# taz.de -- Proteste in Ägypten: Blutiger Freitag der Wut
       
       > Erneut gehen Mursi-Anhänger in Ägypten auf die Straße – es hat wieder
       > viele Tote gegeben. Die Bundesregierung hat 25 Millionen Euro
       > Fördergelder eingefroren.
       
 (IMG) Bild: Demonstranten flüchten vor Reizgas in Kairo
       
       KAIRO dpa | Der von Islamisten ausgerufene „Freitag der Wut“ hat in Ägypten
       eine neue Eskalation der Gewalt heraufbeschworen. Mindestens 70 Menschen
       starben nach Angaben aus Sicherheitskreisen bei landesweiten Straßenkämpfen
       zwischen Demonstranten und der Polizei.
       
       Der Westen zeigt sich schockiert vom blutig ausgetragenen Konflikt zwischen
       den entmachteten Islamisten und den neuen Machthabern. Bundeskanzlerin
       Angela Merkel (CDU) will die Beziehungen zu dem Land auf den Prüfstand
       stellen. Sie forderte nach einem Telefonat mit dem französischen
       Präsidenten François Hollande ein Ende des Blutvergießens.
       
       Wegen der Unruhen rät das Auswärtige Amt seit Freitag von Reisen nach ganz
       Ägypten ab. Die meisten deutschen Veranstalter sagten bis Mitte September
       alle Reisen in das Land ab. Auch viele andere EU-Länder reagierten mit
       Reisewarnungen.
       
       Zu den Protesten nach den Freitagsgebeten hatten die islamistische
       Muslimbruderschaft und verschiedene radikale Islamisten-Parteien
       aufgerufen. Zehntausende Anhänger des gestürzten Präsidenten Mohammed
       Mursi, der aus der Muslimbruderschaft stammt, gingen auf die Straße und
       schrien ihre Wut über das Blutvergießen in ihren Protestlagern heraus.
       
       ## 45 Demonstranten erschossen?
       
       Der seit Wochen schwelende Machtkampf zwischen Islamisten und Mursi-Gegnern
       war am Mittwoch eskaliert, als Sicherheitskräfte zwei zentrale Camps der
       Muslimbrüder in Kairo gewaltsam geräumt hatten. Das Vorgehen der Polizei
       und anschließende Angriffe von Islamisten forderten bislang etwa 600
       Todesopfer. Die Islamisten pochen auf die Wiedereinsetzung Mursis, der seit
       seiner Absetzung durch die Armee am 3. Juli an einem geheimen Ort
       festgehalten wird.
       
       Die meisten Opfer gab es am Freitag am Rande der zentralen Kundgebung am
       Ramses-Platz in der Innenstadt von Kairo. Dort hatten sich etwa 20.000
       Islamisten und deren Anhänger versammelt. Der Muslimbruderschaft zufolge
       erschoss die Polizei hier 45 Demonstranten. Beamte des Innenministeriums
       erklärten hingegen, Dutzende Demonstranten hätten die nahe gelegene
       Ezbekija-Polizeistation attackiert. Daraufhin sei ein Gefecht mit
       Feuerwaffen auf beiden Seiten entbrannt, bei dem mehrere unbeteiligte
       Zivilisten getötet worden seien.
       
       Experten befürchten, dass die Lage weiter eskalieren könnte. Denn die
       Polizei hat Order, mit scharfer Munition auf Plünderer und Saboteure zu
       schießen. In mehreren Landesteilen gilt der Notstand. Auch die
       Verhaftungswelle von hochrangigen Mitgliedern der Muslimbruderschaft geht
       weiter. Dem Nachrichtenportal youm7 zufolge wurden vor Beginn der Proteste
       am Freitag vier führende Muslimbürger festgesetzt.
       
       ## Sondertreffen der EU-Außenminister geplant
       
       Kanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Hollande appellierten an die
       Dialogbereitschaft der Konfliktparteien in Ägypten. Sie bekräftigten, die
       EU werde sich über das weitere Vorgehen eng abstimmen. Für die kommende
       Woche ist dazu ein Sondertreffen der EU-Außenminister geplant. Mehrere
       Länder gingen auf Distanz zur Führung in Kairo.
       
       Als erste Konsequenz schränkte die Bundesregierung Hilfszahlungen für das
       Krisenland ein und riet für das komplette Staatsgebiet von Reisen ab. Die
       meisten deutschen Veranstalter sagten daraufhin ihre Reisen in die
       Urlaubsgebiete am Roten Meer bis Mitte September ab. Eine Reisewarnung, die
       nur bei einer akuten Gefahr für Leib und Leben ausgesprochen wird, gibt es
       weiterhin nur für den Nordsinai und das ägyptische Grenzgebiet zu Israel.
       
       Urlauber, die sich derzeit in den Baderegionen befänden, könnten ihren
       Aufenthalt jedoch fortsetzen, da es dort unverändert ruhig sei, sagte ein
       Sprecher des Branchenprimus Tui. Der Stopp der Reisen hat auch Folgen für
       die Flugbranche: Lufthansa-Aktien sackten ab. Der Chemiekonzern BASF stellt
       seine Produktion in dem Land vorerst ein. Auch der Handelsriese Metro
       schloss Büros.
       
       ## 40 Kirchen und christliche Einrichtungen zerstört
       
       Die USA hatten ihre in Ägypten lebenden Bürger am Donnerstag angehalten,
       wegen der Unruhen das Land zu verlassen. Präsident Barack Obama verurteilte
       den harten Kurs der Übergangsregierung scharf und sagte eine gemeinsame
       Militärübung amerikanischer und ägyptischer Streitkräfte ab. Der
       UN-Sicherheitsrat rief alle Parteien auf, die „Aggressionen“ einzustellen.
       
       Bei den Ausschreitungen sind nach Angaben der Deutschen Bischofskonferenz
       auch mehr als 40 Kirchen und christliche Einrichtungen zerstört worden.
       „Ich bin entsetzt über die zunehmenden Angriffe gegen Christen (...)“,
       sagte der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, laut einer
       in Bonn verbreiteten Mitteilung. Er verurteilte die blutigen Zusammenstöße
       scharf: „Hass und Gewalt weisen keinen Weg aus der politischen Krise und
       töten jede Hoffnung auf eine friedliche Lösung der Auseinandersetzungen
       zwischen der Staatsmacht und den Muslimbrüdern.“ Schuldzuweisungen – auch
       gegen Christen – trügen „weder zur Versöhnung noch zu dem dringend
       notwendigen Vertrauen in Ägypten bei“.
       
       16 Aug 2013
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Muslimbrüder
 (DIR) Ägypten
 (DIR) Militär
 (DIR) Islamismus
 (DIR) Kairo
 (DIR) Ägypten
 (DIR) Kairo
 (DIR) Mohammed Mursi
 (DIR) Ägypten
 (DIR) Ägypten
 (DIR) Ägypten
 (DIR) Ägypten
 (DIR) Ägypten
 (DIR) Ägypten
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Machtkampf in Ägypten: Islamisten weichen nicht zurück
       
       Die Kritiker der Übergangsregierung haben in Ägpyten für Sonntag zu neuen
       Protestmärschen aufgerufen. Und eine Kundgebung in Kairo wenig später
       abgesagt.
       
 (DIR) Gewalt in Ägypten: Letztes Gefecht ums Minarett
       
       Sicherheitskräfte haben die Al-Fateh-Moschee in Kairo weitgehend in ihre
       Gewalt gebracht. Die Regierung prüft nun ein Verbot der Muslimbruderschaft.
       
 (DIR) Gewalt in Ägypten: Im Gotteshaus verbarrikadiert
       
       Nach den Protesten vom Freitag weigern sich Hunderte von Islamisten Kairos
       Al-Fateh-Moschee zu verlassen. Ägypten soll vorerst keine deutschen
       Rüstungsgüter mehr erhalten.
       
 (DIR) Politologin über Lage in Ägypten: „Kriege fallen nicht vom Himmel“
       
       Das Militär lasse die Ägypter bewusst aufeinander losgehen, sagt die
       Politikwissenschaftlerin Cilja Harders. Alle Seiten handelten
       verantwortungslos.
       
 (DIR) Internationale Presse zu Ägypten: Was kommt nach der Gewalt?
       
       In den Kommentaren der großen internationalen Tageszeitungen wird einhellig
       das ägyptische Militär verurteilt. Aber die Schlussfolgerungen gehen
       auseinander.
       
 (DIR) Kommentar Rolle der USA in Ägypten: Zusammenbruch der Außenpolitik
       
       Seit Beginn des Arabischen Frühlings ist die US-Politik gegenüber
       arabischen Ländern ein Eiertanz. Nun hat Obama ihren Bankrott erklärt.
       
 (DIR) Portrait Mohammed ElBaradei: Schillernder Liberaler
       
       Friedensnobelpreis- und Hoffnungträger: Zuletzt versuchte sich der Diplomat
       ElBaradei als ägyptischer Vizepräsident. Nun ist er erneut zurückgetreten.
       
 (DIR) Krise in Ägypten: Das Massaker von Rabaa
       
       Ägyptische und ausländische Reporter haben allein in der Rabaa-Moschee von
       Kairo Hunderte Leichen gezählt. Auch Journalisten wurden getötet.
       
 (DIR) Ägyptens Umgang mit den Muslimbrüdern: Radikalisierung erwünscht
       
       Das Militär und die ägyptische Staatssicherheit möchten die Muslimbrüder
       isolieren. Dass die Islamisten nun die Kirchen attackieren, passt da gut
       ins Konzept.