmung keine
       Schmerzen empfinden konnte“.
       
       Vor allem aber ging es um die Frage, ob die Ratzeburger Stadtverwaltung
       nicht behindertengerechte Parkplätze ausgewiesen hatte. Hier befand erst
       das Lübecker Landgericht, dann das Schleswiger Oberlandesgericht, Mincke
       trage eine beträchtliche Mitschuld an ihrem Unfall: Das raue
       Kopfsteinpflaster sei „unschwer und offensichtlich erkennbar; die Gefahr
       warnte ausreichend vor sich selbst“, heißt es in einem Anwaltsschreiben der
       Stadt – eine Formulierung, die das Gericht übernahm (taz berichtete).
       
       In den verschiedenen Prozessen lautete ein weiteres Argument, Mincke habe
       den Platz gekannt – sie hatte öffentlich gegen Alltags-Barrieren
       protestiert und dabei auch auf das Rolli-unfreundliche Kopfsteinpflaster
       hingewiesen. Von „Risikobereitschaft der Antragstellerin“ ist die Rede, die
       eine mögliche Pflichtverletzung der Stadt „deutlich überwiege“.
       
       Mincke machte dennoch weiter. „Aufgeben gilt nicht!“, findet sie. Aber
       Anfang Juni wies das Oberlandesgericht Schleswig nach einem „bemerkenswert
       kurzen Rechtsstreit“ auch die Berufung zurück.
       
       ## Freibrief für Gemeinden
       
       Der Hamburger Anwalt Tolmein nennt die Entscheidung des Oberlandesgerichts
       willkürlich: „Es kann nicht hingenommen werden, dass Gemeinden einen
       Freibrief dafür erhalten, Behindertenparkplätze mit Barrieren zu errichten
       und den Behinderten vorgehalten wird, im Zweifelsfall seien sie zur
       Minimierung ihrer Risiken verpflichtet und dürften die Parkplätze halt
       nicht nutzen.“
       
       ## Lücke im Gesetz
       
       Zurzeit besteht allerdings eine rechtliche Lücke: Behindertenparkplätze
       werden zwar in einer Norm beschrieben, aber nur im Hinblick auf deren
       Breite, Länge und Gefälle. Zum Belag sagt die entsprechende Vorschrift
       nichts, daher ist Kopfsteinpflaster auch nicht verboten. Mincke wirbt
       derweil um Unterstützung, auch finanziell: Ohne Prozesskostenhilfe könnte
       die Verfassungsklage teuer für die Frührentnerin werden.
       
       22 Jul 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Esther Geisslinger
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schadensersatz
 (DIR) Senat
       
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