# taz.de -- Filmstart „Halbschatten“: Niemand zu Hause
       
       > In Nicolas Wackerbarths Spielfilm „Halbschatten“ reist eine Frau in den
       > Dreißigern ins Ferienhaus ihres Freundes. Doch der ist gar nicht da.
       
 (IMG) Bild: Sieht aus wie der perfekte Sommerurlaub. Ist es aber nicht. Anne Ratte-Polle als Merle, die Hauptfigur in „Halbschatten“.
       
       Merle (Anne Ratte-Polle) ist nach Südfrankreich gefahren, um ihren neuen
       Freund Romuald zu besuchen. Mit leichtem Gepäck steht sie vor dessen
       schickem Haus, doch ihr Gastgeber ist nicht da. Ein Nachbar lässt sie ein
       und zeigt ihr das Haus, kippt Chemikalien in den Swimmingpool, damit der
       sauber wird. Später kommen die zwei Kinder von Romuald; der vielleicht 19
       Jahre alte Felix (Leonard Proxauf) und seine etwa 13 Jahre alte Schwester
       Emma (Emma Bading). Merle versucht, sich mit ihnen anzufreunden. Die beiden
       begegnen ihr eher abweisend und machen ihr Ding.
       
       Allzu viel passiert nicht in dem Spielfilm von Nicolas Wackerbarth, der
       sich bisher als diskursaffiner Herausgeber der Kinozeitschrift Revolver
       hervortat und als Regisseur von „Unten Mitte Kinn“. Merle erkundet das
       Haus, sie sonnt sich, manchmal schwimmt sie im Pool oder geht in der
       Umgebung spazieren, an Zäunen entlang, hinter denen Schäferhunde die
       Ferienhäuser der Reichen beschützen.
       
       Manchmal setzt sie sich an ihren Laptop und versucht zu arbeiten. Sie
       schreibe an einem Buch, das von einer Botanikerin aus dem 19. Jahrhundert
       handeln soll, wie sie der höflich interessierten Putzfrau erzählt. Immer
       wieder ruft sie vergeblich ihren Freund und Gastgeber an. Es gibt eine
       Begegnung mit den Nachbarn.
       
       Sie unterhält sich in einer Bar mit einem karibischen Arbeiter, der in der
       Platinenproduktion tätig ist, sie feiert mit Felix und dessen Freunden und
       am Ende verlässt sie das Haus fast fluchtartig genau in dem Moment, in dem
       ihr Freund zurückkommt. Ein perfekter Sommerurlaub, könnte man sagen.
       
       ## Leicht milchig zwischen Grün und Blau
       
       Nicolas Wackerbarth erzählt seine Geschichte denkbar unaufdringlich, ohne
       größere Spannungsbögen, behutsam beobachtend, ohne betulich zu werden. Die
       Bilder sind meist streng geometrisch komponiert, leicht milchig zwischen
       Grün und Blau. Immer wieder sieht man den Swimmingpool mit Panoramablick
       auf das Meer und das Küstenstädtchen, das schöne, geschmackvoll
       eingerichtete Haus, dem man anmerkt, dass es ein Ferienhaus ist, dass es
       nicht richtig in Gebrauch ist.
       
       Das Haus sei die eigentliche Hauptperson des Films, sagte Wackerbarth auf
       der Berlinale, wo der Film zum ersten Mal gezeigt wurde. Von fern erinnert
       es tatsächlich an das berühmte Haus aus „Lost Highway“ von David Lynch.
       
       Zu Hause ist hier niemand. Auch das Haus ist hier fremd. „Halbschatten“
       handelt von Abwesenheiten und Ablehnungen. Die Abwesenheit von Romuald, auf
       den die ganze Zeit gewartet wird (wie auf den Helden in Stefan Krohmers
       Politkomödie „Sie haben Knut“), treibt den Film voran. Die Ablehnungen
       treiben Merle aus dem Film. Dass es nichts ist mit dem Mann, der sie
       eingeladen hat, ist eigentlich schon früh klar. Trotzdem agiert sie, als
       wenn nichts wäre.
       
       ## Aus dem Buch wird nichts
       
       Eigentlich ist sie überflüssig; eine ehemalige Studentin der
       Kulturwissenschaften möglicherweise, die plötzlich in ihren Dreißigern ist,
       ohne sich einen Platz im Leben erobert zu haben; ohne Familie, ohne Plan
       eigentlich. Wenn sie der Putzfrau erzählt, die Geschichte des Buchs, an dem
       sie arbeitet, sei nicht so wichtig, weiß man sofort, dass es mit diesem
       Buch nie etwas werden wird.
       
       Weil man ihr anmerkt, dass sie keinen Platz im Leben hat, wird sie
       abgelehnt. „Du zuckst so komisch mit dem Mund“, sagt Felix irgendwann,
       ziemlich am Anfang zu Merle. „Das muss ich mir von jemandem abgeguckt
       haben“, antwortet Merle.
       
       Die Ablehnung, gegen die sie sich nur anfangs dezent boshaft wehrt, hat
       manchmal einen erniedrigend paternalistischen Touch, wenn die Verkäuferin
       in einem Kleidungsgeschäft plötzlich in Merles Haaren rumwühlt und den Pony
       neu arrangiert. Manchmal ist sie auch manifest, wenn sie der Bäcker, bei
       dem sie einen Geburtstagskuchen für die Tochter ihres abwesenden Freundes
       abholen möchte, beschimpft.
       
       ## Antonioni-Assoziationen
       
       Auf gleicher Augenhöhe begegnet sie den anderen nur selten; einmal in der
       Bar im Gespräch mit dem jungen Mann aus der Karibik; später momentweise,
       wenn sie mit Felix und seinen Freunden feiert.
       
       In seiner Stilsicherheit erinnert „Halbschatten“ manchmal ein bisschen an
       „La Notte“ von Antonioni. Komisch, sich vorzustellen, dass Merle ein
       bisschen älter ist als die Helden des Antonioni-Klassikers. Im Gegensatz zu
       den meisten Kritikern, die den Film bei der Berlinale als überaus
       langweilig verrissen, hat mir „Halbschatten“ gut gefallen. Vielleicht hat
       das auch mit der großen Hitze zu tun.
       
       1 Aug 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Detlef Kuhlbrodt
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Deutscher Film
 (DIR) Leipzig
       
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