# taz.de -- Rettungsappell von Politik und Wirtschaft: Offshore-Windkraft droht baden zu gehen
       
       > Der zweite kommerzielle Windpark in der deutschen Nordsee ist fertig und
       > am Netz, sein Erbauer wankt. Die Branche fordert stabile
       > Rahmenbedingungen.
       
 (IMG) Bild: Am Netz: der erste kommerziell genutzte Windpark namens Bard I.
       
       HAMBURG taz | Eine Überlebenschance für die deutsche Offshore-Windindustrie
       haben die fünf norddeutschen Bundesländer, Vertreter von acht Küstenstädten
       und der Wirtschaft am Montag in Cuxhaven gefordert. In ihrem „Cuxhavener
       Appell“ betonen sie die industrie und umweltpolitische Bedeutung der
       Branche.
       
       Sie verlangen Bestandssicherheit für im Bau befindliche Offshore-Windparks
       und einen verlässlichen gesetzlichen Rahmen für den Bau weiterer Parks auf
       dem Meer. Gleichzeitig ging mit Bard I der erste kommerziell genutzte
       deutsche Offshore-Windpark komplett ans Netz.
       
       Das Errichten von Windparks im deutschen Teil der Nordsee geht weit
       schleppender voran als erwartet. Ein Grund dafür ist das Lehrgeld, das die
       junge Branche – insbesondere in Gestalt der Firma Bard – hat bezahlen
       müssen. Die Arbeit auf hoher See erwies sich als schwierig und teuer, zumal
       das nötige schwere und spezialisierte Gerät in Form von Errichterschiffen
       noch nicht zur Verfügung stand. Bard muss nun hunderte Mitarbeiter
       entlassen, der Windpark Bard I gehört inzwischen der Unicredit-Bank.
       
       Dazu kommt, dass der Ausbau des Stromnetzes nicht Schritt hält. Neben dem
       Versuchswindpark Alpha Ventus und Bard I ist kürzlich der Windpark Riffgat
       fertig geworden. Er kann aber keinen Strom liefern, weil der Anschluss an
       das Stromnetz an Land nicht steht.
       
       Dabei hoffen die norddeutschen Bundesländer, dass die
       Offshore-Windindustrie wettmachen könnte, was sie bei der Werftindustrie
       verloren haben. Emden, Bremerhaven und Cuxhaven haben Offshore-Basishäfen
       gebaut. Betriebe für den Bau von Fundamenten, Türmen und Rotorblättern
       haben sich angesiedelt. Und auch von der Wartung der künftigen
       Großkraftwerke auf See erhoffen sie sich Arbeitsplätze und Einnahmen.
       
       „Die Offshore-Windindustrie befindet sich kurz nach ihrer Geburt am
       Scheideweg und mit ihr die Energiewende als Ganzes“, warnen die
       Unterzeichner des Appells. Die Offshore-Windindustrie sei ein
       Vorreiter-Produkt aus Deutschland, das einen substanziellen und
       zuverlässigen Beitrag zur Energiewende leisten könne. Kein anderes
       europäisches Land verfüge über die gesamte Wertschöpfungskette beim Bau von
       Offshore-Windkraftanlagen. Die Branche stelle „ein nachhaltiges
       industriepolitisches Zukunftsfeld für den Standort Deutschland dar“.
       
       Die Unterzeichner des Appells rücken vom Ziel der Bundesregierung ab, bis
       2020 Anlagen mit einer Gesamtleistung von 10.000 Megawatt auf See zu
       installieren. Stattdessen solle sie wenigstens dafür sorgen, dass 6.000 bis
       7.000 Megawatt installiert würden – „um die bestehende Industrie zu
       erhalten, Folgeprojekte zu realisieren und Kostensenkungspotenziale zu
       erschließen“, wie es in dem Papier heißt.
       
       Um das zu erreichen, müsse sich der Bund am Ausbau der Hafeninfrastruktur
       beteiligen und verlässlich festlegen, in welcher Weise er die
       Offshore-Windkraft über das Energie-Einspeisegesetz zu fördern gedenke.
       Sollte der Übertragungsnetzbetreiber Tennet nicht in der Lage sein, seinen
       Verpflichtungen zum Netzausbau nachzukommen, müsse die Bundesregierung
       handeln.
       
       Passend zum Termin hat Tennet die Konverterstation Dolwin Alpha auf Pfähle
       ins Meer gesetzt. Sie soll den Wechselstrom dreier Windparks mit 800
       Megawatt Leistung in Gleichstrom verwandeln und verlustarm an Land
       transportieren.
       
       Dem Appell, der bei einer Konferenz der norddeutschen Wirtschafts und
       Energieminister unterzeichnet wurde, schloss sich auch die IG Metall an.
       Vor der Tür in Cuxhaven demonstrierten 400 Beschäftigte der Branche für
       ihre Arbeitsplätze. Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD)
       sagte: „Offshore ist der Eckpfeiler der Energiewende.“
       
       Wie tragend dieser ist, darüber gibt es vermehrt Zweifel. Der Bundesverband
       Windenergie (BWE), der vor allem die kleinen und mittleren
       Anlagen-Betreiber vertritt, hat den Appell nicht unterschrieben. „Der BWE
       sieht das immer etwas distanzierter“, sagt dessen Sprecher Matthias
       Hofstätter. Der Verband geht davon aus, dass an Land wesentlich mehr
       Windkraft erzeugt werden kann, als früher vermutet wurde. Neue Standorte
       und höhere Windräder relativierten die Bedeutung der Windkraft auf See.
       
       26 Aug 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gernot Knödler
       
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