# taz.de -- Die Wahrheit: Scheitern am Metzger
       
       > Metzgersöhne wie Franz Josef Strauß und Joschka Fischer, Uli Hoeneß und
       > Stefan Raab gehören einem aussterbenden Geschlecht an.
       
 (IMG) Bild: Die Steuerspiele wurden Uli Hoeneß zum Verhängnis. Angezeigt hatte er sich selbst
       
       Verdutzt ist man und staunt: Manchen Leitsatz braucht man bei Bedarf nicht
       aus dem digitalen oder physischen Archiv zu klauben, um sich der
       Buchstabentreue zu vergewissern. Nein, der Satz ruht verlässlich im
       Geflecht der körpereigenen Nervenzellen. Allein im Schädel sollen es ja um
       die 100 Milliarden sein. Und ein paar zerquetschte vermutlich. Egal, diese
       Maxime jedenfalls ist seit gut zwanzig Jahren dort irgendwo bei mir
       verankert: „Die Frage ’Haben Sie ein Hirn?‘ kann einwandfrei nur der
       Metzger beantworten.“
       
       Den Satz hat Herbert Achternbusch geprägt. Den Älteren unter uns sagt sein
       Name etwas, die Jüngeren knipsen bei Interesse das Netz an. Neulich
       richtete sich mein Blick dringend auf den Ausspruch, bevor der Vegetarismus
       die Weltherrschaft erobert hat, der erwähnte Beruf antiquiert, verödet sein
       wird, gleichsam im Museum aufgehoben.
       
       Zunächst: Wäre mir und nicht Achternbusch der Satz in den Sinn geweht, ich
       hätte den Fleischer zum Protagonisten auserkoren oder den Schlachter. Da
       regiert die geografische Herkunft, die je nachdem auch den Fleischhauer
       oder den Fleischhacker goutieren würde. Ich schließe mich der Mehrheit an
       und bleibe beim Metzger.
       
       Ich beobachtete ihn jedoch nicht beim Ansägen oder beim Zerspalten eines
       Schweinskopfes. Stattdessen stellte ich mir harmlos vor, der Metzger habe
       an der Zeugung eines Sohnes teilgenommen, ein Zunftgenosse trage ebenfalls
       dazu bei, einen Sohn in die Welt zu setzen, ein Dritter eifert zusammen mit
       seiner Angetrauten nach, und so fort. Also wendete ich mich der Spezies der
       Metzgersöhne zu, stieß auf Franz Josef Strauß, Joschka Fischer und Uli
       Hoeneß.
       
       Dieser Einfall sprang auch andere an. Anlässlich der Steuer-Affäre des
       Letzteren war in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu lesen, Hoeneß habe
       in „seiner Außenwirkung als sozialer Machtmensch, als wuchtiger Kraftprotz
       in der Tradition anderer Metzgersöhne wie Franz Josef Strauß oder Joschka
       Fischer“ eine „ungeahnte späte Popularität“ genossen.
       
       Doch weshalb werden weitere kraftprotzige Metzgersöhne wie Stefan Raab oder
       Anton Schlecker verschwiegen? Weder Werner Gladow (vgl. die nach ihm
       bemannte Gangsterbande) noch Johann Jacob Astor wird erwähnt, der
       „erfolgreichste deutsche Auswanderer“, der 1848 umgerechnet etwa 110
       Milliarden Dollar hinterließ?
       
       Ich weiß es nicht. Mir mangelt es außerdem an analytischer Denkkraft, um
       die Synthese feingliedriger durchzuarbeiten. Außerdem vermag ich es nicht,
       Achternbuschs Sentenz inspirativ weiterzuspinnen, bin unentschlossen, ob
       man nun nach dem Hirn von Metzgersöhnen fahnden oder eine Liste von
       Metzgertöchtern recherchieren müsste.
       
       Kurzum: Scheiternd beschränke ich mich bloß auf die fatale, nein,
       fatalistische Ausrede, man habe halt wieder etwas versucht, sei wieder
       gescheitert und werde beim nächsten Mal eben gescheiter scheitern. Dann
       aber wären weder Söhne noch Töchter von Metzgerinnen oder Metzgern
       überhaupt zu porträtieren, denn diese wird es ja eines Tages nicht mehr
       geben.
       
       3 Sep 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dietrich zur Nedden
       
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