# taz.de -- Ex-Schauspieler Weber über Bundeswehr: „95 Prozent waren hanebüchen“
       
       > Die Schauspielerei hat Ex-„Tatort“-Ermittler Gregor Weber aufgegeben.
       > Gerade schreibt er wieder ein Buch – über seine Zeit als Soldat in
       > Afghanistan.
       
 (IMG) Bild: „Es fehlt mir nichts“: Gregor Weber als „Tatort“-Kommissar Stefan Deininger am Set im Jahr 2010.
       
       taz: Herr Weber, Sie waren dreieinhalb Monate als Soldat in Afghanistan.
       Warum? 
       
       Gregor Weber: Ich wollte testen, wie ich den Einsatz vor Ort wahrnehme. Ob
       ich das Gefühl habe: Ja, ich mache das für mein Land, es macht Sinn. Oder
       ob ich finde, das ist eine Totalkatastrophe.
       
       Und? 
       
       Ich glaube, das Land kommt da ohne fremde Hilfe nicht raus. Ich hatte sehr
       viel positives Feedback von Afghanen, von Polizisten und Soldaten: Die
       sehen uns als Menschen, die das für Afghanistan machen. Das war sehr
       berührend.
       
       Die meisten kennen Sie als „Tatort“-Kommissar, jetzt sind Sie Buchautor.
       Wie kommt man da nach Kundus? 
       
       Schon als ich meinen Kriminalroman über Soldaten im Auslandseinsatz
       geschrieben hatte, war klar: Ich bin mit dem Thema noch nicht durch. Ich
       hatte mich damals für die Recherche als Reservist reaktivieren lassen. Vor
       einem Jahr meldete ein Verlag Interesse an einem Buch aus meiner
       Perspektive an, und die Bundeswehr war bereit, mich in den Einsatz zu
       schicken.
       
       Als TV-Kommissar ermittelten Sie unter Afghanistan-Heimkehrern, Ihr Krimi
       spielt im gleichen Milieu. Wieso interessiert Sie die Bundeswehr so? 
       
       Während des Balkankriegs war ich auf der Schauspielschule und ich wusste:
       Wenn wir da wirklich eingreifen, wäre das ein Grund für mich, mich für den
       Einsatz zu melden. Ich fand, dass wir als europäische Nachbarn das Töten
       unterbinden müssen. Wir haben einen Grundkonflikt: Auf die Frage „Wofür
       haben wir eigentlich eine Armee?“ gibt es keine deutliche Antwort. Aber ich
       finde, eine Regierung kann nicht ernsthaft behaupten, sie schicke die
       Bundeswehr irgendwohin, und so tun, als sei es das THW. Wenn eine Regierung
       Soldaten schickt, muss sie auch klar sagen, dass da eben noch kein THW
       hinkann.
       
       Sie waren in der Pressestelle. Wieso ausgerechnet dort? 
       
       Die Arbeit war meinem Zivilberuf als Autor am ähnlichsten. Zudem hatte ich
       ja 20 Jahre mit Journalisten zu tun und konnte den Kameraden Tipps geben,
       was rechtliche Konsequenzen angeht oder was hilft, wenn sie nervös sind vor
       einem Interview.
       
       Dann wollte die Bild-Zeitung Sie interviewen. Was hatten Sie für diesen
       Fall geplant? 
       
       Ich hatte mir vorgenommen, dass das nicht passiert. Mitarbeiter einer
       Pressestelle sollten nicht selbst Thema der Berichterstattung sein, finde
       ich. Für die politischen Journalisten vor Ort war ich eh uninteressant.
       Aber dann war der Komiker Matze Knop da und mit ihm andere Journalisten –
       da tauchte die Frage nach mir auf. Ich habe mit meinem Presseoffizier
       gesprochen, der sagte: Es ist deine Entscheidung, aber ich würde mich
       freuen, wenn du es machst. Und ich dachte: Ich laufe den ganzen Tag rum und
       versuche Soldaten zu überreden, mit der Presse zu reden und ich drücke
       mich, das geht auch nicht.
       
       Im Bild-Artikel stand, Sie seien ein „Fernsehstar“. Fühlen Sie sich damit
       gemeint? 
       
       Nein, ich bin Autor. Mein letzter „Tatort“ lief vor anderthalb Jahren. Dass
       ich mit dem Schauspielen aufhöre, war eine längere Entwicklung, ich habe ja
       zuletzt nur einmal im Jahr den „Tatort“ gedreht und mich um keine anderen
       Rollen bemüht.
       
       Wieso kann man den Status „Schauspieler“ so schwer abschütteln? 
       
       Das hat sicher mit dem Sicherheitsdenken der Deutschen zu tun. Als sei
       Schauspieler eine stringente Karriere, an der man klebt! Etwas, dem ein
       besonderer Glanz innewohnt! Das geht vielleicht Kollegen so, bei mir hat
       sich das Gefühl nie eingestellt. Du machst hier als Schauspieler in der
       Regel nicht die Filme, die dich interessieren, sondern die, die du
       angeboten bekommst. 95 Prozent meines schauspielerischen Schaffens sind
       hanebüchen. Von den 14 „Tatort“-Folgen, die ich gedreht habe, kann man
       mindestens zehn in die Tonne kloppen, zwei sind ganz interessant und einer
       oder zwei sind gut.
       
       Ist es Teil des Systems, dass man nicht sieht, wie viele Schauspieler
       arbeitslos sind? 
       
       Es gibt viele aus dem Mittel- und Unterbau, bei denen man denkt: Das ist
       doch ein total bekanntes Gesicht! Aber sie müssen sich irrsinnig
       ranschmeißen, um dranzubleiben. Sie haben 15, 20 Drehtage im Jahr – ohne
       Gagen wie in den USA, wo man trotzdem ein gutes Leben führen kann. Ich
       wollte mich nicht mehr davon abhängig machen. Man ist nicht Herr seines
       Berufslebens, sondern wird wie eine Schachfigur herumgeschoben. Das ist mit
       sehr viel Leiden verbunden und geht total ans Selbstwertgefühl.
       
       Wie viel haben Sie verdient? 
       
       Ich habe für einen Saar-„Tatort“ 40.000 Euro bekommen, das empfinde ich als
       sehr viel Geld. Direkt nach meiner Rückkehr aus Afghanistan stand ich
       ausnahmsweise noch mal vor der Kamera, als Gatte des Mordopfers bei einem
       Münchner „Tatort“ – ich bin mit dem Regisseur Jochen-Alexander Freydank
       befreundet. Und für diese zwei Tage habe ich fast so viel bekommen wie für
       einen Monat in Afghanistan.
       
       Waren Sie eingerostet? 
       
       Es war seltsam, wieder zu spielen. Meine Routine war etwas eingeschlafen.
       Aber ich habe gemerkt: Es fehlt mir nicht. Nicht das Drehen, nicht das
       Spielen, nichts.
       
       Wie fanden es eigentlich Ihre Kameraden, dass da so ein Schauspiel-Fuzzi
       kommt und Soldat spielt? 
       
       Die meisten kannten mich nicht, viele sind sehr jung, keine typischen
       „Tatort“-Gucker. Und die sahen ja, dass ich die ganze Zeit mit Journalisten
       rumlaufe und meine Arbeit mit allem gebotenen Ernst mache. Aber wie immer
       bei einem neuen Job fragt man sich: Mache ich alles richtig? Von dieser
       ganzen Bürosoftware, Excel und Powerpoint, hatte ich ja keine Ahnung.
       
       Was hat Sie im Bundeswehrlager am meisten überrascht? 
       
       Ich hatte ein Lager mit zeltartigen Unterkünften erwartet. Dass man dort
       unter sehr kommoden Bedingungen lebt, mit klimatisierten Räumen und einer
       hellen Kantine, hat mich fast geschockt. Und dann schaut man über diese
       Mauer, in dieses endlose Tal und denkt: Mei, vor zwei Jahren haben die sich
       hier noch tagtäglich beschossen. Die Diskrepanz zwischen dieser
       Militärgemütlichkeit und dem Bewusstsein, dass da draußen immer noch
       Bürgerkriegszustand herrscht, ist eigenartig.
       
       Seit Juli sind Sie zurück in Deutschland. Haben Sie sich schon wieder
       eingewöhnt? 
       
       Ich befinde mich noch im Diagnoseprozess. Ich wache nachts mehrmals auf. Im
       Lager in Kundus wird nachts durchgearbeitet, Kettenfahrzeuge werden durchs
       Camp bewegt, ich habe dreieinhalb Monate nicht durchgeschlafen. Und allein
       der Klimaschock: Ich bin in Masar-i-Scharif bei 35,6 Grad in die Transall
       gestiegen und in Hannover bei 18 Grad gelandet. Da steht man mit seiner
       komischen Wüstenuniform, dem Isaf-Sticker an der Jacke, staubigem Rucksack
       und schmutzigen Schuhen, und keinen interessiert’s. Alle anderen Länder
       haben Rituale für diese Heimkehr.
       
       Deutschland hat eben erst angefangen, sich daran zu gewöhnen, dass die
       Bundeswehr an Kriegseinsätzen beteiligt ist. 
       
       Ja, aber es gibt eine ganz große Hilflosigkeit der Bundeswehr, der
       deutschen Öffentlichkeit zu kommunizieren, dass und wieso 300.000 Soldaten
       in Afghanistan im Einsatz waren. Die Soldaten sehnen sich danach,
       wahrgenommen zu werden.
       
       Und Sie wollen mit Ihrem geplanten Buch diese Kommunikationslücke
       schließen? 
       
       Ja, das ist das Ziel.
       
       Also machen Sie letztlich PR. 
       
       Nein, ich sehe vieles auch kritisch. Die Bundeswehr versagt dabei, ihre
       Arbeit der Gesellschaft zu erklären. Und ich bin nun einmal Autor, ich kann
       erzählen, was ich erlebt habe. Aber als Reservist bin ich Wandler zwischen
       den Welten, frei und unabhängig.
       
       Und vor Veröffentlichung segnet die Bundeswehr das Buch ab? 
       
       Nein, der Inhalt geht die Bundeswehr nichts an. Ich bin ja kein Soldat
       mehr. Aber ich werde mich natürlich an Persönlichkeitsrechte halten und
       keine taktischen Verfahren beschreiben, auch im Interesse der Soldaten.
       
       Hatten Sie Angst im Einsatz? 
       
       Ich habe nichts Dramatisches erlebt. Aber man rechnet immer damit. Man
       fährt ja nicht im offenem Jeep und Käppi auf dem Kopf raus, sondern mit
       gepanzerten Fahrzeugen, alle Mann bewaffnet, Helm, Splitterschutzweste und
       Minensperren an den Türen. Ein Soldatenwitz geht so: Du weißt, dass du PTSD
       hast, wenn du zu Hause am Auto die Minensperre überprüfst, bevor du
       losfährst.
       
       Und, haben Sie bei sich schon Anzeichen einer Posttraumatischen
       Belastungsstörung entdeckt? 
       
       Das nicht, aber es ist schon noch seltsam, mit offenen Fenstern zu fahren.
       Und ohne dass ich mich in der Operationszentrale abmelden muss.
       
       14 Aug 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anne Haeming
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Bundeswehr
 (DIR) Schwerpunkt Afghanistan
 (DIR) Tatort
 (DIR) Kundus
 (DIR) ARD
 (DIR) Kurt Krömer
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) ARD-Film über Kundus-Affäre: Kein Platz im Kopf
       
       Die ARD das versucht Dilemma von Afghanistan-Kommandeur Oberst Klein
       nachzuzeichnen. Sie verheddert sich zwischen Doku und Fiktion.
       
 (DIR) Revival der „Formel Eins“-Musikshow: Das Zentrum der Popreligion
       
       Die Musikclipshow „Formel Eins“" wird wiederbelebt – nicht in der ARD,
       sondern im Spartenkanal RTL Nitro. Dafür wie einst mit dem Moderator Peter
       Illmann.
       
 (DIR) Kurt Krömer über Rassismus im Humor: „Ich weiß, wo ich herkomme“
       
       Von Neukölln nach Afghanistan: Fernsehkomiker Kurt Krömer über seinen
       Truppenbesuch, sein Verhältnis zu Heinz Buschkowsky und Rassismus im
       deutschen Humor.