# taz.de -- Kommentar Grüne und Pädophilie: Die Kosten der Selbstaufklärung
       
       > Die sachliche und historische Darlegung der grünen Vergangenheit mag
       > teilweise instrumentalisiert werden – ist aber der einzig richtige Weg.
       
 (IMG) Bild: Hinter den Verboten ahnten sie die große Freiheit – und fanden, dass sie sich bisweilen heftig verrannten
       
       Die moralisch hochfahrende Verurteilung von Daniel Cohn-Bendit war bösartig
       und unfair. Es war eine Kampagne, inszeniert von Konservativen in
       Baden-Württemberg, orchestriert von Medien, die es nicht kümmerte, dass es
       in den zum namenlosen Skandal stilisierten Zeilen in seinem Buch „Der große
       Basar“ nichts Neues gab. Vielleicht aber bringt die heillose Aufregung um
       Cohn-Bendit doch noch etwas Brauchbares hervor: nämlich eine solide Debatte
       um Pädophilie und Grüne in den 80er Jahren.
       
       Es geht dabei um Grenzen der Freiheit und um die Unterschiede zwischen den
       Pädophilie-Aktivisten und Missbrauch anderswo. Denn ins Auge fällt ein
       fundamentaler Unterschied zu den Fällen in der Odenwaldschule oder der
       katholischen Kirche. Dort handelt es sich um sexuelle Übergriffe von
       Autoritätspersonen an Schutzbefohlenen. Und die Täter versuchten alles, um
       diese zu vertuschen.
       
       Die Pädodebatte bei den Post-68ern und den Grünen war fundamental anders.
       Nichts wurde versteckt – im Gegenteil. Es regierte eine geradezu
       exhibitionistische Lust, alles ins Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit zu
       rücken. Die Pädosexuellen schrieben Bücher und Manifeste. Sie wollten nicht
       im Verborgen geduldet, sie wollten von aller Welt als Unterdrückte
       anerkannt werden.
       
       Wenn man liest, mit welchem Selbstverwirklichungsfuror damals für das Recht
       auf Sex mit Kindern agitiert wurde, verschlägt es einem die Sprache. Wie
       konnten Leute, die sich Menschenrechte und Emanzipation auf die Fahne
       schrieben, das tolerieren? Wie konnte man das offenkundige Machtgefälle
       zwischen Erwachsenen und Kindern übersehen?
       
       Das hatte mit einem verkrümmten Freiheitsbegriff zu tun, dem zufolge nur
       Verbieten verboten war. Und mit einem krude ideologisierten Bild von
       Kindern als edle Wilde. Das Kind war eine Projektionsfläche. Die
       Erwachsenen waren vom System deformiert, die Kinder rein, unverfälscht,
       deshalb mussten sie auch in ihrer Sexualität schrankenlos sein dürfen.
       
       Die sachliche, historische Darlegung ist der richtige Weg, sich damit zu
       befassen. Gerade weil das Thema Sex und Kinder leicht instrumentalisierbar
       ist. Die Grünen habe sich nach anfänglichem Zögern dazu entschlossen. Das
       wird sie wohl Stimmen von kulturkonservativen WählerInnen kosten. Aber
       historische Selbstaufklärung ist nicht kostenlos.
       
       13 Aug 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Reinecke
       
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