# taz.de -- Falschmeldung über Refugeecamp: Im Schlepptau des Boulevards
       
       > Medien berichten, dass ein Flüchtling am Oranienplatz eine Frau
       > vergewaltigt haben soll. Doch die Artikel sind durchgehend falsch.
       
 (IMG) Bild: Das Flüchtlingscamp am Oranienplatz in Berlin-Kreuzberg (Archivbild)
       
       BERLIN taz | Durch die Berliner Medien laufen Horrorberichte über das
       Flüchtlingscamp am Oranienplatz. „Eine Frau soll im Flüchtlingscamp
       missbraucht worden sein“, [1][schreibt der Tagesspiegel]. Die Berliner
       Zeitung [2][berichtet] von einer „mutmaßlichen Vergewaltigung einer
       Aktivistin durch einen ausländischen Campbewohner“. Bei der Bild-Zeitung
       [3][heißt es sogar]: „Mindestens drei Frauen sollen im Camp vergewaltigt
       worden sein.“
       
       Auf Grundlage dieser Berichte droht Innenstaatssekretär Bernd Krömer (CDU)
       [4][in der Bild-Zeitung mit einer Räumung des Camps]: „Der Senat duldet
       keinen rechtsfreien Raum. Der Bezirk hat diese Situation herbeigeführt,
       indem er das Camp duldet. Der Senat prüft jetzt aber, ob eine Schwelle
       überschritten worden ist und die Bezirksaufsicht einschreiten muss.“
       
       Allerdings: Die Berichte sind allesamt falsch.
       
       Auslöser der Berichte ist ein Text, der Ende Mai auf der linken
       Internetplattform Indymedia [5][eingestellt wurde]. Eine „Supporterin“,
       also eine Unterstützerin der Flüchtlinge, berichtet dort von „Anmachen,
       Sprüchen und Annäherungen“ durch „männliche Refugees/Supporters“ im Camp.
       "Mein persönlicher Kontakt zu besonders einem Mann innerhalb der
       Campstruktur wurde sehr eng", schreibt sie, "bis es schließlich zu der
       Situation kam, dass er sich nahm, was ihm, seiner Ansicht nach, zustand".
       
       Die Frau schildert, sie habe sich in der Folgezeit an andere Aktivistinnen
       im Protestcamp gewandt: „Die ersten Reaktionen auf mein Erlebnis waren
       erniedrigend und beschämend. Es reichte von ’du bist ja auch freiwillig in
       die Wohnung gegangen‘ bis ’ich habe den Eindruck, du willst das‘.“ Sie sei
       daraufhin nie wieder in das Camp gegangen. Bei der Polizei habe sie keine
       Anzeige erstattet, da sie sich „den Verhören nicht aussetzen konnte oder
       wollte“.
       
       Die Boulevardzeitung B.Z. [6][berichtete] vor einer Woche als erste Zeitung
       über die Vorwürfe. Die Polizei leitete daraufhin von Amts wegen
       Ermittlungen ein. Nun sprangen auch andere Medien auf. Dass es sich bei dem
       Täter um einen Flüchtling handelt, wurde in vielen Berichten entweder
       explizit erwähnt oder implizit vorausgesetzt.
       
       Aber: Es stimmt nicht.
       
       Die Frau beschuldigte nach der Tat, die im Dezember stattfand, einen
       anderen Unterstützer. So erzählte sie es damals im Camp, und so berichten
       es jetzt mehrere Unterstützer übereinstimmend der taz. Die Frau sagte
       damals auch, dass die Tat in einer Wohnung stattfand – so schildert sie es
       auch in dem Indymedia-Beitrag. In einer Kleingruppe versuchten die
       Unterstützer damals, den Vorfall aufzuarbeiten. Täter wie Opfer, heißt es
       auf dem Oranienplatz, seien seit Dezember nicht mehr beim Protest
       aufgetaucht.
       
       Der Fall sagt also etwas aus über diese Gesellschaft im Allgemeinen und die
       linke Szene Berlins im Besonderen. Mit den Flüchtlingen hat der Fall
       insofern zu tun, als Täter und Opfer die Flüchtlinge unterstützen wollten
       und sich so im Camp kennenlernten. Der Kontakt zwischen beiden wurde mit
       der Zeit enger, dann geschah die Tat. Zur Stimmungsmache gegen die
       Flüchtlinge ist der Fall nicht geeignet.
       
       In dem Indymedia-Beitrag ist allerdings auch die Rede von zwei weiteren
       Vergewaltigungen, ohne dies weiter auszuführen. Dass die Taten im Camp
       stattfanden, wie die Bild-Zeitung schreibt, wird in dem Beitrag nicht
       behauptet. Die Täter werden nicht beschrieben. Im Camp heißt es, zu
       weiteren Taten habe man keine Hinweise, niemand habe sich gemeldet.
       
       „Es gibt so viele Gerüchte“, klagt Napuli Langa, eine der protestierenden
       Flüchtlinge. Man wolle nun versuchen, wieder Kontakt zu der Frau
       herzustellen. „Wir haben alle noch mal gebeten, uns zu informieren, wenn
       sie etwas wissen.“ Langa ist eine der wenigen Frauen auf dem Oranienplatz.
       Von dem Übergriff, sagt die Sudanesin, habe sie nichts mitbekommen. Sie
       werde im Camp von allen respektiert und fühle sich sicher.
       
       Die Flüchtlinge hatten bereits kurz nach der Besetzung einer ehemaligen
       Schule eine Etage eingerichtet, deren Zutritt nur Frauen erlaubt ist.
       Trotzdem gebe es dort und im Camp Sexismus, räumt ein Unterstützer ein. „So
       wie in der restlichen Gesellschaft auch.“
       
       26 Jul 2013
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.tagesspiegel.de/berlin/polizei-justiz/fluechtlingscamp-in-berlin-polizei-ermittelt-wegen-vergewaltigung-am-oranienplatz/8544510.html
 (DIR) [2] http://www.berliner-zeitung.de/berlin/fluechtlingscamp-am-oranienplatz-ausweg-dringend-gesucht,10809148,23826572.html
 (DIR) [3] http://www.bild.de/regional/berlin/fluechtling/schluss-mit-der-sozial-romantik-31527640.bild.html
 (DIR) [4] http://www.bild.de/regional/berlin/fluechtling/senat-will-kreuzberg-zur-raeumung-zwingen-31525816.bild.html
 (DIR) [5] http://de.indymedia.org/2013/05/345257.shtml
 (DIR) [6] http://www.bz-berlin.de/bezirk/kreuzberg/vergewaltigung-im-fluechtlingscamp-article1711166.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sebastian Heiser
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