# taz.de -- Musée d'art moderne Grand-Duc Jean: Museum mit Ausblick
       
       > Luxemburger Alchemie: Die Festung wird zum Museum, die Stahl- zur
       > Finanzindustrie, und Texte werden in der Ausstellung „L‘Image papillon“
       > zu Bildern.
       
 (IMG) Bild: Kupfer und Gedächtnis: Danh Vo, We The People, 2011-2013 (Detail), Kupfer, variable Größe.
       
       Das Musée d’art moderne Grand-Duc Jean, kurz Mudam, auf dem Plateau
       Kirchberg hat einen herrlichen Blick auf Luxemburg-Stadt. Das Museum, das
       sich – anders als sein Name besagt – auf die zeitgenössische Kunst
       konzentriert, ist eine Schenkung an den luxemburgischen Großherzog Jean zu
       dessen 25-jährigem Thronjubiläum. Das Jubiläum wurde 1989 gefeiert – die
       Eröffnung des Museums allerdings erst 2006.
       
       Dass es fast 20 Jahre dauerte, bis Ieoh Ming Pei auf sein drittes
       europäisches Museum nach der Pyramide im Louvre und dem Erweiterungsbau des
       Deutschen Historischen Museums in Berlin zurückschauen konnte, lag nicht
       zuletzt an dessen herrlichem Blick auf Luxemburg. Denn der New Yorker
       Stararchitekt hatte als Standort für das Gebäude aus dem hellem, aus dem
       Burgund stammenden Sandstein die Überreste der militärischen Festungsanlage
       Thüngen gewählt.
       
       Dieser traditionsreiche Standort, aber auch Anlage und Material des Museums
       sowie seine fehlende Kunstsammlung führten in der Öffentlichkeit zu
       langwierigen Diskussionen bis hin zu erbittertem Widerstand gegen das
       Projekt.
       
       Sehr viel schneller kam es zur Akzeptanz des realisierten Museums und
       seiner Ausrichtung auf aktuelle Kunst. Neben Deutsch, Englisch und
       Französisch liegen die Museumsflyer auch schon auf Koreanisch und
       Chinesisch vor. Obwohl Luxemburg klar kulturelle Provinz ist, rechnet
       inzwischen nicht nur die internationale Kunstszene mit dem Mudam, es steht
       auch fest auf dem Reiseplan der internationaler Kulturtouristen, vor allem
       aus dem asiatischen Raum.
       
       ## Der portugiesische Flyer fehlt noch
       
       Dazu ist der Ausländeranteil im Großherzogtum, das EU-Verwaltungssitz ist
       und sich seit den 90er Jahren zu einem internationalen Finanzzentrum
       entwickelt hat, relativ hoch. Von den rund 540.000 Einwohnern kommen knapp
       83.000 aus Portugal. Der Flyer auf Portugiesisch fehlt noch, meint also
       Enrico Lunghi. Der Luxemburger Kunsthistoriker, der 1996 mit den Casino
       Luxembourg den ersten zeitgenössischen Kunstraum der Stadt gegründet hat,
       ist seit 2009 Direktor des Mudam.
       
       Der Aufbau seiner Sammlung lief parallel mit dem Baubeginn des Museums an,
       der jährliche Ankaufsetat liegt bei 620.000 Euro. Inzwischen ist die
       Sammlung so weit gediehen, dass im Frühjahr erstmals die Ausstellung „A
       More Perfect Day“ mit Arbeiten von neunzehn Künstlern und zwei
       Künstlerkollektiven aus den Beständen des Mudam nach Seoul, Korea, gereist
       ist.
       
       Im Gegenzug eröffnet im Herbst in Luxemburg eine Einzelausstellung der
       koreanischen Bildhauerin Lee Bul, die in den 90er Jahren für ihre
       Cyborg-Torsi bekannt wurde und inzwischen die radikalen Architektur-Utopien
       vom Anfang des 20. Jahrhunderts in ihren Skulpturen thematisiert. Bis dahin
       überzeugt aber noch die Ausstellung „L’Image papillon“, mit der der Kurator
       des Mudam, Christophe Gallois, auf ungewöhnliche Weise Bezug auf die
       Literatur nimmt.
       
       „L’Image papillon“ ist der Titel einer erst kürzlich erschienenen
       Untersuchung der Literaturwissenschaftlerin Muriel Pic zum Werk des
       deutschen Schriftstellers W. G. Sebald (1944–2001). Von ihm ließ sich
       Gallois für sein Ausstellungskonzept anregen. Denn Sebald durchsetzte seine
       Texte – etwa die 1990 und 2001 veröffentlichten Erzählungen „Schwindel.
       Gefühle“, „Die Ausgewanderten“, „Die Ringe des Saturn“ und „Austerlitz“ –
       mit alten Schwarz-Weiß-Fotografien, deren Herkunft und ursprünglicher
       Verwendungszusammenhang unklar sind.
       
       ## Die komplexen Beziehungen zwischen Bild und Gedächnis
       
       Jeweils eines dieser Bilder führt nun in die monografischen Präsentationen
       15 zeitgenössischer Künstler ein, die ähnlich wie Sebald die komplexen
       Beziehungen von Bild und Gedächtnis ausloten und die Aktualität wie auch
       Historizität der Erinnerung thematisieren.
       
       Neben bekannten Namen der zeitgenössischen Kunst wie Tacita Dean, Zoe
       Leonard, Danh Vo oder Felix Gonzales-Torres, die für die
       medienübergreifenden Auseinandersetzungen mit der Beziehung von Geschichte
       und Gegenwart stehen, trifft man in Peis schönen, luftig konzipierten
       Galerien auch auf Namen, die einem nicht unbedingt geläufig sind.
       
       Mathieu Kleyebe Abonnenc etwa, 1977 in Französisch-Guayana geboren,
       untersucht mit den Mitteln des Films, der Zeichnung und der Skulptur die
       Kolonialgeschichte, mit Schwerpunkt auf der Geschichte der
       Dekolonialisierung Afrikas. Dabei führt seine Recherche auch ins Private,
       Familiäre. Artefakte wie ein Freimaurerring des Großvaters stehen
       gleichgewichtig neben den Kupferstäben, die Abonnenc einfach an die Wand
       gelehnt hat.
       
       Das Kupfer stammt aus Katanga im Kongo. Und wie bei Sebald das Bild den
       Fluss des Textes unterbricht, quer steht und Fragen aufwirft, so hakt
       dieser an die Wand gelehnte Kupferstab, der an die Holzstäbe erinnert, die
       André Cadere (1934–78) unerlaubt in Museen und Ausstellungsräumen
       hinterließ, in den Fluss von Mathieu Kleyebe Abonnencs Videoaufzeichnung
       ein, die den Schmelzvorgang in einer alten Fabrik in Frankreich oder
       Belgien dokumentiert: gewissermaßen die Schmelze der Vergangenheit, mit der
       der Künstler immer weiter in den Komplex der gegenwärtigen Konflikte und
       ihrer Ursachen vordringt.
       
       12 Aug 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Brigitte Werneburg
       
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